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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

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Rußlands Finanzen und die Entwertung seiner Valuta.

bietet den Anhaltspunkt für die nachstehende Untersuchung, in welcher zunächst
die Gründe der Valntcudepression, sodann deren Einwirkung auf den Kredit
und Handel Rußlands und schließlich die Mittel zur Erreichung des Parikurses
erörtert werden sollen.

1.

Die Jahre 1824 -- 28 waren die einzigen, in denen eine Verminderung
der Staatsschuld von etwa 10 Mill. Rubel eintrat; von 1829 an, wo der
Bestand auf 373,6 Mill. Silberrubel angegeben wurde, wuchs die Schuldenlast
in raschem Fortschritte und hatte nach zehn Jahren bereits die Höhe von 530,8 Mill.
Silberrubeln erreicht. Mit dem Jahre 1839 begann eine neue Epoche im
russischen Finanzwesen, indem der Silberrubel wieder als einzige Münzeinheit
anerkannt und das Agio auf Papier verboten wurde. Bis dahin hatte die
Regierung, um die Nachfrage nach Papiergeld zu unterstützen, den Assignaten,
welche im Betrage von ungefähr 170 Mill. den Tcmschverkchr vermittelten, bei
Zahlungen an die Kronkassen besondre Vorzüge vor der klingenden Münze zu¬
gestanden. Nach dem inzwischen dnrch den Grafen Kankrin aufgestellten neuen
Geldsysteme wurde aber der Silberrubel zum einzigen gesetzlichen Zahlungsmittel
erhoben, den Assignaten dagegen die Rolle eines reinen Geldsurrvgats zugewiesen.

Um um dein Bedürfnis nach papiernen Wertzeichen in umfassenderer
Weise entsprechen zu können, errichtete man gleichzeitig die sogenannte "Depo¬
sitenkasse," welche gegen Münze und Barren Depvsitenbillets ausgab, die jeder¬
zeit wieder gegen klingende Münze ausgetauscht werden konnten. Es waren
dies reine Bankschcine, da jedes Billet, Rubel für Rubel, fuudirt war. Dadurch
hörte das Agio thatsächlich auf, und dieser Zustand würde sich erhalten haben,
wenn sich die Regierung, gedrängt durch ein augenblickliches Geldbedürfnis, nicht
bereits nach drei Jahren zur Ausgabe eines nnfuudirteu Papiergeldes veranlaßt
gesehen hätte. Es sind dies die "Kreditbillets," welche seitdem eine so große
und verderbliche Rolle im russischen Finanzwesen gespielt haben. Der Keim
zu einer abnormen Entwicklung lag von vornherein in der Doppelnatur des
neuen Papiergeldes. Während die eigentliche Banknote ein unverzinstes Papier
ohne Zwangskurs, die Assignate ein unverzinstes einlösbares Papier mit Zwangs¬
kurs darstellt, erscheint das Kreditbillet gleich anfangs als Gemisch beider Arten.
Von jener hat es die Fnndirung auf den Kredit von Privatinstituten -- denn
das siud doch dem Wesen nach die Neichslrcditbanken --, von dieser die gesetz¬
liche Geltung. Durch die gleichzeitige Eigenschaft der Einlösbarkeit und des
Zwangskurses mußte daher das neue Geldsurrogat ans der ursprünglich beab¬
sichtigten Form eines "uneigentlichen" Papiergeldes notwendigerweise mit dem
Tage in die Kategorie des "eigentlichen" Papiergeldes übertreten, wo das
Papiergeldbcdürfnis des Verkehrs überschritten war und die Einlösbarkeit auf¬
hörte. Dieser Zeitpunkt trat erst vierzehn Jahre später (1856) ein. Die Thätig¬
keit des Finanzministeriums wurde für die nächste Zeit fast ausschließlich durch


Rußlands Finanzen und die Entwertung seiner Valuta.

bietet den Anhaltspunkt für die nachstehende Untersuchung, in welcher zunächst
die Gründe der Valntcudepression, sodann deren Einwirkung auf den Kredit
und Handel Rußlands und schließlich die Mittel zur Erreichung des Parikurses
erörtert werden sollen.

1.

Die Jahre 1824 — 28 waren die einzigen, in denen eine Verminderung
der Staatsschuld von etwa 10 Mill. Rubel eintrat; von 1829 an, wo der
Bestand auf 373,6 Mill. Silberrubel angegeben wurde, wuchs die Schuldenlast
in raschem Fortschritte und hatte nach zehn Jahren bereits die Höhe von 530,8 Mill.
Silberrubeln erreicht. Mit dem Jahre 1839 begann eine neue Epoche im
russischen Finanzwesen, indem der Silberrubel wieder als einzige Münzeinheit
anerkannt und das Agio auf Papier verboten wurde. Bis dahin hatte die
Regierung, um die Nachfrage nach Papiergeld zu unterstützen, den Assignaten,
welche im Betrage von ungefähr 170 Mill. den Tcmschverkchr vermittelten, bei
Zahlungen an die Kronkassen besondre Vorzüge vor der klingenden Münze zu¬
gestanden. Nach dem inzwischen dnrch den Grafen Kankrin aufgestellten neuen
Geldsysteme wurde aber der Silberrubel zum einzigen gesetzlichen Zahlungsmittel
erhoben, den Assignaten dagegen die Rolle eines reinen Geldsurrvgats zugewiesen.

Um um dein Bedürfnis nach papiernen Wertzeichen in umfassenderer
Weise entsprechen zu können, errichtete man gleichzeitig die sogenannte „Depo¬
sitenkasse," welche gegen Münze und Barren Depvsitenbillets ausgab, die jeder¬
zeit wieder gegen klingende Münze ausgetauscht werden konnten. Es waren
dies reine Bankschcine, da jedes Billet, Rubel für Rubel, fuudirt war. Dadurch
hörte das Agio thatsächlich auf, und dieser Zustand würde sich erhalten haben,
wenn sich die Regierung, gedrängt durch ein augenblickliches Geldbedürfnis, nicht
bereits nach drei Jahren zur Ausgabe eines nnfuudirteu Papiergeldes veranlaßt
gesehen hätte. Es sind dies die „Kreditbillets," welche seitdem eine so große
und verderbliche Rolle im russischen Finanzwesen gespielt haben. Der Keim
zu einer abnormen Entwicklung lag von vornherein in der Doppelnatur des
neuen Papiergeldes. Während die eigentliche Banknote ein unverzinstes Papier
ohne Zwangskurs, die Assignate ein unverzinstes einlösbares Papier mit Zwangs¬
kurs darstellt, erscheint das Kreditbillet gleich anfangs als Gemisch beider Arten.
Von jener hat es die Fnndirung auf den Kredit von Privatinstituten — denn
das siud doch dem Wesen nach die Neichslrcditbanken —, von dieser die gesetz¬
liche Geltung. Durch die gleichzeitige Eigenschaft der Einlösbarkeit und des
Zwangskurses mußte daher das neue Geldsurrogat ans der ursprünglich beab¬
sichtigten Form eines „uneigentlichen" Papiergeldes notwendigerweise mit dem
Tage in die Kategorie des „eigentlichen" Papiergeldes übertreten, wo das
Papiergeldbcdürfnis des Verkehrs überschritten war und die Einlösbarkeit auf¬
hörte. Dieser Zeitpunkt trat erst vierzehn Jahre später (1856) ein. Die Thätig¬
keit des Finanzministeriums wurde für die nächste Zeit fast ausschließlich durch


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/507>, abgerufen am 27.12.2024.