Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.Literatur. kannt, sie kommt auch hier wieder zum Ausdruck. Dem geeinten Italien steht er Der ehemalige Herzog von Lucca und Parma Karl Ludwig Von Bourvon, Jugenderinnerungen mit Blicken auf das spätere Leben. Von Friedrich Heinrich Ranke. Oberkonsistorialrat in München. Zweite Auslage. Stuttgart, I. F. Steintopf, 1886. Dieses Buch des Bruders von Leopold vou Ranke hat es wohl verdient, zum Die unzähligen Verehrer Leopolds von Ranke werden vieles in dem Buche Literatur. kannt, sie kommt auch hier wieder zum Ausdruck. Dem geeinten Italien steht er Der ehemalige Herzog von Lucca und Parma Karl Ludwig Von Bourvon, Jugenderinnerungen mit Blicken auf das spätere Leben. Von Friedrich Heinrich Ranke. Oberkonsistorialrat in München. Zweite Auslage. Stuttgart, I. F. Steintopf, 1886. Dieses Buch des Bruders von Leopold vou Ranke hat es wohl verdient, zum Die unzähligen Verehrer Leopolds von Ranke werden vieles in dem Buche <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0294" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/199014"/> <fw type="header" place="top"> Literatur.</fw><lb/> <p xml:id="ID_820" prev="#ID_819"> kannt, sie kommt auch hier wieder zum Ausdruck. Dem geeinten Italien steht er<lb/> kühl gegenüber, man beachte z. B. die Erzählung von dein Denkmal, welches Gio¬<lb/> vanni Dnpre, ein Freund der alten Zustände und somit Reumont sympathisch, für<lb/> Cavour schuf. Tiefes Bedauern über den Zusammensturz der weltlichen Herrschaft<lb/> des Papsttumes spricht sich namentlich in der biographischen Skizze Don Michelangelo<lb/> Caetauis aus: ihm kann er es nicht verzeihen, daß er 1870 Viktor Emanuel, „dem<lb/> Könige von Sardinien," das Ergebnis der römischen Abstimmung überbracht hat,<lb/> ein Vorgang, welchen Reumont als ,,kläglichen Fall" bezeichnet. An dem Tage,<lb/> an welchem die Italiener durch die Porta Pia in die heilige Stadt einzogen, ist<lb/> „das Rom des Dichters — heißt es in dem Aufsätze über Pietro Ercole Vtsconti,<lb/> den letzten Kommissar der römischen Altertümer —, des Künstlers, das Rom des<lb/> Friedesnchcnden und Weltmüden, des Denkers und des Dulders, das Asyl, wo alle<lb/> eine Stätte und eine Heimat fanden, zerstört worden."</p><lb/> <p xml:id="ID_821"> Der ehemalige Herzog von Lucca und Parma Karl Ludwig Von Bourvon,<lb/> eröffnet die Reihe der Porträts. Von der Teilnahme Ricasvlis an den toskanischen<lb/> Angelegenheiten berichtet Reumont nicht ohne einen Anflug von Mißmut. Den<lb/> Italienern sind mit gutem Rechte zwei Ausländer beigesellt, Nawdou Brown, be¬<lb/> kannt durch seine Studien auf dem Gebiete der Venetianischen Geschichte, und, ob-<lb/> schon dieser Generation vor 185!) etwas ferner stehend, unser Lnndsmann Karl<lb/> Hillcbrand.</p><lb/> </div> <div n="2"> <head> Jugenderinnerungen mit Blicken auf das spätere Leben. Von Friedrich Heinrich<lb/> Ranke. Oberkonsistorialrat in München. Zweite Auslage. Stuttgart, I. F. Steintopf, 1886.</head><lb/> <p xml:id="ID_822"> Dieses Buch des Bruders von Leopold vou Ranke hat es wohl verdient, zum<lb/> zweitenmale aufgelegt zu werden. „Ich kenne kaum ein Buch, schrieb darüber der<lb/> berühmte Geschichtschreiber im Dezember 1876, in welchem sich die Persönlichkeit<lb/> des Verfassers so vollkommen darstellte, wie es in diesen Erinnerungen geschieht.<lb/> Mein Bruder wird nicht allein im Jenseits, wie sich versteht, sondern auch im<lb/> Diesseits unvergänglich fortleben. Die gegenwärtige Generation und die künftige<lb/> werden sich an seinen Erinnerungen freuen. Einige Stellen sind unübertrefflich<lb/> gelungen, z. B. die Christmette in Wiese, die Aufnahme und das Leben in Schul-<lb/> pfortn, die Gefahr des Ertrinkens in der Saale, vor allem die erste Begegnung<lb/> mit Baier."</p><lb/> <p xml:id="ID_823" next="#ID_824"> Die unzähligen Verehrer Leopolds von Ranke werden vieles in dem Buche<lb/> finden, was sie interessiren wird. „Leopold war längst schon zum vollen Bewußt¬<lb/> sein erwacht und erregte bei dem Vater die größten Hoffnungen, als ich uoch im<lb/> Traume der Kindheit befangen war. Seine Fortschritte müssen ganz ungewöhnlich<lb/> groß gewesen sein, was ich immer rühmen hörte, auch selbst gern anerkannte, jedoch<lb/> ohne ihm ebenso rasch folgen zu können. Erinnere ich mich recht, so gehörte er<lb/> zu den seltenen Knaben, bei denen es früh zu einer bestimmten Erkenntnis des<lb/> Rechten und Guten und zu dem bestimmten Vorsatze kommt, davon nicht abzu¬<lb/> weichen. So wurde er schon in frühester Jugend die Freude und die Hoffnung<lb/> der Eltern, besonders des Vater, mit dem er die Gabe der Rede und den uner-<lb/> miideten Fleiß gemein hatte. Er liebte das Freie nicht weniger als ich; ich er¬<lb/> innere mich gemeinsamer Gänge, besonders in unser schönes Besitztum, das wir<lb/> den Berg nannten, auch gemeinsamer Spiele im Hofe mit ihm. Aber ich denke,<lb/> es wird nicht vorgekommen sein, daß er die Bücher verlassen hätte, wie ich es<lb/> liebte, um das Freie zu suchen," Aber nicht bloß Leopolds wegen soll man das<lb/> Buch lesen, sondern anch des Verfassers selbst wegen, in dem ein rechter Mann</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0294]
Literatur.
