Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Kaiserwahl vom Jahre
und Rarls V. Anfänge.
(Schluss)

er Sieg auf der Soltauer Heide war auch ein Sieg Frank¬
reichs, wie die Niederlage des Herzogs Ulrich eine Niederlage
dieser Macht gewesen war. Aber da der Sieg am Tage nach
der Kaiserwahl erstritten wurde, so war er ohne weitere poli¬
tische Folgen; er entschied wohl vorläufig die Hildesheimer
Fehde, aber nicht mehr. Erich von Vrannschweig faßte, als er in Celle das
Ergebnis des Wahlganges erfuhr, sofort wieder Mut; "ist Karl von Gent zum
Kaiser erkoren, so haben die Braunschweigischen Fürsten mehr gewonnen als
verloren." Offenbar fühlten mich die Kurfürsten in Frankfurt, daß sie nunmehr,
da die große Krisis überwunden war, mit besserer Aussicht und mehr Gewicht
die Fehde beizulegen versuchen konnten; die trüben Gewässer, in welchen jeder
fischen zu können gemeint hatte, begannen sich zu klare". Alsbald geboten sie
beiden kriegführenden Parteien einen fünfmonatlichen Waffenstillstand, bei einer
Strase von 4000 Gulden; wie die Dinge lagen, kam dieses Gebot vor allem
den besiegten Braunschweigern, den Anhängern Karls, zu statten, bereu Land
wenigstens der rachcdürstende Bischof Johann gar zu gern mit Feuer und Schwert
überzogen hätte. Die Sieger entließen ihr Kriegsvolk; gegen Abtretung einiger
Schlosser und das Versprechen, 28000 Gulden zu zahle" oder die Feste Neu¬
stadt am Rübeuberge abzutreten, wurde Erich am 31. Juli freigegeben.

Nachdem die Kaiserwahl vollzogen war, wurde die Votschaft den kaiser¬
lichen Gesandten mitgeteilt, die eine Meile von Frankfurt, in Höchst, den Aus-
gang abgewartet hatten; man begann mit ihnen auf Grund der ihnen von Karl
aufgestellten Vollmacht über die Bedingungen, unter denen der Kaiser seine
Gewalt ausüben sollte, zu verhandeln, und verwandte fünf Tage auf diese
"Wahlkapitulation." Schon früher war es herkömmlich gewesen, daß die Kur-
fürsten, die svxtomviri, wie sie dieses humanistische Zeitalter nannte, jede Wahl
zur Bekräftigung und Stärkung ihres Einflusses verwertet hatten; jetzt, wo man
sich einen so mächtigen ausländischen König zum Herrn erwählt hatte, wo "die
Naben -- nach dem Worte des sächsischen Rates Fabian von Feilitsch -- einen
Geier hatten," schien es doppelt notwendig, sich gegen Mißbrauch der kaiser¬
lichen Rechte in aller Form vorzusehen. Eine Wahlkapitulatiou von vierund¬
dreißig Artikeln ward den Gesandten zum Unterschreiben vorgelegt, nach welcher
sich Karl verpflichten sollte, das Reich und alle Glieder zu schirmen; die Kirche,


Die Kaiserwahl vom Jahre
und Rarls V. Anfänge.
(Schluss)

er Sieg auf der Soltauer Heide war auch ein Sieg Frank¬
reichs, wie die Niederlage des Herzogs Ulrich eine Niederlage
dieser Macht gewesen war. Aber da der Sieg am Tage nach
der Kaiserwahl erstritten wurde, so war er ohne weitere poli¬
tische Folgen; er entschied wohl vorläufig die Hildesheimer
Fehde, aber nicht mehr. Erich von Vrannschweig faßte, als er in Celle das
Ergebnis des Wahlganges erfuhr, sofort wieder Mut; „ist Karl von Gent zum
Kaiser erkoren, so haben die Braunschweigischen Fürsten mehr gewonnen als
verloren." Offenbar fühlten mich die Kurfürsten in Frankfurt, daß sie nunmehr,
da die große Krisis überwunden war, mit besserer Aussicht und mehr Gewicht
die Fehde beizulegen versuchen konnten; die trüben Gewässer, in welchen jeder
fischen zu können gemeint hatte, begannen sich zu klare». Alsbald geboten sie
beiden kriegführenden Parteien einen fünfmonatlichen Waffenstillstand, bei einer
Strase von 4000 Gulden; wie die Dinge lagen, kam dieses Gebot vor allem
den besiegten Braunschweigern, den Anhängern Karls, zu statten, bereu Land
wenigstens der rachcdürstende Bischof Johann gar zu gern mit Feuer und Schwert
überzogen hätte. Die Sieger entließen ihr Kriegsvolk; gegen Abtretung einiger
Schlosser und das Versprechen, 28000 Gulden zu zahle» oder die Feste Neu¬
stadt am Rübeuberge abzutreten, wurde Erich am 31. Juli freigegeben.

