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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Germanische Altertümer aus den Banerdörfern Nordungarns.

Und wenn auch durch den Sturz Gladstones ein Stillstand in diese Thätig¬
keit der Gesetzgebung eintreten wird, so ist doch die Richtung, welche dieselbe
einhalten muß, für die Zukunft angegeben, und wird schwerlich wieder verlassen
werdeu können. (Schluß folgt.)




Germanische Altertümer
aus den Bauerdörfern Nordungarns.
von Aarl Rhamm.
^. Durch slowakisches Tand nach Deutsch-Praben.

le Veranlassung zu meiner vorjährigen Sommerreise nach den
deutschen Bauerdörfern bei Kremnitz in Nvrdungcirn war eine
eigentümliche. Im März des Jahres 1882 befand ich mich in
Kram, um dort in dem deutsch-slawischen Grenzgebiete ethno¬
graphischen Untersuchungen nachzugehen. Von Veldes begab ich
mich nach dem entlegenen Gebirgskessel der Wochein, wo ich in dem Hauptdorfe
Windisch-Feistritz einige Tage Aufenthalt nahm. Dort fand ich im Wirtshause
des Doktoritsch einen Bergingenieur G,, der mit seiner Frau im obern Stock
zur Miete wohnte und mir bei meinen Studien aufs liebenswürdigste zur Seite
stand. Eines Abends, als wir uns über slovenische Verhältnisse unterhielten,
brachte ich die Rede auf die bekannte Gewohnheit der nächsten Nachbarn und
Verwandten der Slowenen, der Kroato-Serben, nicht in einzelnen Familien zu
lohnen und zu wirtschaften, sondern aus dem altüberkommenen Grundbesitze in
größern verwandtschaftlichen VerbÄnden möglichst lange ungeteilt zusammen¬
zubleiben, auf die sogenannte Hauskommunion, Hausgenossenschaft, Ag-ärug^.
"Dasselbe können Sie, rief da G. zu meinem Erstaunen aus, bei uns in Ungarn
unter den deutschen Bauern in Krickerhäu sehen, wo ich jahrelang als Berg¬
beamter zugebracht habe. Dort wohnt das ganze Geschlecht zusammen in einem
großen Hause? unten ist die große Stube mit dem Ofen, darum ein Gestüng,
an welchem eine Anzahl hängemattenähulicher Wiegen für die kleinen Kinder
befestigt sind; hier essen an einer Anzahl von Tischen die verschiednen Familien zu
Mittag; nachts schlafen die Unverheirateten hier unten ohne Betten, ohne daß
etwas Ungehöriges geschähe, denn in Krickerhäu herrschen die strengsten und
reinsten Sitten; oben im Hause hat jede Familie ihr Schlafzimmer mit einer


Grenzboten IU. 1886. 63
Germanische Altertümer aus den Banerdörfern Nordungarns.

Und wenn auch durch den Sturz Gladstones ein Stillstand in diese Thätig¬
keit der Gesetzgebung eintreten wird, so ist doch die Richtung, welche dieselbe
einhalten muß, für die Zukunft angegeben, und wird schwerlich wieder verlassen
werdeu können. (Schluß folgt.)




Germanische Altertümer
aus den Bauerdörfern Nordungarns.
von Aarl Rhamm.
^. Durch slowakisches Tand nach Deutsch-Praben.

