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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

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Aus der Lhronik derer von Riffelshausen.

Er soll sie zu Duseles mitnehmen?

Ja doch. Warum nicht? Es kommt ja nur auf die Fahrt an.

Cäcilie schüttelte bedenklich den Kopf. Liebster Bruder, sagte sie feierlich,
Georg kann keinen Diener mitnehmen. Er fährt allein, und der Schlitten nimmt
nur zwei Personen auf.

Was sollte ihnen denn aber begegnen? Der Weg ist ja gut.

Cäcilie machte ein sehr bedeutsames Gesicht. Bedenke, daß Therese noch
sehr jung ist und daß ihre Mutter eben doch --

Der Hofmarschall stützte seine Arme auf den Tisch und starrte seine Schwester
an, als koste es gewaltige Mühe, den Sinn ihrer Worte zu erfassen. Daun
sprang er auf, sodciß Tassen und Gläser klirrend übereincmderficlen. Er um¬
klammerte krampfhaft die Stuhllehne und rief: Wenn du toll bist, so gehe ins
Irrenhaus!

Seine Stimme versagte bei dem letzten Worte, das er im höchsten
Diskant schrie, und die blaue Ader trat hervor wie ein Strick. Der Stuhl
ächzte uuter seinem Griffe, und Ccieilie sah den Augenblick kommen, wo er den
Stuhl erhob, um sie zu erschlagen. Plötzlich jedoch schleuderte er das un¬
glückliche Möbel von sich und verließ das Zimmer, die Thür hinter sich zu¬
schlagend, daß das Haus dröhnte und wackelte.

Diese Heftigkeit, dachte Cäcilie, als sie sich ein wenig erholt hatte, kann
man sich eben nicht abgewöhnen, und es ist mir wirklich lieb, daß Georg nicht
auch ein solches Temperament hat.




Achtes Aapitel.

Nein und glänzend lagen Hof und Garten in dem frischen Schnee. Therese
trat an den vor der Hausthür haltenden Schlitten, an dem sie auch Bohemund
und Cäcilie stehen fand, in Unterhaltung mit Georg.

Hast du dich auch genügend gegen die Kälte verwahrt? empfing sie der
letztere.

An seiner umwölkten Stirn meinte sie zu sehen, daß auch er mit der ge¬
meinschaftlichen Spazierfahrt nicht ganz zufrieden sei, sondern daß er sich, wie sie,
dem Willen seines Bruders gefügt hatte.

Es ist nicht kalt, sagte der Hofmarschall entschieden.

Georg zog die Brauen in die Höhe. Entschuldige! Doch er brach ab.

Therese friert wirklich nicht so leicht. Sie ist nicht so verwöhnt, wie du
anzunehmen scheinst. Steig ein, Frau.

Therese gehorchte schweigend. Der Hofmarschall wickelte die Pelzdecke um
die Füße seiner Fran, und Cäcilie rief dem fortfahrenden Georg nach, sich doch
nur ja von Fräulein Dusele das vorzügliche Klvßrezept geben zu lassen.


Aus der Lhronik derer von Riffelshausen.

Er soll sie zu Duseles mitnehmen?

Ja doch. Warum nicht? Es kommt ja nur auf die Fahrt an.

Cäcilie schüttelte bedenklich den Kopf. Liebster Bruder, sagte sie feierlich,
Georg kann keinen Diener mitnehmen. Er fährt allein, und der Schlitten nimmt
nur zwei Personen auf.

Was sollte ihnen denn aber begegnen? Der Weg ist ja gut.

Cäcilie machte ein sehr bedeutsames Gesicht. Bedenke, daß Therese noch
sehr jung ist und daß ihre Mutter eben doch —

Der Hofmarschall stützte seine Arme auf den Tisch und starrte seine Schwester
an, als koste es gewaltige Mühe, den Sinn ihrer Worte zu erfassen. Daun
sprang er auf, sodciß Tassen und Gläser klirrend übereincmderficlen. Er um¬
klammerte krampfhaft die Stuhllehne und rief: Wenn du toll bist, so gehe ins
Irrenhaus!

Seine Stimme versagte bei dem letzten Worte, das er im höchsten
Diskant schrie, und die blaue Ader trat hervor wie ein Strick. Der Stuhl
ächzte uuter seinem Griffe, und Ccieilie sah den Augenblick kommen, wo er den
Stuhl erhob, um sie zu erschlagen. Plötzlich jedoch schleuderte er das un¬
glückliche Möbel von sich und verließ das Zimmer, die Thür hinter sich zu¬
schlagend, daß das Haus dröhnte und wackelte.