kannt, sie kommt auch hier wieder zum Ausdruck. Dem geeinten Italien steht er
kühl gegenüber, man beachte z. B. die Erzählung von dein Denkmal, welches Gio¬
vanni Dnpre, ein Freund der alten Zustände und somit Reumont sympathisch, für
Cavour schuf. Tiefes Bedauern über den Zusammensturz der weltlichen Herrschaft
des Papsttumes spricht sich namentlich in der biographischen Skizze Don Michelangelo
Caetauis aus: ihm kann er es nicht verzeihen, daß er 1870 Viktor Emanuel, „dem
Könige von Sardinien," das Ergebnis der römischen Abstimmung überbracht hat,
ein Vorgang, welchen Reumont als ,,kläglichen Fall" bezeichnet. An dem Tage,
an welchem die Italiener durch die Porta Pia in die heilige Stadt einzogen, ist
„das Rom des Dichters — heißt es in dem Aufsätze über Pietro Ercole Vtsconti,
den letzten Kommissar der römischen Altertümer —, des Künstlers, das Rom des
Friedesnchcnden und Weltmüden, des Denkers und des Dulders, das Asyl, wo alle
eine Stätte und eine Heimat fanden, zerstört worden."
Der ehemalige Herzog von Lucca und Parma Karl Ludwig Von Bourvon,
eröffnet die Reihe der Porträts. Von der Teilnahme Ricasvlis an den toskanischen
Angelegenheiten berichtet Reumont nicht ohne einen Anflug von Mißmut. Den
Italienern sind mit gutem Rechte zwei Ausländer beigesellt, Nawdou Brown, be¬
kannt durch seine Studien auf dem Gebiete der Venetianischen Geschichte, und, ob-
schon dieser Generation vor 185!) etwas ferner stehend, unser Lnndsmann Karl
Hillcbrand.
Jugenderinnerungen mit Blicken auf das spätere Leben. Von Friedrich Heinrich
Ranke. Oberkonsistorialrat in München. Zweite Auslage. Stuttgart, I. F. Steintopf, 1886.
Dieses Buch des Bruders von Leopold vou Ranke hat es wohl verdient, zum
zweitenmale aufgelegt zu werden. „Ich kenne kaum ein Buch, schrieb darüber der
berühmte Geschichtschreiber im Dezember 1876, in welchem sich die Persönlichkeit
des Verfassers so vollkommen darstellte, wie es in diesen Erinnerungen geschieht.
Mein Bruder wird nicht allein im Jenseits, wie sich versteht, sondern auch im
Diesseits unvergänglich fortleben. Die gegenwärtige Generation und die künftige
werden sich an seinen Erinnerungen freuen. Einige Stellen sind unübertrefflich
gelungen, z. B. die Christmette in Wiese, die Aufnahme und das Leben in Schul-
pfortn, die Gefahr des Ertrinkens in der Saale, vor allem die erste Begegnung
mit Baier."
Die unzähligen Verehrer Leopolds von Ranke werden vieles in dem Buche
finden, was sie interessiren wird. „Leopold war längst schon zum vollen Bewußt¬
sein erwacht und erregte bei dem Vater die größten Hoffnungen, als ich uoch im
Traume der Kindheit befangen war. Seine Fortschritte müssen ganz ungewöhnlich
groß gewesen sein, was ich immer rühmen hörte, auch selbst gern anerkannte, jedoch
ohne ihm ebenso rasch folgen zu können. Erinnere ich mich recht, so gehörte er
zu den seltenen Knaben, bei denen es früh zu einer bestimmten Erkenntnis des
Rechten und Guten und zu dem bestimmten Vorsatze kommt, davon nicht abzu¬
weichen. So wurde er schon in frühester Jugend die Freude und die Hoffnung
der Eltern, besonders des Vater, mit dem er die Gabe der Rede und den uner-
miideten Fleiß gemein hatte. Er liebte das Freie nicht weniger als ich; ich er¬
innere mich gemeinsamer Gänge, besonders in unser schönes Besitztum, das wir
den Berg nannten, auch gemeinsamer Spiele im Hofe mit ihm. Aber ich denke,
es wird nicht vorgekommen sein, daß er die Bücher verlassen hätte, wie ich es
liebte, um das Freie zu suchen," Aber nicht bloß Leopolds wegen soll man das
Buch lesen, sondern anch des Verfassers selbst wegen, in dem ein rechter Mann
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