Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite


Der Friede mit Rom.

urch die beglaubigte Mitteilung, daß die römische Kurie die
ständige Anzeigepflicht gewährt und die preußischen Bischöfe dem¬
gemäß angewiesen hat, die Pfarrer für die frei werdenden Stellen
der Regierung zu benennen, darf man die neueste Phase der
Kirchenpolitik als abgeschlossen betrachten.
Eben weil ein solcher Ruhepunkt eingetreten ist, wird eine Äußerung in
diesen Blättern nicht ungerechtfertigt sein. Solange die Materie in den Händen
der Parteien und Diplomaten war und nicht bloß jeder Tag, sondern auch fast
jede Stunde ein andres Antlitz zeigte, bestand für eine Wochenschrift, welche sich
über die Ereignisse stellen will, kein Anlaß, den Chor der Preßstimmen dnrch
eine ephemere Äußerung zu vermehren. Wohl aber hat sie die Pflicht, nachdem
jetzt die Akten -- wenigstens für eine Zeit lang -- geschloffen sind, von einem
allgemeiner!: Standpunkte das wichtige Ergebnis der letzten preußischen Kirchen-
Politik zu betrachten.

Allzusehr freilich wird es nicht möglich sein, in die Tiefe der Dinge hinab¬
zusteigen; denn es handelt sich auf diesem Gebiete um Streitfragen, welche die
Menschheit so lange bewegt haben, als es eine weltliche Macht und ein Priestertum
gab. Ja selbst wenn man ans diesem großen Zeitraume die im Vergleich zu
ihm kleine Episode der deutschen Geschichte herausgreift, so haben sich die
Schwerter -- das geistliche und weltliche --, denen nach dem Sachsenspiegel die
Beschirmung der Christenheit anvertraut ist, oft genug gekreuzt, bis sie wieder
friedlich nebeneinander wirkten, um nach kurzer Zeit aufs neue einander zu be¬
kämpfen. Wer sich diese Erscheinungen gegenwärtig hält, der darf sich über die
neueste Entwicklung, welche der sogenannte Kulturkampf genommen hat, nicht
wundern. Beide Teile haben nach langer Vefehdung das Bedürfnis des Friedens


Grenzboten II. 1886. 69


Der Friede mit Rom.

urch die beglaubigte Mitteilung, daß die römische Kurie die
ständige Anzeigepflicht gewährt und die preußischen Bischöfe dem¬
gemäß angewiesen hat, die Pfarrer für die frei werdenden Stellen
der Regierung zu benennen, darf man die neueste Phase der
Kirchenpolitik als abgeschlossen betrachten.
Eben weil ein solcher Ruhepunkt eingetreten ist, wird eine Äußerung in
diesen Blättern nicht ungerechtfertigt sein. Solange die Materie in den Händen
der Parteien und Diplomaten war und nicht bloß jeder Tag, sondern auch fast
jede Stunde ein andres Antlitz zeigte, bestand für eine Wochenschrift, welche sich
über die Ereignisse stellen will, kein Anlaß, den Chor der Preßstimmen dnrch
eine ephemere Äußerung zu vermehren. Wohl aber hat sie die Pflicht, nachdem
jetzt die Akten — wenigstens für eine Zeit lang — geschloffen sind, von einem
allgemeiner!: Standpunkte das wichtige Ergebnis der letzten preußischen Kirchen-
Politik zu betrachten.

Allzusehr freilich wird es nicht möglich sein, in die Tiefe der Dinge hinab¬
zusteigen; denn es handelt sich auf diesem Gebiete um Streitfragen, welche die
Menschheit so lange bewegt haben, als es eine weltliche Macht und ein Priestertum
gab. Ja selbst wenn man ans diesem großen Zeitraume die im Vergleich zu
ihm kleine Episode der deutschen Geschichte herausgreift, so haben sich die
Schwerter — das geistliche und weltliche —, denen nach dem Sachsenspiegel die
Beschirmung der Christenheit anvertraut ist, oft genug gekreuzt, bis sie wieder
friedlich nebeneinander wirkten, um nach kurzer Zeit aufs neue einander zu be¬
kämpfen. Wer sich diese Erscheinungen gegenwärtig hält, der darf sich über die
neueste Entwicklung, welche der sogenannte Kulturkampf genommen hat, nicht
wundern. Beide Teile haben nach langer Vefehdung das Bedürfnis des Friedens


