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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

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Camoens.
R Adolf Stern. oman von
(Fortsetzung.)

le Thränen, welche der ehemalige Seemann in, Auge hatte, ver¬
hinderten ihn, Barreto und Camoens genau ins Gesicht zu sehen,
die Bestürzung und Erschütterung beider malte sich nicht nur in
ihren Zügen, sondern zeigte sich auch in ihrer ganzen Haltung.
Ehe Barreto eine Frage thun konnte, fuhr Jayme fort:

Ihr könnt denken, Herr, daß ich trotz meines Jammers genau
auf alles achtete! Die Schnur, mit der sie erdrosselt worden, war von maurischen
Geflecht -- ich wußte es ohne Besinnen, wer den feigen Mord an dem armen
Kinde vollbracht hat und warum Joana gestorben ist! Nach den Fußspuren
haben sich drei Männer an sie herangeschlichen und sie an ihrem Ruheplatze über¬
fallen -- wenigstens haben Schreck und Schmerz für sie nur eine Minnte gewährt!

Und was habt Ihr gethan? fuhr Camoens auf. Riese Ihr den Richter
des Königs und Zeugen hinzu? Habt Ihr schon Anklage erhoben?

Nein, Senhor! erwiederte Jayme und wandte sein Gesicht fragend Barreto
zu. Nachdem ich mich fürs erste ausgemeint, trug ich die Tote unter ihr
Strohdach, die Schnur löste ich von ihrem Halse, sie ist in Bartolomcos Händen
für Euch -- bis Ihr kommt! Dann wartete ich, bis ihr Liebster, der bei den
frommen Frauen von Santa Eufemia Waldhüter ist, herzukam und hatte ihm
die schlimme Kunde mitzuteilen und ihn, so gut ich konnte, zu trösten. Es waren
ein paar schwere Stunden, die ich nicht noch einmal erleben möchte. Er
ging, um einige Kameraden aufzubieten, und sie versprachen abwechselnd bei der
Leiche der Kleinen Wache zu halten, damit die heidnischen Hände, welche sie
ermordet haben, sich nicht etwa noch an der armen Hülle Jocmas vergriffen.
Dann ging ich zu Okaz hinunter, sagte ihm, was geschehen sei, und stieg auf
den Klepper, um Euch herzurufen. -

Der Gutsherr, welcher sich vor einigen Augenblicken unbewußt wieder auf
die Steinbank niedergelassen hatte, stand auf und sagte:

Ihr habt bei dem traurigen Falle recht und klug gehandelt, besonders du,
Jayme! Die Gerichte des Königs können hier nicht helfen. Wenn es über¬
haupt eine Sühne für den ruchlose" Frevel giebt -- wenn es eine giebt, Luis!
ich zweifle daran! -- so kann sie nur von dem König selbst kommen. Als er
Esmah Catarina seinen Schutz verhieß, war die arme kleine Hirtin in die Ver¬
heißung eingeschlossen. Ich muß unmittelbar vor Seine Majestät treten, vielleicht




Camoens.
R Adolf Stern. oman von
(Fortsetzung.)

le Thränen, welche der ehemalige Seemann in, Auge hatte, ver¬
hinderten ihn, Barreto und Camoens genau ins Gesicht zu sehen,
die Bestürzung und Erschütterung beider malte sich nicht nur in
ihren Zügen, sondern zeigte sich auch in ihrer ganzen Haltung.
Ehe Barreto eine Frage thun konnte, fuhr Jayme fort:

Ihr könnt denken, Herr, daß ich trotz meines Jammers genau
auf alles achtete! Die Schnur, mit der sie erdrosselt worden, war von maurischen
Geflecht — ich wußte es ohne Besinnen, wer den feigen Mord an dem armen
Kinde vollbracht hat und warum Joana gestorben ist! Nach den Fußspuren
haben sich drei Männer an sie herangeschlichen und sie an ihrem Ruheplatze über¬
fallen — wenigstens haben Schreck und Schmerz für sie nur eine Minnte gewährt!

Und was habt Ihr gethan? fuhr Camoens auf. Riese Ihr den Richter
des Königs und Zeugen hinzu? Habt Ihr schon Anklage erhoben?

