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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

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Notizen.

Männer einigermaßen? im Hinweggehen versagte sich Barrcto aber doch nicht
zu murmeln: Wäre es nicht schöner gewesen, wenn wir die Ziegenhirtin dort
oben, dicht bei ihrer Hütte, begraben hätten, wo das hohe Gras über ihren
kleinen Hügel wüchse und nur der Bursch, der Pero, und in Jahren einer von
uns hinkäme, um der guten Kleinen zu gedenken? Camoens nickte dem Freunde
beistimmend zu, allein seine Gedanken waren schon nicht mehr bei Joana und
ihrem Grabe. Er hulde an einem Fenster des Klosterflügcls, der an den Friedhof
stieß, ein bleiches Gesicht mit dunkeln Augen bemerkt, und König Sebastians
Kaplnu wohl erkannt. Barretv hatte denselben zum Glück nicht gesehen und
deutete auf dem Zurückritt nach Cintra die düstere Schweigsamkeit des Freundes
lediglich auf die Trauer um den Tod der jungen Hirtin.

Auch der Nachmittag, an dem sich beide Freunde in Okaz' Herberge stattlich
rüsteten, um am Trauergepränge für den Marschall des Christusordens teil¬
nehmen zu können, brachte nichts von dem Unverhofften, Plötzlichen, dem Camoens
in träumerischer Befangenheit cntgcgcnharrte. Wohl war der Unterschied und
der Gegensatz zwischen Morgen und Nachmittag groß, statt des stillen, grünen
Hochthals und des einsam liegenden Klosters mit seinem Friedhofe die Um¬
gebungen des Schlosses und die Straßen Cintras, beide vom wildesten Ge¬
tümmel und drängenden Massen erfüllt, statt der dürftigen Bestattung der
Glanz und Pomp einer großen Trauerfeier. Doch Camoens hatte ja gestern
genug von dem Gepränge vernommen, mit welchem die Leiche des greisen
Marschalls von dem kleinen Schlosse herab und zu der Kapelle auf der Straße
uach Lissabon geleitet werden sollte, an der die Ritter des Christusordens ihr
gcschiednes Oberhaupt erwarten und dasselbe nach ihrer Begräbniskirche in der
Hauptstadt überführen würden. Er hatte im voraus gewußt und mit Barreto
besprochen, daß der König und sein Hofstaat dem Sarge Pachecos bis zu der
Übergabestelle folgen würden, hatte sich selbst vergewissert, wo sein Gastfreund
und wo er selbst in dem Zuge ihren Platz finden könnten. Und nun er in der
Masse der Leidtragenden untertauchte und seine Stelle in einer Gruppe von
Edelleuten fand, die gleich ihm erst kürzlich um Hofe vorgestellt und dennoch
alle viel jünger waren als er selbst, da fühlte er vollends, daß Herz und Sinn
nicht bei diesem feierlichen Prunk seien. (Fortsetzung folgt,)




Notizen.

Die Leipziger Messen sind in schnellem Rückgänge begriffen. Dus ist
zwar nichts neues, man weiß es schon seit Jahren, aber noch nie ist es so auf¬
fällig hervorgetreten wie bei der diesmaligen. Ostermesse. Wo früher in der ersten
Meßwoche, der sogenannten EngroSlvochc, ganze Straßen, Haus für Haus, alle


Notizen.

Männer einigermaßen? im Hinweggehen versagte sich Barrcto aber doch nicht
zu murmeln: Wäre es nicht schöner gewesen, wenn wir die Ziegenhirtin dort
oben, dicht bei ihrer Hütte, begraben hätten, wo das hohe Gras über ihren
kleinen Hügel wüchse und nur der Bursch, der Pero, und in Jahren einer von
uns hinkäme, um der guten Kleinen zu gedenken? Camoens nickte dem Freunde
beistimmend zu, allein seine Gedanken waren schon nicht mehr bei Joana und
ihrem Grabe. Er hulde an einem Fenster des Klosterflügcls, der an den Friedhof
stieß, ein bleiches Gesicht mit dunkeln Augen bemerkt, und König Sebastians
Kaplnu wohl erkannt. Barretv hatte denselben zum Glück nicht gesehen und
deutete auf dem Zurückritt nach Cintra die düstere Schweigsamkeit des Freundes
lediglich auf die Trauer um den Tod der jungen Hirtin.

