Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Der Uanipf der deutschen Nationalität mit fremden Kulturen.

wirtschaftlich gesünderen Verhältnissen eine neue Existenz zu gründen. Die Be¬
fürchtung der polnischen Kreise dagegen, daß auch wirtschaftlich gut situirte
polnische Grundbesitzer von der preußischen Staatsregierung durch hohe An¬
gebote zum Verkauf verleitet werden würden, ist völlig unbegründet, da die
Staatsregierung wohl zu klug sein dürfte, nnter der gegenwärtigen landwirt¬
schaftlichen Misere durch hohe Kaufpreise polnischen Grundbesitzern die Mittel
in die Hand zu geben, schlecht situirte deutsche Besitzer billig auszulaufen. Jede
nervöse Uberhastung in dieser Beziehung, welche die Vernachlässigung vou Jahr¬
zehnten unter dem Drucke der öffentlichen Meinung in ungestümem politischem
Ehrgeiz einholen wollte, würde zu einem vollständigen Mißerfolge der ganzen
Maßregel führen. Ehrliche Benutzung des einzelnen günstigen Falles auf Grund
genauer Ortskenntnisse und nicht programmmäßige büreaukratische Arbeit kann
allein Erfolge erzielen, welche sich sittlich, wirtschaftlich und politisch vor dem
Lande rechtfertigen lassen.




Der Kampf der deutschen Nationalität
mit fremden Kulturen.
v Franz Pfalz. on (Schluß.)

in fünfzehnten Jahrhundert riefen die abendländischen Gelehrten
gegen die erstarrte lateinische Kultur das unverfälschte Griechen¬
tum zu Hilfe. Es hieße aller feinern Bildung Hohn sprechen,
wenn man das Verdienst der ältern Humanisten, der italienischen
sowohl als der deutschen, herabsetzen wollte. Den armen, durch
die mumienhafte lateinische Kultur in sich zusammengepreßten Abendländern ging
die Philosophie erst bei dem Studium der griechischen Meisterwerke auf. Die
Deutschen waren in ihrer Verkümmerung ebensowenig wie die Franzosen, Spanier
und Italiener imstande, aus sich heraus zu hohen Idealen eines rein mensch¬
lichen Daseins zu gelangen. Aus Dogmcnstreit, Hierarchie und Lehnswesen,
aus bürgerlicher und bäurischer Knechtschaft, aus Armut und Rohheit mußten
sie durch die hohe Naivität eines naturwüchsigen, mit künstlerischem und philo¬
sophischem Genie ausgestatteten Volkes herausgerissen werden, wenn sie über¬
haupt wieder zu der Anschauung eines menschenwürdigen Daseins gelangen
wollten.


Der Uanipf der deutschen Nationalität mit fremden Kulturen.

wirtschaftlich gesünderen Verhältnissen eine neue Existenz zu gründen. Die Be¬
fürchtung der polnischen Kreise dagegen, daß auch wirtschaftlich gut situirte
polnische Grundbesitzer von der preußischen Staatsregierung durch hohe An¬
gebote zum Verkauf verleitet werden würden, ist völlig unbegründet, da die
Staatsregierung wohl zu klug sein dürfte, nnter der gegenwärtigen landwirt¬
schaftlichen Misere durch hohe Kaufpreise polnischen Grundbesitzern die Mittel
in die Hand zu geben, schlecht situirte deutsche Besitzer billig auszulaufen. Jede
nervöse Uberhastung in dieser Beziehung, welche die Vernachlässigung vou Jahr¬
zehnten unter dem Drucke der öffentlichen Meinung in ungestümem politischem
Ehrgeiz einholen wollte, würde zu einem vollständigen Mißerfolge der ganzen
Maßregel führen. Ehrliche Benutzung des einzelnen günstigen Falles auf Grund
genauer Ortskenntnisse und nicht programmmäßige büreaukratische Arbeit kann
allein Erfolge erzielen, welche sich sittlich, wirtschaftlich und politisch vor dem
Lande rechtfertigen lassen.




Der Kampf der deutschen Nationalität
mit fremden Kulturen.
v Franz Pfalz. on (Schluß.)