Nein, Senhor! erwiederte Jayme und wandte sein Gesicht fragend Barreto
zu. Nachdem ich mich fürs erste ausgemeint, trug ich die Tote unter ihr
Strohdach, die Schnur löste ich von ihrem Halse, sie ist in Bartolomcos Händen
für Euch — bis Ihr kommt! Dann wartete ich, bis ihr Liebster, der bei den
frommen Frauen von Santa Eufemia Waldhüter ist, herzukam und hatte ihm
die schlimme Kunde mitzuteilen und ihn, so gut ich konnte, zu trösten. Es waren
ein paar schwere Stunden, die ich nicht noch einmal erleben möchte. Er
ging, um einige Kameraden aufzubieten, und sie versprachen abwechselnd bei der
Leiche der Kleinen Wache zu halten, damit die heidnischen Hände, welche sie
ermordet haben, sich nicht etwa noch an der armen Hülle Jocmas vergriffen.
Dann ging ich zu Okaz hinunter, sagte ihm, was geschehen sei, und stieg auf
den Klepper, um Euch herzurufen. -

Der Gutsherr, welcher sich vor einigen Augenblicken unbewußt wieder auf
die Steinbank niedergelassen hatte, stand auf und sagte:

Ihr habt bei dem traurigen Falle recht und klug gehandelt, besonders du,
Jayme! Die Gerichte des Königs können hier nicht helfen. Wenn es über¬
haupt eine Sühne für den ruchlose» Frevel giebt — wenn es eine giebt, Luis!
ich zweifle daran! — so kann sie nur von dem König selbst kommen. Als er
Esmah Catarina seinen Schutz verhieß, war die arme kleine Hirtin in die Ver¬
heißung eingeschlossen. Ich muß unmittelbar vor Seine Majestät treten, vielleicht


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[0293] [Abbildung] Camoens. R Adolf Stern. oman von (Fortsetzung.) le Thränen, welche der ehemalige Seemann in, Auge hatte, ver¬ hinderten ihn, Barreto und Camoens genau ins Gesicht zu sehen, die Bestürzung und Erschütterung beider malte sich nicht nur in ihren Zügen, sondern zeigte sich auch in ihrer ganzen Haltung. Ehe Barreto eine Frage thun konnte, fuhr Jayme fort: Ihr könnt denken, Herr, daß ich trotz meines Jammers genau auf alles achtete! Die Schnur, mit der sie erdrosselt worden, war von maurischen Geflecht — ich wußte es ohne Besinnen, wer den feigen Mord an dem armen Kinde vollbracht hat und warum Joana gestorben ist! Nach den Fußspuren haben sich drei Männer an sie herangeschlichen und sie an ihrem Ruheplatze über¬ fallen — wenigstens haben Schreck und Schmerz für sie nur eine Minnte gewährt! Und was habt Ihr gethan? fuhr Camoens auf. Riese Ihr den Richter des Königs und Zeugen hinzu? Habt Ihr schon Anklage erhoben? Nein, Senhor! erwiederte Jayme und wandte sein Gesicht fragend Barreto zu. Nachdem ich mich fürs erste ausgemeint, trug ich die Tote unter ihr Strohdach, die Schnur löste ich von ihrem Halse, sie ist in Bartolomcos Händen für Euch — bis Ihr kommt! Dann wartete ich, bis ihr Liebster, der bei den frommen Frauen von Santa Eufemia Waldhüter ist, herzukam und hatte ihm die schlimme Kunde mitzuteilen und ihn, so gut ich konnte, zu trösten. Es waren ein paar schwere Stunden, die ich nicht noch einmal erleben möchte. Er ging, um einige Kameraden aufzubieten, und sie versprachen abwechselnd bei der Leiche der Kleinen Wache zu halten, damit die heidnischen Hände, welche sie ermordet haben, sich nicht etwa noch an der armen Hülle Jocmas vergriffen. Dann ging ich zu Okaz hinunter, sagte ihm, was geschehen sei, und stieg auf den Klepper, um Euch herzurufen. - Der Gutsherr, welcher sich vor einigen Augenblicken unbewußt wieder auf die Steinbank niedergelassen hatte, stand auf und sagte: Ihr habt bei dem traurigen Falle recht und klug gehandelt, besonders du, Jayme! Die Gerichte des Königs können hier nicht helfen. Wenn es über¬ haupt eine Sühne für den ruchlose» Frevel giebt — wenn es eine giebt, Luis! ich zweifle daran! — so kann sie nur von dem König selbst kommen. Als er Esmah Catarina seinen Schutz verhieß, war die arme kleine Hirtin in die Ver¬ heißung eingeschlossen. Ich muß unmittelbar vor Seine Majestät treten, vielleicht

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/293>, abgerufen am 27.06.2024.