Diese Heftigkeit, dachte Cäcilie, als sie sich ein wenig erholt hatte, kann
man sich eben nicht abgewöhnen, und es ist mir wirklich lieb, daß Georg nicht
auch ein solches Temperament hat.




Achtes Aapitel.

Nein und glänzend lagen Hof und Garten in dem frischen Schnee. Therese
trat an den vor der Hausthür haltenden Schlitten, an dem sie auch Bohemund
und Cäcilie stehen fand, in Unterhaltung mit Georg.

Hast du dich auch genügend gegen die Kälte verwahrt? empfing sie der
letztere.

An seiner umwölkten Stirn meinte sie zu sehen, daß auch er mit der ge¬
meinschaftlichen Spazierfahrt nicht ganz zufrieden sei, sondern daß er sich, wie sie,
dem Willen seines Bruders gefügt hatte.

Es ist nicht kalt, sagte der Hofmarschall entschieden.

Georg zog die Brauen in die Höhe. Entschuldige! Doch er brach ab.

Therese friert wirklich nicht so leicht. Sie ist nicht so verwöhnt, wie du
anzunehmen scheinst. Steig ein, Frau.

Therese gehorchte schweigend. Der Hofmarschall wickelte die Pelzdecke um
die Füße seiner Fran, und Cäcilie rief dem fortfahrenden Georg nach, sich doch
nur ja von Fräulein Dusele das vorzügliche Klvßrezept geben zu lassen.


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[0430] Aus der Lhronik derer von Riffelshausen. Er soll sie zu Duseles mitnehmen? Ja doch. Warum nicht? Es kommt ja nur auf die Fahrt an. Cäcilie schüttelte bedenklich den Kopf. Liebster Bruder, sagte sie feierlich, Georg kann keinen Diener mitnehmen. Er fährt allein, und der Schlitten nimmt nur zwei Personen auf. Was sollte ihnen denn aber begegnen? Der Weg ist ja gut. Cäcilie machte ein sehr bedeutsames Gesicht. Bedenke, daß Therese noch sehr jung ist und daß ihre Mutter eben doch — Der Hofmarschall stützte seine Arme auf den Tisch und starrte seine Schwester an, als koste es gewaltige Mühe, den Sinn ihrer Worte zu erfassen. Daun sprang er auf, sodciß Tassen und Gläser klirrend übereincmderficlen. Er um¬ klammerte krampfhaft die Stuhllehne und rief: Wenn du toll bist, so gehe ins Irrenhaus! Seine Stimme versagte bei dem letzten Worte, das er im höchsten Diskant schrie, und die blaue Ader trat hervor wie ein Strick. Der Stuhl ächzte uuter seinem Griffe, und Ccieilie sah den Augenblick kommen, wo er den Stuhl erhob, um sie zu erschlagen. Plötzlich jedoch schleuderte er das un¬ glückliche Möbel von sich und verließ das Zimmer, die Thür hinter sich zu¬ schlagend, daß das Haus dröhnte und wackelte. Diese Heftigkeit, dachte Cäcilie, als sie sich ein wenig erholt hatte, kann man sich eben nicht abgewöhnen, und es ist mir wirklich lieb, daß Georg nicht auch ein solches Temperament hat. Achtes Aapitel. Nein und glänzend lagen Hof und Garten in dem frischen Schnee. Therese trat an den vor der Hausthür haltenden Schlitten, an dem sie auch Bohemund und Cäcilie stehen fand, in Unterhaltung mit Georg. Hast du dich auch genügend gegen die Kälte verwahrt? empfing sie der letztere. An seiner umwölkten Stirn meinte sie zu sehen, daß auch er mit der ge¬ meinschaftlichen Spazierfahrt nicht ganz zufrieden sei, sondern daß er sich, wie sie, dem Willen seines Bruders gefügt hatte. Es ist nicht kalt, sagte der Hofmarschall entschieden. Georg zog die Brauen in die Höhe. Entschuldige! Doch er brach ab. Therese friert wirklich nicht so leicht. Sie ist nicht so verwöhnt, wie du anzunehmen scheinst. Steig ein, Frau. Therese gehorchte schweigend. Der Hofmarschall wickelte die Pelzdecke um die Füße seiner Fran, und Cäcilie rief dem fortfahrenden Georg nach, sich doch nur ja von Fräulein Dusele das vorzügliche Klvßrezept geben zu lassen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/430>, abgerufen am 22.07.2024.