Nachdem die Kaiserwahl vollzogen war, wurde die Votschaft den kaiser¬
lichen Gesandten mitgeteilt, die eine Meile von Frankfurt, in Höchst, den Aus-
gang abgewartet hatten; man begann mit ihnen auf Grund der ihnen von Karl
aufgestellten Vollmacht über die Bedingungen, unter denen der Kaiser seine
Gewalt ausüben sollte, zu verhandeln, und verwandte fünf Tage auf diese
„Wahlkapitulation." Schon früher war es herkömmlich gewesen, daß die Kur-
fürsten, die svxtomviri, wie sie dieses humanistische Zeitalter nannte, jede Wahl
zur Bekräftigung und Stärkung ihres Einflusses verwertet hatten; jetzt, wo man
sich einen so mächtigen ausländischen König zum Herrn erwählt hatte, wo „die
Naben — nach dem Worte des sächsischen Rates Fabian von Feilitsch — einen
Geier hatten," schien es doppelt notwendig, sich gegen Mißbrauch der kaiser¬
lichen Rechte in aller Form vorzusehen. Eine Wahlkapitulatiou von vierund¬
dreißig Artikeln ward den Gesandten zum Unterschreiben vorgelegt, nach welcher
sich Karl verpflichten sollte, das Reich und alle Glieder zu schirmen; die Kirche,


