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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Mit dem vorliegenden tzefte beginnt diese Zeitschrift das Z. "Quartal ihres 4s. Jahr-
ganges, welches durch alle Buchhandlungen und vostanftalten des In- und Auslandes zu
beziehen ist. Preis für das Guartal 0 Mark. Wir bitten um schleunige Ausgabe des
neuen Abonnements.
Leipzig, im Juli Mo. Die Verlagshandlung.

Die Zukunft des Zentrums.

ir können uns jetzt kaum noch in das Jahr 1871 zurückdenken,
wo das Zentrum noch das "sogenannte Zentrum" hieß, wo mau
meinen konnte, der Papst mißbillige das Vorgehen dieses "soge¬
nannten Zentrums," und wo ein Mann wie der Reichskanzler
diese Mißbilligung, die diplomatisch sicher bekundet worden war,
auch aus dem bisherige" Verhalten des Papstes erklärlich fand. Die Ent-
täuschung folgte freilich bald. Antonelli stellte in einem Briefe an den Bischof
Ketteler die Sache ganz anders dar. Höchstens "verfrüht" und zu hitzig seien
die Zentrumsbestrebungen, aber es falle dem Papste nicht ein, das Bestreben
der katholischen Abgeordneten, das Wohl der Kirche und die Rechte des heiligen
Stuhles zu schützen, von seiner Seite zu mißbilligen. Kurz, die Schwenkung
in Rom, die uns jetzt so zweifellos natürlich vorkommt, war vollbracht.

Seitdem ist im kirchenpolitischen Kampfe das Zentrum von Jahr zu Jahr
erstarkt und uuter dem Segen Roms und der Führung eines klugen und kenntnis¬
reichen Mannes parlamentarisch so mächtig geworden, daß eine ähnliche Partci-
wnchernng nirgends auszuweisen ist. Allen Bestrebungen, die auf Stärkung des
Reiches zielten und die Umstürzler bändigen sollten, allen Maßregeln überhaupt,
die irgendwie im Sinne der bestehenden Regierung lagen, trat diese Partei ent¬
gegen, mit Ausnahme der Schutzzollfrage. Und so wohlberechnet und wirksam
war die Leitung der Fraktion, daß die bittersten Feinde des Schutzzolls, die
auf Leben und Tod gegen jede Verletzung des Freihandels gekcimpft hatten,
doch mit dem Zentrum sich eng verbündeten. Denn Engen Richters Schaar
erkannte, daß das Zentrum etwas Erhebliches leistete in der systematischen Be¬
kämpfung des Kanzlers und jeder bestehenden preußisch-deutschen Regierungsgewalt.


Grenzboten III. 1336. 7


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Mit dem vorliegenden tzefte beginnt diese Zeitschrift das Z. «Quartal ihres 4s. Jahr-
ganges, welches durch alle Buchhandlungen und vostanftalten des In- und Auslandes zu
beziehen ist. Preis für das Guartal 0 Mark. Wir bitten um schleunige Ausgabe des
neuen Abonnements.
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Die Zukunft des Zentrums.

ir können uns jetzt kaum noch in das Jahr 1871 zurückdenken,
wo das Zentrum noch das „sogenannte Zentrum" hieß, wo mau
meinen konnte, der Papst mißbillige das Vorgehen dieses „soge¬
nannten Zentrums," und wo ein Mann wie der Reichskanzler
diese Mißbilligung, die diplomatisch sicher bekundet worden war,
auch aus dem bisherige» Verhalten des Papstes erklärlich fand. Die Ent-
täuschung folgte freilich bald. Antonelli stellte in einem Briefe an den Bischof
Ketteler die Sache ganz anders dar. Höchstens „verfrüht" und zu hitzig seien
die Zentrumsbestrebungen, aber es falle dem Papste nicht ein, das Bestreben
der katholischen Abgeordneten, das Wohl der Kirche und die Rechte des heiligen
Stuhles zu schützen, von seiner Seite zu mißbilligen. Kurz, die Schwenkung
in Rom, die uns jetzt so zweifellos natürlich vorkommt, war vollbracht.

Seitdem ist im kirchenpolitischen Kampfe das Zentrum von Jahr zu Jahr
erstarkt und uuter dem Segen Roms und der Führung eines klugen und kenntnis¬
reichen Mannes parlamentarisch so mächtig geworden, daß eine ähnliche Partci-
wnchernng nirgends auszuweisen ist. Allen Bestrebungen, die auf Stärkung des
Reiches zielten und die Umstürzler bändigen sollten, allen Maßregeln überhaupt,
die irgendwie im Sinne der bestehenden Regierung lagen, trat diese Partei ent¬
gegen, mit Ausnahme der Schutzzollfrage. Und so wohlberechnet und wirksam
war die Leitung der Fraktion, daß die bittersten Feinde des Schutzzolls, die
auf Leben und Tod gegen jede Verletzung des Freihandels gekcimpft hatten,
doch mit dem Zentrum sich eng verbündeten. Denn Engen Richters Schaar
erkannte, daß das Zentrum etwas Erhebliches leistete in der systematischen Be¬
kämpfung des Kanzlers und jeder bestehenden preußisch-deutschen Regierungsgewalt.


Grenzboten III. 1336. 7
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/57>, abgerufen am 03.07.2024.