Grenzboten II. 1886. 69
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0553" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/198619"/>
          <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341843_198065/figures/grenzboten_341843_198065_198619_000.jpg"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Der Friede mit Rom.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_1584"> urch die beglaubigte Mitteilung, daß die römische Kurie die<lb/>
ständige Anzeigepflicht gewährt und die preußischen Bischöfe dem¬<lb/>
gemäß angewiesen hat, die Pfarrer für die frei werdenden Stellen<lb/>
der Regierung zu benennen, darf man die neueste Phase der<lb/>
Kirchenpolitik als abgeschlossen betrachten.<lb/>
Eben weil ein solcher Ruhepunkt eingetreten ist, wird eine Äußerung in<lb/>
diesen Blättern nicht ungerechtfertigt sein. Solange die Materie in den Händen<lb/>
der Parteien und Diplomaten war und nicht bloß jeder Tag, sondern auch fast<lb/>
jede Stunde ein andres Antlitz zeigte, bestand für eine Wochenschrift, welche sich<lb/>
über die Ereignisse stellen will, kein Anlaß, den Chor der Preßstimmen dnrch<lb/>
eine ephemere Äußerung zu vermehren. Wohl aber hat sie die Pflicht, nachdem<lb/>
jetzt die Akten &#x2014; wenigstens für eine Zeit lang &#x2014; geschloffen sind, von einem<lb/>
allgemeiner!: Standpunkte das wichtige Ergebnis der letzten preußischen Kirchen-<lb/>
Politik zu betrachten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1585" next="#ID_1586"> Allzusehr freilich wird es nicht möglich sein, in die Tiefe der Dinge hinab¬<lb/>
zusteigen; denn es handelt sich auf diesem Gebiete um Streitfragen, welche die<lb/>
Menschheit so lange bewegt haben, als es eine weltliche Macht und ein Priestertum<lb/>
gab. Ja selbst wenn man ans diesem großen Zeitraume die im Vergleich zu<lb/>
ihm kleine Episode der deutschen Geschichte herausgreift, so haben sich die<lb/>
Schwerter &#x2014; das geistliche und weltliche &#x2014;, denen nach dem Sachsenspiegel die<lb/>
Beschirmung der Christenheit anvertraut ist, oft genug gekreuzt, bis sie wieder<lb/>
friedlich nebeneinander wirkten, um nach kurzer Zeit aufs neue einander zu be¬<lb/>
kämpfen. Wer sich diese Erscheinungen gegenwärtig hält, der darf sich über die<lb/>
neueste Entwicklung, welche der sogenannte Kulturkampf genommen hat, nicht<lb/>
wundern. Beide Teile haben nach langer Vefehdung das Bedürfnis des Friedens</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten II. 1886. 69</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0553] [Abbildung] Der Friede mit Rom. urch die beglaubigte Mitteilung, daß die römische Kurie die ständige Anzeigepflicht gewährt und die preußischen Bischöfe dem¬ gemäß angewiesen hat, die Pfarrer für die frei werdenden Stellen der Regierung zu benennen, darf man die neueste Phase der Kirchenpolitik als abgeschlossen betrachten. Eben weil ein solcher Ruhepunkt eingetreten ist, wird eine Äußerung in diesen Blättern nicht ungerechtfertigt sein. Solange die Materie in den Händen der Parteien und Diplomaten war und nicht bloß jeder Tag, sondern auch fast jede Stunde ein andres Antlitz zeigte, bestand für eine Wochenschrift, welche sich über die Ereignisse stellen will, kein Anlaß, den Chor der Preßstimmen dnrch eine ephemere Äußerung zu vermehren. Wohl aber hat sie die Pflicht, nachdem jetzt die Akten — wenigstens für eine Zeit lang — geschloffen sind, von einem allgemeiner!: Standpunkte das wichtige Ergebnis der letzten preußischen Kirchen- Politik zu betrachten. Allzusehr freilich wird es nicht möglich sein, in die Tiefe der Dinge hinab¬ zusteigen; denn es handelt sich auf diesem Gebiete um Streitfragen, welche die Menschheit so lange bewegt haben, als es eine weltliche Macht und ein Priestertum gab. Ja selbst wenn man ans diesem großen Zeitraume die im Vergleich zu ihm kleine Episode der deutschen Geschichte herausgreift, so haben sich die Schwerter — das geistliche und weltliche —, denen nach dem Sachsenspiegel die Beschirmung der Christenheit anvertraut ist, oft genug gekreuzt, bis sie wieder friedlich nebeneinander wirkten, um nach kurzer Zeit aufs neue einander zu be¬ kämpfen. Wer sich diese Erscheinungen gegenwärtig hält, der darf sich über die neueste Entwicklung, welche der sogenannte Kulturkampf genommen hat, nicht wundern. Beide Teile haben nach langer Vefehdung das Bedürfnis des Friedens Grenzboten II. 1886. 69

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/553
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/553>, abgerufen am 27.06.2024.