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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

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seiner Art, Eine buntfarbige Abbildung ist auf einer Doppeltafel dem vor¬
liegenden Werke beigegeben.

Der Mitte des vierzehnten Jahrhunderts gehört die Marienkirche an, die
schönste unter den drei Franziskanerkirchen des Ordenslandes, von denen die
Kulmer die älteste, die Danziger die jüngste ist. Die Thvrner ist eine drei-
schiffige, schlanke Hallenkirche mit einschiffigen, flnchgcschlosseuein Chor und mit
kühnen Wölbungen. Der mit wahrhaftem Raffinement ausgestattete Wcstgicbcl
ist der Stolz der Thorner; aber technisch wie künstlerisch steht die Kirche weit
hinter den ältern Vautcn der Stadt zurück. Von hervorragender Schönheit
ist das spätgvthische Chorgestühl, Hier in der Marienkirche finden sich übrigens
auch wie in der Jakobskirche die herrlichsten Renaissance-Holzschnitzereien, deren
Veröffentlichung dringend zu wünschen ist.

Was endlich die mittelalterlichen Privathäuser betrifft, so schwinden ihrer
jetzt viele dahin, und ihre Zahl wird immer geringer. Wenn sich diese Ent¬
wicklung einmal nicht aufhalten läßt, so sollte mau wenigstens darauf halten,
daß kein älterer Bau niedergerissen würde, der nicht zuvor genau gezeichnet und
photographirt worden wäre. Gerade in Thorn, wo der Privatbau im all¬
gemeinen dem hanseatischen Vorbilde folgt, zeigt sich eine Frische der Erfindung
und eine Mannichfaltigkeit, die höchst beachtenswert erscheint.

Dies dürften im wesentlichen die Ergebnisse der Steinbrechtschen Unter¬
suchung sein. Dieselben haben ans die weitgehendste Beachtung Anspruch, und
man kann nur wünschen, daß der Verfasser recht bald die in Aussicht gestellte
Fortsetzung seiner trefflichen Arbeit bringen möge. Wir sind zugleich der
Meinung, daß sein Werk endgiltig mit der Meinung in Deutschland aufräumen
werde, als biete der deutsche Osten keine hervorragenden Bau- und Kunstdenk-
mäler, und daß es ferner mehr noch, als bisher, die allgemeine Aufmerksamkeit
auf die schönste und erhabenste Schöpfung der ostdeutschen Baukunst, die Marien-
burg, die eben jetzt vou Steinbrecht in ihrem alten Glänze wiederhergestellt
H. L. wird, hinlenken werde.




Frieden am Horizonte.

eschichtliche Erinnerungen spielen in der Politik zwar nicht die
Hauptrolle, haben aber immerhin von Zeit zu Zeit mehr Einfluß,
als mancher glaubt. Als Thiers Ranke fragte, gegen wen die
Deutschen nach Napoleons Gefangennahme bei sedem noch Krieg
führten, erhielt er von dem deutsche,? Geschichtschreiber die Aut¬
wort: Gegen Ludwig den Vierzehnten. In Frankreich regt die Ausweisung
der Prinzen die Gemüter auf, weil sich an die Herkunft der Familien Bourbon


Frieden ein Horizonte,

seiner Art, Eine buntfarbige Abbildung ist auf einer Doppeltafel dem vor¬
liegenden Werke beigegeben.

Der Mitte des vierzehnten Jahrhunderts gehört die Marienkirche an, die
schönste unter den drei Franziskanerkirchen des Ordenslandes, von denen die
Kulmer die älteste, die Danziger die jüngste ist. Die Thvrner ist eine drei-
schiffige, schlanke Hallenkirche mit einschiffigen, flnchgcschlosseuein Chor und mit
kühnen Wölbungen. Der mit wahrhaftem Raffinement ausgestattete Wcstgicbcl
ist der Stolz der Thorner; aber technisch wie künstlerisch steht die Kirche weit
hinter den ältern Vautcn der Stadt zurück. Von hervorragender Schönheit
ist das spätgvthische Chorgestühl, Hier in der Marienkirche finden sich übrigens
auch wie in der Jakobskirche die herrlichsten Renaissance-Holzschnitzereien, deren
Veröffentlichung dringend zu wünschen ist.

Was endlich die mittelalterlichen Privathäuser betrifft, so schwinden ihrer
jetzt viele dahin, und ihre Zahl wird immer geringer. Wenn sich diese Ent¬
wicklung einmal nicht aufhalten läßt, so sollte mau wenigstens darauf halten,
daß kein älterer Bau niedergerissen würde, der nicht zuvor genau gezeichnet und
photographirt worden wäre. Gerade in Thorn, wo der Privatbau im all¬
gemeinen dem hanseatischen Vorbilde folgt, zeigt sich eine Frische der Erfindung
und eine Mannichfaltigkeit, die höchst beachtenswert erscheint.

