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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

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j)olentum und Deutschtum in der Provinz Posen.

is d
er preußische Staat diejenigen Landesteile des ehemaligen
Königreichs Polen erwarb, welche jetzt die Provinz Pose" bilden,
so geschah dies wahrlich nicht in der Erwartung, daß dieser Er¬
werb für ihn ein sonderlicher Zuwachs von Staatseinnahmen
oder an materiellen "ut geistigen Hilfsmitteln bedeute; vielmehr
erwarb man die polnischen Landesteile in der vollen, klaren Erkenntnis der
strategischen Notwendigkeit, die beiden östlichen Flügel des Staatsgebietes,
Preußen und Schlesien, durch jene Neuerwerbung räumlich zu verbinden.

Die preußische Staatsregierung war sich bei der Übernahme jenes Landes¬
teiles der bodenlosen wirtschaftlichen Verwahrlosung desselben und der ihr hieraus
erwachsenden Kulturabgaben Wohl bewußt; die amtlichen Berichte der mit der
Reorganisation des sogenannten Netzcbruches und des jetzt zur Provinz Posen
gehörigen Teils von Südpreußen beauftragten Beamten liefern hierfür den ur¬
kundlichen Beweis.

Die Regierung übernahm aber die ihr gestellte Aufgabe in der freudigen
Hoffnung, daß es ihrer Verwaltung durch Gerechtigkeit, Sachlichkeit und Pflicht¬
treue gelingen werde, uicht nur die neue Provinz den übrigen Staatsgebieten
materiell ebenbürtig zu machen, sondern auch die zuverlässige Zuneigung der
ihr durch Nationalität und Sprache fremden Unterthanen zu erwerben. Diese
Hoffnung schien sich mich bis zu den dreißiger Jahren dieses Jahrhunderts zu
erfüllen. Zahlreiche unternehmungslustige Landwirte, Gewerbetreibende und
Handwerker strömten aus den deutsche" Provinzen des Staates nach der
Provinz Posen. Das dnrch die innern Wirren der polnischen Zeit auch wirt¬
schaftlich schwer heimgesuchte Land binde sichtbar auf, und es gestaltete sich zwischen


Gnilzbotr" II. 1886. 50


j)olentum und Deutschtum in der Provinz Posen.

is d
er preußische Staat diejenigen Landesteile des ehemaligen
Königreichs Polen erwarb, welche jetzt die Provinz Pose» bilden,
so geschah dies wahrlich nicht in der Erwartung, daß dieser Er¬
werb für ihn ein sonderlicher Zuwachs von Staatseinnahmen
oder an materiellen »ut geistigen Hilfsmitteln bedeute; vielmehr
erwarb man die polnischen Landesteile in der vollen, klaren Erkenntnis der
strategischen Notwendigkeit, die beiden östlichen Flügel des Staatsgebietes,
Preußen und Schlesien, durch jene Neuerwerbung räumlich zu verbinden.

Die preußische Staatsregierung war sich bei der Übernahme jenes Landes¬
teiles der bodenlosen wirtschaftlichen Verwahrlosung desselben und der ihr hieraus
erwachsenden Kulturabgaben Wohl bewußt; die amtlichen Berichte der mit der
Reorganisation des sogenannten Netzcbruches und des jetzt zur Provinz Posen
gehörigen Teils von Südpreußen beauftragten Beamten liefern hierfür den ur¬
kundlichen Beweis.

Die Regierung übernahm aber die ihr gestellte Aufgabe in der freudigen
Hoffnung, daß es ihrer Verwaltung durch Gerechtigkeit, Sachlichkeit und Pflicht¬
treue gelingen werde, uicht nur die neue Provinz den übrigen Staatsgebieten
materiell ebenbürtig zu machen, sondern auch die zuverlässige Zuneigung der
ihr durch Nationalität und Sprache fremden Unterthanen zu erwerben. Diese
Hoffnung schien sich mich bis zu den dreißiger Jahren dieses Jahrhunderts zu
erfüllen. Zahlreiche unternehmungslustige Landwirte, Gewerbetreibende und
Handwerker strömten aus den deutsche» Provinzen des Staates nach der
Provinz Posen. Das dnrch die innern Wirren der polnischen Zeit auch wirt¬
schaftlich schwer heimgesuchte Land binde sichtbar auf, und es gestaltete sich zwischen


Gnilzbotr» II. 1886. 50
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[0401] [Abbildung] j)olentum und Deutschtum in der Provinz Posen. is d er preußische Staat diejenigen Landesteile des ehemaligen Königreichs Polen erwarb, welche jetzt die Provinz Pose» bilden, so geschah dies wahrlich nicht in der Erwartung, daß dieser Er¬ werb für ihn ein sonderlicher Zuwachs von Staatseinnahmen oder an materiellen »ut geistigen Hilfsmitteln bedeute; vielmehr erwarb man die polnischen Landesteile in der vollen, klaren Erkenntnis der strategischen Notwendigkeit, die beiden östlichen Flügel des Staatsgebietes, Preußen und Schlesien, durch jene Neuerwerbung räumlich zu verbinden. Die preußische Staatsregierung war sich bei der Übernahme jenes Landes¬ teiles der bodenlosen wirtschaftlichen Verwahrlosung desselben und der ihr hieraus erwachsenden Kulturabgaben Wohl bewußt; die amtlichen Berichte der mit der Reorganisation des sogenannten Netzcbruches und des jetzt zur Provinz Posen gehörigen Teils von Südpreußen beauftragten Beamten liefern hierfür den ur¬ kundlichen Beweis. Die Regierung übernahm aber die ihr gestellte Aufgabe in der freudigen Hoffnung, daß es ihrer Verwaltung durch Gerechtigkeit, Sachlichkeit und Pflicht¬ treue gelingen werde, uicht nur die neue Provinz den übrigen Staatsgebieten materiell ebenbürtig zu machen, sondern auch die zuverlässige Zuneigung der ihr durch Nationalität und Sprache fremden Unterthanen zu erwerben. Diese Hoffnung schien sich mich bis zu den dreißiger Jahren dieses Jahrhunderts zu erfüllen. Zahlreiche unternehmungslustige Landwirte, Gewerbetreibende und Handwerker strömten aus den deutsche» Provinzen des Staates nach der Provinz Posen. Das dnrch die innern Wirren der polnischen Zeit auch wirt¬ schaftlich schwer heimgesuchte Land binde sichtbar auf, und es gestaltete sich zwischen Gnilzbotr» II. 1886. 50

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/401>, abgerufen am 27.06.2024.