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0415" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/199135"/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Die Kaiserwahl vom Jahre<lb/>
und Rarls V. Anfänge.<lb/>
(Schluss)</head><lb/>
          <p xml:id="ID_1243"> er Sieg auf der Soltauer Heide war auch ein Sieg Frank¬<lb/>
reichs, wie die Niederlage des Herzogs Ulrich eine Niederlage<lb/>
dieser Macht gewesen war. Aber da der Sieg am Tage nach<lb/>
der Kaiserwahl erstritten wurde, so war er ohne weitere poli¬<lb/>
tische Folgen; er entschied wohl vorläufig die Hildesheimer<lb/>
Fehde, aber nicht mehr. Erich von Vrannschweig faßte, als er in Celle das<lb/>
Ergebnis des Wahlganges erfuhr, sofort wieder Mut; &#x201E;ist Karl von Gent zum<lb/>
Kaiser erkoren, so haben die Braunschweigischen Fürsten mehr gewonnen als<lb/>
verloren." Offenbar fühlten mich die Kurfürsten in Frankfurt, daß sie nunmehr,<lb/>
da die große Krisis überwunden war, mit besserer Aussicht und mehr Gewicht<lb/>
die Fehde beizulegen versuchen konnten; die trüben Gewässer, in welchen jeder<lb/>
fischen zu können gemeint hatte, begannen sich zu klare». Alsbald geboten sie<lb/>
beiden kriegführenden Parteien einen fünfmonatlichen Waffenstillstand, bei einer<lb/>
Strase von 4000 Gulden; wie die Dinge lagen, kam dieses Gebot vor allem<lb/>
den besiegten Braunschweigern, den Anhängern Karls, zu statten, bereu Land<lb/>
wenigstens der rachcdürstende Bischof Johann gar zu gern mit Feuer und Schwert<lb/>
überzogen hätte. Die Sieger entließen ihr Kriegsvolk; gegen Abtretung einiger<lb/>
Schlosser und das Versprechen, 28000 Gulden zu zahle» oder die Feste Neu¬<lb/>
stadt am Rübeuberge abzutreten, wurde Erich am 31. Juli freigegeben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1244" next="#ID_1245"> Nachdem die Kaiserwahl vollzogen war, wurde die Votschaft den kaiser¬<lb/>
lichen Gesandten mitgeteilt, die eine Meile von Frankfurt, in Höchst, den Aus-<lb/>
gang abgewartet hatten; man begann mit ihnen auf Grund der ihnen von Karl<lb/>
aufgestellten Vollmacht über die Bedingungen, unter denen der Kaiser seine<lb/>
Gewalt ausüben sollte, zu verhandeln, und verwandte fünf Tage auf diese<lb/>
&#x201E;Wahlkapitulation." Schon früher war es herkömmlich gewesen, daß die Kur-<lb/>
fürsten, die svxtomviri, wie sie dieses humanistische Zeitalter nannte, jede Wahl<lb/>
zur Bekräftigung und Stärkung ihres Einflusses verwertet hatten; jetzt, wo man<lb/>
sich einen so mächtigen ausländischen König zum Herrn erwählt hatte, wo &#x201E;die<lb/>
Naben &#x2014; nach dem Worte des sächsischen Rates Fabian von Feilitsch &#x2014; einen<lb/>
Geier hatten," schien es doppelt notwendig, sich gegen Mißbrauch der kaiser¬<lb/>
lichen Rechte in aller Form vorzusehen. Eine Wahlkapitulatiou von vierund¬<lb/>
dreißig Artikeln ward den Gesandten zum Unterschreiben vorgelegt, nach welcher<lb/>
sich Karl verpflichten sollte, das Reich und alle Glieder zu schirmen; die Kirche,</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0415] Die Kaiserwahl vom Jahre und Rarls V. Anfänge. (Schluss) er Sieg auf der Soltauer Heide war auch ein Sieg Frank¬ reichs, wie die Niederlage des Herzogs Ulrich eine Niederlage dieser Macht gewesen war. Aber da der Sieg am Tage nach der Kaiserwahl erstritten wurde, so war er ohne weitere poli¬ tische Folgen; er entschied wohl vorläufig die Hildesheimer Fehde, aber nicht mehr. Erich von Vrannschweig faßte, als er in Celle das Ergebnis des Wahlganges erfuhr, sofort wieder Mut; „ist Karl von Gent zum Kaiser erkoren, so haben die Braunschweigischen Fürsten mehr gewonnen als verloren." Offenbar fühlten mich die Kurfürsten in Frankfurt, daß sie nunmehr, da die große Krisis überwunden war, mit besserer Aussicht und mehr Gewicht die Fehde beizulegen versuchen konnten; die trüben Gewässer, in welchen jeder fischen zu können gemeint hatte, begannen sich zu klare». Alsbald geboten sie beiden kriegführenden Parteien einen fünfmonatlichen Waffenstillstand, bei einer Strase von 4000 Gulden; wie die Dinge lagen, kam dieses Gebot vor allem den besiegten Braunschweigern, den Anhängern Karls, zu statten, bereu Land wenigstens der rachcdürstende Bischof Johann gar zu gern mit Feuer und Schwert überzogen hätte. Die Sieger entließen ihr Kriegsvolk; gegen Abtretung einiger Schlosser und das Versprechen, 28000 Gulden zu zahle» oder die Feste Neu¬ stadt am Rübeuberge abzutreten, wurde Erich am 31. Juli freigegeben. Nachdem die Kaiserwahl vollzogen war, wurde die Votschaft den kaiser¬ lichen Gesandten mitgeteilt, die eine Meile von Frankfurt, in Höchst, den Aus- gang abgewartet hatten; man begann mit ihnen auf Grund der ihnen von Karl aufgestellten Vollmacht über die Bedingungen, unter denen der Kaiser seine Gewalt ausüben sollte, zu verhandeln, und verwandte fünf Tage auf diese „Wahlkapitulation." Schon früher war es herkömmlich gewesen, daß die Kur- fürsten, die svxtomviri, wie sie dieses humanistische Zeitalter nannte, jede Wahl zur Bekräftigung und Stärkung ihres Einflusses verwertet hatten; jetzt, wo man sich einen so mächtigen ausländischen König zum Herrn erwählt hatte, wo „die Naben — nach dem Worte des sächsischen Rates Fabian von Feilitsch — einen Geier hatten," schien es doppelt notwendig, sich gegen Mißbrauch der kaiser¬ lichen Rechte in aller Form vorzusehen. Eine Wahlkapitulatiou von vierund¬ dreißig Artikeln ward den Gesandten zum Unterschreiben vorgelegt, nach welcher sich Karl verpflichten sollte, das Reich und alle Glieder zu schirmen; die Kirche,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/415
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/415>, abgerufen am 22.07.2024.