Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Reformbestrebungon in der deutschen Studentenschaft.

Vor mit ihren Arbeiten willkommen sein. Das erste Heft der "Römischen Mit¬
teilungen" ist geeignet, diese Hoffnung zu bestätigen.

Die vorstehende Übersicht über die neuen Jnftitutsschriften wird jedem, der
nicht in einer vorgefaßten Meinung befangen ist, zeigen, daß mindestens ebensoviel
gewonnen wie verloren ist. Diese Überzeugung aber ist es, welche uns mit
vollem Vertrauen der Zukunft entgegenblicken läßt. Und wenn von jedem, der
an dem Baue, welchen Winckelmann gegründet hat, mitzuarbeiten und ihn zu
fördern berufen ist, dem Institut guter Wille und pflichtmäßiger Eifer ent¬
gegengebracht wird, so wird auch der deutsche Eichbaum in Athen wie auf dem
Capitol fröhlich weiter grünen und gedeihen.


I. v.


Die Reformbestrebungen
in der deutschen Studentenschaft.

s ist nachgerade zur Regel geworden, daß bei der Beratung des
Etats der Universitäten im preußischen und auch im sächsischen
Landtage eine Reihe von Klagen über die deutschen Studenten,
ihren Mangel an Fleiß und ihre Lebensgewohnheiten laut werden.
Im preußische" Landtage ist es gewöhnlich Windthorst, im säch¬
sischen Herr Fabrikbesitzer Starke (aus Mittweida), der diesen Klagen Ausdruck
giebt. Die allzulanger Ferien, die Faulheit und das Unwesen der Einpaukerci
bei den Juristen, der Frühschoppen und seine verderblichen Folgen, endlich auch
die Mißstände in unsern studentischen Verbindungen komme" immer und immer
wieder zur Sprache, und die Herren Minister müssen immer und immer wieder
versichern, daß die Sache nicht so schlimm sei, und daß man nicht mit rauher
Hand in den Organismus der Universitäten eingreifen dürfe, da man ihnen
durch solchen Eingriff empfindlichen Schaden zufügen könne.

Aber nicht allein in den parlamentarischen Körperschaften erschallt der Ruf
nach Reform der Studentenschaft und ihrer Verbindungen, er wird laut auf
der Bierbank, in Volksversammlungen und vor allem in der Presse. Auffällig
ist dabei, daß dieser Ruf in der Studentenschaft selbst nur schwachen Wiederhall
findet, daß viele Reformbestrebungen elend gescheitert sind und die noch exi-
stirenden Reformverbindungen an Einfluß und Mitgliederzahl fast überall ganz
unbedeutend sind. Diese Erscheinung kann zwei Gründe haben: entweder ist die
Reform unnötig gewesen, oder sie ist nicht recht angefaßt worden. Zu welcher
Meinung wir neigen, wird aus dem folgenden hervorgehen.


Die Reformbestrebungon in der deutschen Studentenschaft.

Vor mit ihren Arbeiten willkommen sein. Das erste Heft der „Römischen Mit¬
teilungen" ist geeignet, diese Hoffnung zu bestätigen.

Die vorstehende Übersicht über die neuen Jnftitutsschriften wird jedem, der
nicht in einer vorgefaßten Meinung befangen ist, zeigen, daß mindestens ebensoviel
gewonnen wie verloren ist. Diese Überzeugung aber ist es, welche uns mit
vollem Vertrauen der Zukunft entgegenblicken läßt. Und wenn von jedem, der
an dem Baue, welchen Winckelmann gegründet hat, mitzuarbeiten und ihn zu
fördern berufen ist, dem Institut guter Wille und pflichtmäßiger Eifer ent¬
gegengebracht wird, so wird auch der deutsche Eichbaum in Athen wie auf dem
Capitol fröhlich weiter grünen und gedeihen.


