Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.Die Ministerkrisis in London. er Plan, mit welchem Gladstone die irische Frage zu lösen hoffte, Die Ministerkrisis in London. er Plan, mit welchem Gladstone die irische Frage zu lösen hoffte, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0040" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/198106"/> </div> <div n="1"> <head> Die Ministerkrisis in London.</head><lb/> <p xml:id="ID_113" next="#ID_114"> er Plan, mit welchem Gladstone die irische Frage zu lösen hoffte,<lb/> hat, als er den Ministern in seinen Grundzügen mitgeteilt wurde,<lb/> zu einer Kabiuetskrise sehr ernster Art geführt, welche nun schon<lb/> zwei Wochen anhält und nicht bloß dem Ministerium Gladstone,<lb/> ^ sondern der gesamten liberalen Partei in Großbritannien ver¬<lb/> hängnisvoll zu werden droht. Wenn Gladstone seinen Plan nicht aufgiebt<lb/> oder nicht sehr wesentlich umgestaltet, bevor er ihn dem Unterhause vorlegt,<lb/> so werden, wie ans guter Quelle berichtet wird, zunächst die Herren Chamberlain<lb/> und Trevelyan sowie verschiedne untergeordnete Mitglieder des Kabinets ihre<lb/> Posten niederlegen. Versuche des Premiers, die beiden erstgenannten für seine<lb/> Gedanken zu gewinnen, sind erfolglos gewesen. Die Bedenken derselben richten<lb/> sich nicht allein gegen den Vorschlag Gladstones, nach welchen, das Parlament<lb/> eine ungeheure Summe — nach dem niedrigsten Anschlage l20, nach dem<lb/> höchsten 200 Millionen Pfd, Sterl,, d, h, so viel wie die fünf Milliarden der<lb/> französischen Kriegsentschädigung von 1871 — zur Expropriation der irischen<lb/> Grundherren bewilligen soll, sonder» auch gegen jede Absicht, den Irländern<lb/> irgendwelches Home Rule zu gewähren, welches ein besondres Parlament mit<lb/> Regierungsvollmachten einschlösse, Ihre Einwürfe gegen das Doppclprojekt<lb/> des Premiers fassen sich in die Sätze zusammen: „Dieses Home Unke würde<lb/> eine Vermehrung der britischen Armee um 50000 Mann, eine beträchtliche<lb/> Verstärkung der Kriegsflotte, die Errichtung einer kostspieligen Kette von Forts<lb/> an der englischen und schottischen Westküste erfordern und uns der sichern Gefahr<lb/> mehr oder weniger ernsthafter Verwicklungen mit fremden Mächten aussetzen,<lb/> die nicht zögern würden, sich Irlands gegen unser Interesse zu bedienen. Kein<lb/> Engländer und kein Schotte wird darein willigen, einzig um die sentimentalen<lb/> Nörgeleien der Iren loszuwerden. Es ist Thorheit, von einem Parlamente<lb/> mit Vollmachten, wie Gladstone sie den Parnclliten zugestehen will, zu sagen,<lb/> es werde nicht bald eine Stellung einnehmen und Maßregeln beschließen, wo¬<lb/> durch Großbritannien in schwere Kosten gesteckt und vor große Gefahren ge¬<lb/> stellt werden würde. Vorbeugung ist besser als Heilung, deshalb sollen alle<lb/> patriotisch gesinnten Liberalen und Radikalen bereit sein, den Jrländern alles,<lb/> was billig und möglich ist, alles, was sie als nnablösbares Glied des Or¬<lb/> ganismus beanspruchen können, welcher sich das »Vereinigte Königreich« nennt,<lb/> zu geben, aber auch nur das, nicht ein Titelchen über dieses Maß," Noch<lb/> hofft man unter den Mitgliedern der Negierung, ihr Chef werde in letzter<lb/> Stunde diesem Widerstande weichen und seinem irischen Plane eine annehmbare</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0040]
Die Ministerkrisis in London.
er Plan, mit welchem Gladstone die irische Frage zu lösen hoffte,
hat, als er den Ministern in seinen Grundzügen mitgeteilt wurde,
zu einer Kabiuetskrise sehr ernster Art geführt, welche nun schon
zwei Wochen anhält und nicht bloß dem Ministerium Gladstone,
^ sondern der gesamten liberalen Partei in Großbritannien ver¬
hängnisvoll zu werden droht. Wenn Gladstone seinen Plan nicht aufgiebt
oder nicht sehr wesentlich umgestaltet, bevor er ihn dem Unterhause vorlegt,
so werden, wie ans guter Quelle berichtet wird, zunächst die Herren Chamberlain
und Trevelyan sowie verschiedne untergeordnete Mitglieder des Kabinets ihre
Posten niederlegen. Versuche des Premiers, die beiden erstgenannten für seine
Gedanken zu gewinnen, sind erfolglos gewesen. Die Bedenken derselben richten
sich nicht allein gegen den Vorschlag Gladstones, nach welchen, das Parlament
eine ungeheure Summe — nach dem niedrigsten Anschlage l20, nach dem
höchsten 200 Millionen Pfd, Sterl,, d, h, so viel wie die fünf Milliarden der
französischen Kriegsentschädigung von 1871 — zur Expropriation der irischen
Grundherren bewilligen soll, sonder» auch gegen jede Absicht, den Irländern
irgendwelches Home Rule zu gewähren, welches ein besondres Parlament mit
Regierungsvollmachten einschlösse, Ihre Einwürfe gegen das Doppclprojekt
des Premiers fassen sich in die Sätze zusammen: „Dieses Home Unke würde
eine Vermehrung der britischen Armee um 50000 Mann, eine beträchtliche
Verstärkung der Kriegsflotte, die Errichtung einer kostspieligen Kette von Forts
an der englischen und schottischen Westküste erfordern und uns der sichern Gefahr
mehr oder weniger ernsthafter Verwicklungen mit fremden Mächten aussetzen,
die nicht zögern würden, sich Irlands gegen unser Interesse zu bedienen. Kein
Engländer und kein Schotte wird darein willigen, einzig um die sentimentalen
Nörgeleien der Iren loszuwerden. Es ist Thorheit, von einem Parlamente
mit Vollmachten, wie Gladstone sie den Parnclliten zugestehen will, zu sagen,
es werde nicht bald eine Stellung einnehmen und Maßregeln beschließen, wo¬
durch Großbritannien in schwere Kosten gesteckt und vor große Gefahren ge¬
stellt werden würde. Vorbeugung ist besser als Heilung, deshalb sollen alle
patriotisch gesinnten Liberalen und Radikalen bereit sein, den Jrländern alles,
was billig und möglich ist, alles, was sie als nnablösbares Glied des Or¬
ganismus beanspruchen können, welcher sich das »Vereinigte Königreich« nennt,
zu geben, aber auch nur das, nicht ein Titelchen über dieses Maß," Noch
hofft man unter den Mitgliedern der Negierung, ihr Chef werde in letzter
Stunde diesem Widerstande weichen und seinem irischen Plane eine annehmbare
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