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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

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Lamoens.

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geschriebn" und ihm mitgeteilt habe, daß die drei bezichtigten Diener von ihm
schon zwei Tage vor Empfang der königlichen Botschaft in geheimer Sendung
nach Afrika hinübergeschickt worden seien. Vimivso schwur, daß er einem von den
Schurken, und zwar dem, welchen er für den eigentlichen Henker halte und in
welchem auch Absalon, der Mohr der Herzogin von Braganza, denjenigen erkenne,
welcher ihm Gift für Esmah übergeben habe, noch Tags zuvor in Pera Verba
begegnet sei. Der König war höchlich verlegen und ward, wie immer, wenn er
verlegen ist, barsch und rauh. Er brach mit der Bemerkung, daß kriegerische
Übungen seine Gegenwart erforderten, die Audienz kurz ab. Ich schied von
ihm mit tausend stummen Flüchen wider den Feldzug in Afrika; ein lautes
Wort, daß ich ein Bündnis für unheilvoll halten müsse, welches den König
hindre, Gerechtigkeit zu üben, habe ich mir nicht versagt.

Die kriegerischen Übungen habe ich vom Wall Elters Schlosses gesehen,
sagte Camoens. Wenigstens das war kein Vorwand! Die Schlachtrufe und
das Waffengerassel schreckten mich vou meiner Arbeit empor, und ich mußte
schauen, was nicht darnach angethan war, eines alten Kriegers Herz zu erheben.

Eure Arbeit, Luis? fragte Varreto ablenkend. Seid Ihr dahin gediehen,
das Werk für druckreif zu erklären, und habt Ihr die langegesuchte Widmung
an deu König gefunden?

Ihr werdet keine Freude an dem erleben, was ich gefunden habe, versetzte
der Dichter zögernd. Versucht habe ich, dein König zu sagen, was mich jetzt
das Unvermeidliche dünkt. Auch die Stille hier hat mich nicht anders denken
gelehrt, als ich Euch in Cintra sagte.

Er verstummte plötzlich und deutete auf die Blätter, die auf der Hand¬
schrift seines Gedichts obenauf lagen. Barretv, dessen Gesicht wachsende Unruhe
verriet, griff gleichfalls nur zögernd darnach und ließ seine Augen über die
Verse hingleiten. Er las einmal und wieder, und seine Lippen sprachen ein¬
tönig die Worte nach, welche er vor sich sah:

Du aber -- edler Schild und feste Wehre
Des alten Ruhmes deiner Portugiesen,
Du neues Schrecknis wilder Mohrenspccre,
Wohlthätig Wunder, unsrem Zeit erwiesen,
Durch Gott den Geber aller Welt gegeben,
Daß alle Welt nur Gott dem Herrn mag leben.
Du großer König in den weiten Reichen,
Wo stets zuerst der neue Morgen grauet,
Der Sonne Strahlen senkrecht niedersteigen
lind wo zuletzt sie Menscheunuge schauet:
Der Mohren böses Volk, es wird erbleichen
Vor deinen, Schwert, dem unser Herz vertrauet,
Besiegt von dir soll Masons Herde sinken,
Und nicht mehr aus dem heil'gen Strome trinken.

Lamoens.

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geschriebn» und ihm mitgeteilt habe, daß die drei bezichtigten Diener von ihm
schon zwei Tage vor Empfang der königlichen Botschaft in geheimer Sendung
nach Afrika hinübergeschickt worden seien. Vimivso schwur, daß er einem von den
Schurken, und zwar dem, welchen er für den eigentlichen Henker halte und in
welchem auch Absalon, der Mohr der Herzogin von Braganza, denjenigen erkenne,
welcher ihm Gift für Esmah übergeben habe, noch Tags zuvor in Pera Verba
begegnet sei. Der König war höchlich verlegen und ward, wie immer, wenn er
verlegen ist, barsch und rauh. Er brach mit der Bemerkung, daß kriegerische
Übungen seine Gegenwart erforderten, die Audienz kurz ab. Ich schied von
ihm mit tausend stummen Flüchen wider den Feldzug in Afrika; ein lautes
Wort, daß ich ein Bündnis für unheilvoll halten müsse, welches den König
hindre, Gerechtigkeit zu üben, habe ich mir nicht versagt.

Die kriegerischen Übungen habe ich vom Wall Elters Schlosses gesehen,
sagte Camoens. Wenigstens das war kein Vorwand! Die Schlachtrufe und
das Waffengerassel schreckten mich vou meiner Arbeit empor, und ich mußte
schauen, was nicht darnach angethan war, eines alten Kriegers Herz zu erheben.

Eure Arbeit, Luis? fragte Varreto ablenkend. Seid Ihr dahin gediehen,
das Werk für druckreif zu erklären, und habt Ihr die langegesuchte Widmung
an deu König gefunden?

Ihr werdet keine Freude an dem erleben, was ich gefunden habe, versetzte
der Dichter zögernd. Versucht habe ich, dein König zu sagen, was mich jetzt
das Unvermeidliche dünkt. Auch die Stille hier hat mich nicht anders denken
gelehrt, als ich Euch in Cintra sagte.

Er verstummte plötzlich und deutete auf die Blätter, die auf der Hand¬
schrift seines Gedichts obenauf lagen. Barretv, dessen Gesicht wachsende Unruhe
verriet, griff gleichfalls nur zögernd darnach und ließ seine Augen über die
Verse hingleiten. Er las einmal und wieder, und seine Lippen sprachen ein¬
tönig die Worte nach, welche er vor sich sah:

Du aber — edler Schild und feste Wehre
Des alten Ruhmes deiner Portugiesen,
Du neues Schrecknis wilder Mohrenspccre,
Wohlthätig Wunder, unsrem Zeit erwiesen,
Durch Gott den Geber aller Welt gegeben,
Daß alle Welt nur Gott dem Herrn mag leben.
Du großer König in den weiten Reichen,
Wo stets zuerst der neue Morgen grauet,
Der Sonne Strahlen senkrecht niedersteigen
lind wo zuletzt sie Menscheunuge schauet:
Der Mohren böses Volk, es wird erbleichen
Vor deinen, Schwert, dem unser Herz vertrauet,
Besiegt von dir soll Masons Herde sinken,
Und nicht mehr aus dem heil'gen Strome trinken.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/549>, abgerufen am 27.12.2024.