I. v.


Die Reformbestrebungen
in der deutschen Studentenschaft.

s ist nachgerade zur Regel geworden, daß bei der Beratung des
Etats der Universitäten im preußischen und auch im sächsischen
Landtage eine Reihe von Klagen über die deutschen Studenten,
ihren Mangel an Fleiß und ihre Lebensgewohnheiten laut werden.
Im preußische» Landtage ist es gewöhnlich Windthorst, im säch¬
sischen Herr Fabrikbesitzer Starke (aus Mittweida), der diesen Klagen Ausdruck
giebt. Die allzulanger Ferien, die Faulheit und das Unwesen der Einpaukerci
bei den Juristen, der Frühschoppen und seine verderblichen Folgen, endlich auch
die Mißstände in unsern studentischen Verbindungen komme» immer und immer
wieder zur Sprache, und die Herren Minister müssen immer und immer wieder
versichern, daß die Sache nicht so schlimm sei, und daß man nicht mit rauher
Hand in den Organismus der Universitäten eingreifen dürfe, da man ihnen
durch solchen Eingriff empfindlichen Schaden zufügen könne.

Aber nicht allein in den parlamentarischen Körperschaften erschallt der Ruf
nach Reform der Studentenschaft und ihrer Verbindungen, er wird laut auf
der Bierbank, in Volksversammlungen und vor allem in der Presse. Auffällig
ist dabei, daß dieser Ruf in der Studentenschaft selbst nur schwachen Wiederhall
findet, daß viele Reformbestrebungen elend gescheitert sind und die noch exi-
stirenden Reformverbindungen an Einfluß und Mitgliederzahl fast überall ganz
unbedeutend sind. Diese Erscheinung kann zwei Gründe haben: entweder ist die
Reform unnötig gewesen, oder sie ist nicht recht angefaßt worden. Zu welcher
Meinung wir neigen, wird aus dem folgenden hervorgehen.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0133" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/198853"/>
          <fw type="header" place="top"> Die Reformbestrebungon in der deutschen Studentenschaft.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_362" prev="#ID_361"> Vor mit ihren Arbeiten willkommen sein. Das erste Heft der &#x201E;Römischen Mit¬<lb/>
teilungen" ist geeignet, diese Hoffnung zu bestätigen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_363"> Die vorstehende Übersicht über die neuen Jnftitutsschriften wird jedem, der<lb/>
nicht in einer vorgefaßten Meinung befangen ist, zeigen, daß mindestens ebensoviel<lb/>
gewonnen wie verloren ist. Diese Überzeugung aber ist es, welche uns mit<lb/>
vollem Vertrauen der Zukunft entgegenblicken läßt. Und wenn von jedem, der<lb/>
an dem Baue, welchen Winckelmann gegründet hat, mitzuarbeiten und ihn zu<lb/>
fördern berufen ist, dem Institut guter Wille und pflichtmäßiger Eifer ent¬<lb/>
gegengebracht wird, so wird auch der deutsche Eichbaum in Athen wie auf dem<lb/>
Capitol fröhlich weiter grünen und gedeihen.</p><lb/>
          <note type="byline"> I. v.</note><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Die Reformbestrebungen<lb/>
in der deutschen Studentenschaft.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_364"> s ist nachgerade zur Regel geworden, daß bei der Beratung des<lb/>
Etats der Universitäten im preußischen und auch im sächsischen<lb/>
Landtage eine Reihe von Klagen über die deutschen Studenten,<lb/>
ihren Mangel an Fleiß und ihre Lebensgewohnheiten laut werden.<lb/>
Im preußische» Landtage ist es gewöhnlich Windthorst, im säch¬<lb/>
sischen Herr Fabrikbesitzer Starke (aus Mittweida), der diesen Klagen Ausdruck<lb/>
giebt. Die allzulanger Ferien, die Faulheit und das Unwesen der Einpaukerci<lb/>
bei den Juristen, der Frühschoppen und seine verderblichen Folgen, endlich auch<lb/>
die Mißstände in unsern studentischen Verbindungen komme» immer und immer<lb/>