le Veranlassung zu meiner vorjährigen Sommerreise nach den
deutschen Bauerdörfern bei Kremnitz in Nvrdungcirn war eine
eigentümliche. Im März des Jahres 1882 befand ich mich in
Kram, um dort in dem deutsch-slawischen Grenzgebiete ethno¬
graphischen Untersuchungen nachzugehen. Von Veldes begab ich
mich nach dem entlegenen Gebirgskessel der Wochein, wo ich in dem Hauptdorfe
Windisch-Feistritz einige Tage Aufenthalt nahm. Dort fand ich im Wirtshause
des Doktoritsch einen Bergingenieur G,, der mit seiner Frau im obern Stock
zur Miete wohnte und mir bei meinen Studien aufs liebenswürdigste zur Seite
stand. Eines Abends, als wir uns über slovenische Verhältnisse unterhielten,
brachte ich die Rede auf die bekannte Gewohnheit der nächsten Nachbarn und
Verwandten der Slowenen, der Kroato-Serben, nicht in einzelnen Familien zu
lohnen und zu wirtschaften, sondern aus dem altüberkommenen Grundbesitze in
größern verwandtschaftlichen VerbÄnden möglichst lange ungeteilt zusammen¬
zubleiben, auf die sogenannte Hauskommunion, Hausgenossenschaft, Ag-ärug^.
„Dasselbe können Sie, rief da G. zu meinem Erstaunen aus, bei uns in Ungarn
unter den deutschen Bauern in Krickerhäu sehen, wo ich jahrelang als Berg¬
beamter zugebracht habe. Dort wohnt das ganze Geschlecht zusammen in einem
großen Hause? unten ist die große Stube mit dem Ofen, darum ein Gestüng,
an welchem eine Anzahl hängemattenähulicher Wiegen für die kleinen Kinder
befestigt sind; hier essen an einer Anzahl von Tischen die verschiednen Familien zu
Mittag; nachts schlafen die Unverheirateten hier unten ohne Betten, ohne daß
etwas Ungehöriges geschähe, denn in Krickerhäu herrschen die strengsten und
reinsten Sitten; oben im Hause hat jede Familie ihr Schlafzimmer mit einer


Grenzboten IU. 1886. 63
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[0505] Germanische Altertümer aus den Banerdörfern Nordungarns. Und wenn auch durch den Sturz Gladstones ein Stillstand in diese Thätig¬ keit der Gesetzgebung eintreten wird, so ist doch die Richtung, welche dieselbe einhalten muß, für die Zukunft angegeben, und wird schwerlich wieder verlassen werdeu können. (Schluß folgt.) Germanische Altertümer aus den Bauerdörfern Nordungarns. von Aarl Rhamm. ^. Durch slowakisches Tand nach Deutsch-Praben. le Veranlassung zu meiner vorjährigen Sommerreise nach den deutschen Bauerdörfern bei Kremnitz in Nvrdungcirn war eine eigentümliche. Im März des Jahres 1882 befand ich mich in Kram, um dort in dem deutsch-slawischen Grenzgebiete ethno¬ graphischen Untersuchungen nachzugehen. Von Veldes begab ich mich nach dem entlegenen Gebirgskessel der Wochein, wo ich in dem Hauptdorfe Windisch-Feistritz einige Tage Aufenthalt nahm. Dort fand ich im Wirtshause des Doktoritsch einen Bergingenieur G,, der mit seiner Frau im obern Stock zur Miete wohnte und mir bei meinen Studien aufs liebenswürdigste zur Seite stand. Eines Abends, als wir uns über slovenische Verhältnisse unterhielten, brachte ich die Rede auf die bekannte Gewohnheit der nächsten Nachbarn und Verwandten der Slowenen, der Kroato-Serben, nicht in einzelnen Familien zu lohnen und zu wirtschaften, sondern aus dem altüberkommenen Grundbesitze in größern verwandtschaftlichen VerbÄnden möglichst lange ungeteilt zusammen¬ zubleiben, auf die sogenannte Hauskommunion, Hausgenossenschaft, Ag-ärug^. „Dasselbe können Sie, rief da G. zu meinem Erstaunen aus, bei uns in Ungarn unter den deutschen Bauern in Krickerhäu sehen, wo ich jahrelang als Berg¬ beamter zugebracht habe. Dort wohnt das ganze Geschlecht zusammen in einem großen Hause? unten ist die große Stube mit dem Ofen, darum ein Gestüng, an welchem eine Anzahl hängemattenähulicher Wiegen für die kleinen Kinder befestigt sind; hier essen an einer Anzahl von Tischen die verschiednen Familien zu Mittag; nachts schlafen die Unverheirateten hier unten ohne Betten, ohne daß etwas Ungehöriges geschähe, denn in Krickerhäu herrschen die strengsten und reinsten Sitten; oben im Hause hat jede Familie ihr Schlafzimmer mit einer Grenzboten IU. 1886. 63

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/505>, abgerufen am 03.07.2024.