Auch der Nachmittag, an dem sich beide Freunde in Okaz' Herberge stattlich
rüsteten, um am Trauergepränge für den Marschall des Christusordens teil¬
nehmen zu können, brachte nichts von dem Unverhofften, Plötzlichen, dem Camoens
in träumerischer Befangenheit cntgcgcnharrte. Wohl war der Unterschied und
der Gegensatz zwischen Morgen und Nachmittag groß, statt des stillen, grünen
Hochthals und des einsam liegenden Klosters mit seinem Friedhofe die Um¬
gebungen des Schlosses und die Straßen Cintras, beide vom wildesten Ge¬
tümmel und drängenden Massen erfüllt, statt der dürftigen Bestattung der
Glanz und Pomp einer großen Trauerfeier. Doch Camoens hatte ja gestern
genug von dem Gepränge vernommen, mit welchem die Leiche des greisen
Marschalls von dem kleinen Schlosse herab und zu der Kapelle auf der Straße
uach Lissabon geleitet werden sollte, an der die Ritter des Christusordens ihr
gcschiednes Oberhaupt erwarten und dasselbe nach ihrer Begräbniskirche in der
Hauptstadt überführen würden. Er hatte im voraus gewußt und mit Barreto
besprochen, daß der König und sein Hofstaat dem Sarge Pachecos bis zu der
Übergabestelle folgen würden, hatte sich selbst vergewissert, wo sein Gastfreund
und wo er selbst in dem Zuge ihren Platz finden könnten. Und nun er in der
Masse der Leidtragenden untertauchte und seine Stelle in einer Gruppe von
Edelleuten fand, die gleich ihm erst kürzlich um Hofe vorgestellt und dennoch
alle viel jünger waren als er selbst, da fühlte er vollends, daß Herz und Sinn
nicht bei diesem feierlichen Prunk seien. (Fortsetzung folgt,)




Notizen.

Die Leipziger Messen sind in schnellem Rückgänge begriffen. Dus ist
zwar nichts neues, man weiß es schon seit Jahren, aber noch nie ist es so auf¬
fällig hervorgetreten wie bei der diesmaligen. Ostermesse. Wo früher in der ersten
Meßwoche, der sogenannten EngroSlvochc, ganze Straßen, Haus für Haus, alle


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[0395] Notizen. Männer einigermaßen? im Hinweggehen versagte sich Barrcto aber doch nicht zu murmeln: Wäre es nicht schöner gewesen, wenn wir die Ziegenhirtin dort oben, dicht bei ihrer Hütte, begraben hätten, wo das hohe Gras über ihren kleinen Hügel wüchse und nur der Bursch, der Pero, und in Jahren einer von uns hinkäme, um der guten Kleinen zu gedenken? Camoens nickte dem Freunde beistimmend zu, allein seine Gedanken waren schon nicht mehr bei Joana und ihrem Grabe. Er hulde an einem Fenster des Klosterflügcls, der an den Friedhof stieß, ein bleiches Gesicht mit dunkeln Augen bemerkt, und König Sebastians Kaplnu wohl erkannt. Barretv hatte denselben zum Glück nicht gesehen und deutete auf dem Zurückritt nach Cintra die düstere Schweigsamkeit des Freundes lediglich auf die Trauer um den Tod der jungen Hirtin. Auch der Nachmittag, an dem sich beide Freunde in Okaz' Herberge stattlich rüsteten, um am Trauergepränge für den Marschall des Christusordens teil¬ nehmen zu können, brachte nichts von dem Unverhofften, Plötzlichen, dem Camoens in träumerischer Befangenheit cntgcgcnharrte. Wohl war der Unterschied und der Gegensatz zwischen Morgen und Nachmittag groß, statt des stillen, grünen Hochthals und des einsam liegenden Klosters mit seinem Friedhofe die Um¬ gebungen des Schlosses und die Straßen Cintras, beide vom wildesten Ge¬ tümmel und drängenden Massen erfüllt, statt der dürftigen Bestattung der Glanz und Pomp einer großen Trauerfeier. Doch Camoens hatte ja gestern genug von dem Gepränge vernommen, mit welchem die Leiche des greisen Marschalls von dem kleinen Schlosse herab und zu der Kapelle auf der Straße uach Lissabon geleitet werden sollte, an der die Ritter des Christusordens ihr gcschiednes Oberhaupt erwarten und dasselbe nach ihrer Begräbniskirche in der Hauptstadt überführen würden. Er hatte im voraus gewußt und mit Barreto besprochen, daß der König und sein Hofstaat dem Sarge Pachecos bis zu der Übergabestelle folgen würden, hatte sich selbst vergewissert, wo sein Gastfreund und wo er selbst in dem Zuge ihren Platz finden könnten. Und nun er in der Masse der Leidtragenden untertauchte und seine Stelle in einer Gruppe von Edelleuten fand, die gleich ihm erst kürzlich um Hofe vorgestellt und dennoch alle viel jünger waren als er selbst, da fühlte er vollends, daß Herz und Sinn nicht bei diesem feierlichen Prunk seien. (Fortsetzung folgt,) Notizen. Die Leipziger Messen sind in schnellem Rückgänge begriffen. Dus ist zwar nichts neues, man weiß es schon seit Jahren, aber noch nie ist es so auf¬ fällig hervorgetreten wie bei der diesmaligen. Ostermesse. Wo früher in der ersten Meßwoche, der sogenannten EngroSlvochc, ganze Straßen, Haus für Haus, alle

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/395>, abgerufen am 27.06.2024.