wieder zur Sprache, und die Herren Minister müssen immer und immer wieder<lb/>
versichern, daß die Sache nicht so schlimm sei, und daß man nicht mit rauher<lb/>
Hand in den Organismus der Universitäten eingreifen dürfe, da man ihnen<lb/>
durch solchen Eingriff empfindlichen Schaden zufügen könne.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_365"> Aber nicht allein in den parlamentarischen Körperschaften erschallt der Ruf<lb/>
nach Reform der Studentenschaft und ihrer Verbindungen, er wird laut auf<lb/>
der Bierbank, in Volksversammlungen und vor allem in der Presse. Auffällig<lb/>
ist dabei, daß dieser Ruf in der Studentenschaft selbst nur schwachen Wiederhall<lb/>
findet, daß viele Reformbestrebungen elend gescheitert sind und die noch exi-<lb/>
stirenden Reformverbindungen an Einfluß und Mitgliederzahl fast überall ganz<lb/>
unbedeutend sind. Diese Erscheinung kann zwei Gründe haben: entweder ist die<lb/>
Reform unnötig gewesen, oder sie ist nicht recht angefaßt worden. Zu welcher<lb/>
Meinung wir neigen, wird aus dem folgenden hervorgehen.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0133] Die Reformbestrebungon in der deutschen Studentenschaft. Vor mit ihren Arbeiten willkommen sein. Das erste Heft der „Römischen Mit¬ teilungen" ist geeignet, diese Hoffnung zu bestätigen. Die vorstehende Übersicht über die neuen Jnftitutsschriften wird jedem, der nicht in einer vorgefaßten Meinung befangen ist, zeigen, daß mindestens ebensoviel gewonnen wie verloren ist. Diese Überzeugung aber ist es, welche uns mit vollem Vertrauen der Zukunft entgegenblicken läßt. Und wenn von jedem, der an dem Baue, welchen Winckelmann gegründet hat, mitzuarbeiten und ihn zu fördern berufen ist, dem Institut guter Wille und pflichtmäßiger Eifer ent¬ gegengebracht wird, so wird auch der deutsche Eichbaum in Athen wie auf dem Capitol fröhlich weiter grünen und gedeihen. I. v. Die Reformbestrebungen in der deutschen Studentenschaft. s ist nachgerade zur Regel geworden, daß bei der Beratung des Etats der Universitäten im preußischen und auch im sächsischen Landtage eine Reihe von Klagen über die deutschen Studenten, ihren Mangel an Fleiß und ihre Lebensgewohnheiten laut werden. Im preußische» Landtage ist es gewöhnlich Windthorst, im säch¬ sischen Herr Fabrikbesitzer Starke (aus Mittweida), der diesen Klagen Ausdruck giebt. Die allzulanger Ferien, die Faulheit und das Unwesen der Einpaukerci bei den Juristen, der Frühschoppen und seine verderblichen Folgen, endlich auch die Mißstände in unsern studentischen Verbindungen komme» immer und immer wieder zur Sprache, und die Herren Minister müssen immer und immer wieder versichern, daß die Sache nicht so schlimm sei, und daß man nicht mit rauher Hand in den Organismus der Universitäten eingreifen dürfe, da man ihnen durch solchen Eingriff empfindlichen Schaden zufügen könne. Aber nicht allein in den parlamentarischen Körperschaften erschallt der Ruf nach Reform der Studentenschaft und ihrer Verbindungen, er wird laut auf der Bierbank, in Volksversammlungen und vor allem in der Presse. Auffällig ist dabei, daß dieser Ruf in der Studentenschaft selbst nur schwachen Wiederhall findet, daß viele Reformbestrebungen elend gescheitert sind und die noch exi- stirenden Reformverbindungen an Einfluß und Mitgliederzahl fast überall ganz unbedeutend sind. Diese Erscheinung kann zwei Gründe haben: entweder ist die Reform unnötig gewesen, oder sie ist nicht recht angefaßt worden. Zu welcher Meinung wir neigen, wird aus dem folgenden hervorgehen.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/133
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198719/133>, abgerufen am 22.07.2024.