in fünfzehnten Jahrhundert riefen die abendländischen Gelehrten
gegen die erstarrte lateinische Kultur das unverfälschte Griechen¬
tum zu Hilfe. Es hieße aller feinern Bildung Hohn sprechen,
wenn man das Verdienst der ältern Humanisten, der italienischen
sowohl als der deutschen, herabsetzen wollte. Den armen, durch
die mumienhafte lateinische Kultur in sich zusammengepreßten Abendländern ging
die Philosophie erst bei dem Studium der griechischen Meisterwerke auf. Die
Deutschen waren in ihrer Verkümmerung ebensowenig wie die Franzosen, Spanier
und Italiener imstande, aus sich heraus zu hohen Idealen eines rein mensch¬
lichen Daseins zu gelangen. Aus Dogmcnstreit, Hierarchie und Lehnswesen,
aus bürgerlicher und bäurischer Knechtschaft, aus Armut und Rohheit mußten
sie durch die hohe Naivität eines naturwüchsigen, mit künstlerischem und philo¬
sophischem Genie ausgestatteten Volkes herausgerissen werden, wenn sie über¬
haupt wieder zu der Anschauung eines menschenwürdigen Daseins gelangen
wollten.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0461" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/198527"/>
          <fw type="header" place="top"> Der Uanipf der deutschen Nationalität mit fremden Kulturen.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1341" prev="#ID_1340"> wirtschaftlich gesünderen Verhältnissen eine neue Existenz zu gründen. Die Be¬<lb/>
fürchtung der polnischen Kreise dagegen, daß auch wirtschaftlich gut situirte<lb/>
polnische Grundbesitzer von der preußischen Staatsregierung durch hohe An¬<lb/>
gebote zum Verkauf verleitet werden würden, ist völlig unbegründet, da die<lb/>
Staatsregierung wohl zu klug sein dürfte, nnter der gegenwärtigen landwirt¬<lb/>
schaftlichen Misere durch hohe Kaufpreise polnischen Grundbesitzern die Mittel<lb/>
in die Hand zu geben, schlecht situirte deutsche Besitzer billig auszulaufen. Jede<lb/>
nervöse Uberhastung in dieser Beziehung, welche die Vernachlässigung vou Jahr¬<lb/>
zehnten unter dem Drucke der öffentlichen Meinung in ungestümem politischem<lb/>
Ehrgeiz einholen wollte, würde zu einem vollständigen Mißerfolge der ganzen<lb/>
Maßregel führen. Ehrliche Benutzung des einzelnen günstigen Falles auf Grund<lb/>
genauer Ortskenntnisse und nicht programmmäßige büreaukratische Arbeit kann<lb/>
allein Erfolge erzielen, welche sich sittlich, wirtschaftlich und politisch vor dem<lb/>
Lande rechtfertigen lassen.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Der Kampf der deutschen Nationalität<lb/>
mit fremden Kulturen.<lb/>
v<note type="byline"> Franz Pfalz.</note> on (Schluß.) </head><lb/>
          <p xml:id="ID_1342"> in fünfzehnten Jahrhundert riefen die abendländischen Gelehrten<lb/>
gegen die erstarrte lateinische Kultur das unverfälschte Griechen¬<lb/>
tum zu Hilfe. Es hieße aller feinern Bildung Hohn sprechen,<lb/>
wenn man das Verdienst der ältern Humanisten, der italienischen<lb/>
sowohl als der deutschen, herabsetzen wollte. Den armen, durch<lb/>
die mumienhafte lateinische Kultur in sich zusammengepreßten Abendländern ging<lb/>
die Philosophie erst bei dem Studium der griechischen Meisterwerke auf. Die<lb/>
Deutschen waren in ihrer Verkümmerung ebensowenig wie die Franzosen, Spanier<lb/>
und Italiener imstande, aus sich heraus zu hohen Idealen eines rein mensch¬<lb/>
lichen Daseins zu gelangen. Aus Dogmcnstreit, Hierarchie und Lehnswesen,<lb/>
aus bürgerlicher und bäurischer Knechtschaft, aus Armut und Rohheit mußten<lb/>
sie durch die hohe Naivität eines naturwüchsigen, mit künstlerischem und philo¬<lb/>
sophischem Genie ausgestatteten Volkes herausgerissen werden, wenn sie über¬<lb/>
haupt wieder zu der Anschauung eines menschenwürdigen Daseins gelangen<lb/>
wollten.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0461] Der Uanipf der deutschen Nationalität mit fremden Kulturen. wirtschaftlich gesünderen Verhältnissen eine neue Existenz zu gründen. Die Be¬ fürchtung der polnischen Kreise dagegen, daß auch wirtschaftlich gut situirte polnische Grundbesitzer von der preußischen Staatsregierung durch hohe An¬ gebote zum Verkauf verleitet werden würden, ist völlig unbegründet, da die Staatsregierung wohl zu klug sein dürfte, nnter der gegenwärtigen landwirt¬ schaftlichen Misere durch hohe Kaufpreise polnischen Grundbesitzern die Mittel in die Hand zu geben, schlecht situirte deutsche Besitzer billig auszulaufen. Jede nervöse Uberhastung in dieser Beziehung, welche die Vernachlässigung vou Jahr¬ zehnten unter dem Drucke der öffentlichen Meinung in ungestümem politischem Ehrgeiz einholen wollte, würde zu einem vollständigen Mißerfolge der ganzen Maßregel führen. Ehrliche Benutzung des einzelnen günstigen Falles auf Grund genauer Ortskenntnisse und nicht programmmäßige büreaukratische Arbeit kann allein Erfolge erzielen, welche sich sittlich, wirtschaftlich und politisch vor dem Lande rechtfertigen lassen. Der Kampf der deutschen Nationalität mit fremden Kulturen. v Franz Pfalz. on (Schluß.) in fünfzehnten Jahrhundert riefen die abendländischen Gelehrten gegen die erstarrte lateinische Kultur das unverfälschte Griechen¬ tum zu Hilfe. Es hieße aller feinern Bildung Hohn sprechen, wenn man das Verdienst der ältern Humanisten, der italienischen sowohl als der deutschen, herabsetzen wollte. Den armen, durch die mumienhafte lateinische Kultur in sich zusammengepreßten Abendländern ging die Philosophie erst bei dem Studium der griechischen Meisterwerke auf. Die Deutschen waren in ihrer Verkümmerung ebensowenig wie die Franzosen, Spanier und Italiener imstande, aus sich heraus zu hohen Idealen eines rein mensch¬ lichen Daseins zu gelangen. Aus Dogmcnstreit, Hierarchie und Lehnswesen, aus bürgerlicher und bäurischer Knechtschaft, aus Armut und Rohheit mußten sie durch die hohe Naivität eines naturwüchsigen, mit künstlerischem und philo¬ sophischem Genie ausgestatteten Volkes herausgerissen werden, wenn sie über¬ haupt wieder zu der Anschauung eines menschenwürdigen Daseins gelangen wollten.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/461
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/461>, abgerufen am 27.12.2024.