Dies dürften im wesentlichen die Ergebnisse der Steinbrechtschen Unter¬
suchung sein. Dieselben haben ans die weitgehendste Beachtung Anspruch, und
man kann nur wünschen, daß der Verfasser recht bald die in Aussicht gestellte
Fortsetzung seiner trefflichen Arbeit bringen möge. Wir sind zugleich der
Meinung, daß sein Werk endgiltig mit der Meinung in Deutschland aufräumen
werde, als biete der deutsche Osten keine hervorragenden Bau- und Kunstdenk-
mäler, und daß es ferner mehr noch, als bisher, die allgemeine Aufmerksamkeit
auf die schönste und erhabenste Schöpfung der ostdeutschen Baukunst, die Marien-
burg, die eben jetzt vou Steinbrecht in ihrem alten Glänze wiederhergestellt
H. L. wird, hinlenken werde.




Frieden am Horizonte.

eschichtliche Erinnerungen spielen in der Politik zwar nicht die
Hauptrolle, haben aber immerhin von Zeit zu Zeit mehr Einfluß,
als mancher glaubt. Als Thiers Ranke fragte, gegen wen die
Deutschen nach Napoleons Gefangennahme bei sedem noch Krieg
führten, erhielt er von dem deutsche,? Geschichtschreiber die Aut¬
wort: Gegen Ludwig den Vierzehnten. In Frankreich regt die Ausweisung
der Prinzen die Gemüter auf, weil sich an die Herkunft der Familien Bourbon


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[0538] Frieden ein Horizonte, seiner Art, Eine buntfarbige Abbildung ist auf einer Doppeltafel dem vor¬ liegenden Werke beigegeben. Der Mitte des vierzehnten Jahrhunderts gehört die Marienkirche an, die schönste unter den drei Franziskanerkirchen des Ordenslandes, von denen die Kulmer die älteste, die Danziger die jüngste ist. Die Thvrner ist eine drei- schiffige, schlanke Hallenkirche mit einschiffigen, flnchgcschlosseuein Chor und mit kühnen Wölbungen. Der mit wahrhaftem Raffinement ausgestattete Wcstgicbcl ist der Stolz der Thorner; aber technisch wie künstlerisch steht die Kirche weit hinter den ältern Vautcn der Stadt zurück. Von hervorragender Schönheit ist das spätgvthische Chorgestühl, Hier in der Marienkirche finden sich übrigens auch wie in der Jakobskirche die herrlichsten Renaissance-Holzschnitzereien, deren Veröffentlichung dringend zu wünschen ist. Was endlich die mittelalterlichen Privathäuser betrifft, so schwinden ihrer jetzt viele dahin, und ihre Zahl wird immer geringer. Wenn sich diese Ent¬ wicklung einmal nicht aufhalten läßt, so sollte mau wenigstens darauf halten, daß kein älterer Bau niedergerissen würde, der nicht zuvor genau gezeichnet und photographirt worden wäre. Gerade in Thorn, wo der Privatbau im all¬ gemeinen dem hanseatischen Vorbilde folgt, zeigt sich eine Frische der Erfindung und eine Mannichfaltigkeit, die höchst beachtenswert erscheint. Dies dürften im wesentlichen die Ergebnisse der Steinbrechtschen Unter¬ suchung sein. Dieselben haben ans die weitgehendste Beachtung Anspruch, und man kann nur wünschen, daß der Verfasser recht bald die in Aussicht gestellte Fortsetzung seiner trefflichen Arbeit bringen möge. Wir sind zugleich der Meinung, daß sein Werk endgiltig mit der Meinung in Deutschland aufräumen werde, als biete der deutsche Osten keine hervorragenden Bau- und Kunstdenk- mäler, und daß es ferner mehr noch, als bisher, die allgemeine Aufmerksamkeit auf die schönste und erhabenste Schöpfung der ostdeutschen Baukunst, die Marien- burg, die eben jetzt vou Steinbrecht in ihrem alten Glänze wiederhergestellt H. L. wird, hinlenken werde. Frieden am Horizonte. eschichtliche Erinnerungen spielen in der Politik zwar nicht die Hauptrolle, haben aber immerhin von Zeit zu Zeit mehr Einfluß, als mancher glaubt. Als Thiers Ranke fragte, gegen wen die Deutschen nach Napoleons Gefangennahme bei sedem noch Krieg führten, erhielt er von dem deutsche,? Geschichtschreiber die Aut¬ wort: Gegen Ludwig den Vierzehnten. In Frankreich regt die Ausweisung der Prinzen die Gemüter auf, weil sich an die Herkunft der Familien Bourbon

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/538>, abgerufen am 27.06.2024.