Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.Die deutschen Schutzgebiete und ihre Rechtsverhältnisse. aß Deutschland einmal überseeische Kolonien erwerben würde, Die deutschen Schutzgebiete und ihre Rechtsverhältnisse. aß Deutschland einmal überseeische Kolonien erwerben würde, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0263" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/198329"/> </div> <div n="1"> <head> Die deutschen Schutzgebiete und ihre Rechtsverhältnisse.</head><lb/> <p xml:id="ID_746" next="#ID_747"> aß Deutschland einmal überseeische Kolonien erwerben würde,<lb/> haben sich auch diejenigen nicht träumen lassen, welche selbst im<lb/> Anfang der fünfziger Jahre, als die ungestümen Hoffnungen<lb/> auf einen deutschen Nationalstaat für lange zu Grabe getragen<lb/> schienen, noch an eine Wiedercrwerbung von Elsaß-Lothringen<lb/> dachten. Auch als die nationale Idee in der Gründung des Norddeutschen<lb/> Bundes ihre Verwirklichung zu finden anfing, war man weit davon entfernt,<lb/> an die Möglichkeit eines Kolonialbesitzes zu glauben. Schien doch in dieser Be¬<lb/> ziehung für Deutschland der Klageruf zu gelten, daß die Erde bereits weg¬<lb/> gegeben und an diejenigen Völker verteilt sei, welche früher als das zerrissene und<lb/> machtlose Deutschland die Gunst der Götter besaßen. Zwar findet sich im<lb/> vierten Artikel der Norddeutschen Bundes- und nachmaligen Reichsverfassung<lb/> die Bestimmung, daß der Aufsicht und der Gesetzgebung des Reiches auch die<lb/> Bestimmungen über „Kolonisation und die Auswanderung nach außerdeutschen<lb/> Ländern" unterliegen sollen. Allein es ergiebt sich weder ans den kärglichen<lb/> Materialien zur Bundesverfassung noch ans den Debatten im Reichstage, daß<lb/> unter „Kolonisation" im Sinne dieser Vorschrift der Erwerb überseeischer Ko¬<lb/> lonien verstanden sein sollte. Schmerzlich berührt waren die bessern Kreise der<lb/> Nation, daß sich alljährlich ungeregelt und ziellos ein Strom deutscher Aus¬<lb/> wanderer mit deutschem Vermögen, deutscher Kraft und deutscher Intelligenz<lb/> über überseeische Gebiete ergoß, daß eine Menge nationaler Bürger und natio¬<lb/> nalen Reichtums dem Vaterlande verloren ging, und man hatte deshalb den<lb/> Wunsch, sich diese Auswanderer zu erhalte» und durch geordnetes Kolonisations¬<lb/> wesen im Auslande noch dem heimischen Lande nutzbar zu machen. Erst<lb/> als im Anfange der siebziger Jahre der schwarze Erdteil mehr und mehr<lb/> erschlossen wurde, als deutsches Blut und deutsches Gut in reichlichem Maße<lb/> geopfert wurden, um den mystischen Schleier zu heben, der auf Afrika lag, da<lb/> kam manchen,, der die Beschreibungen der deutschen Afrikaforscher las oder<lb/> das Glück hatte, ihre Vorträge und Gespräche zu hören, der Gedanke, daß<lb/> hier für unser bei der Teilung der Erde zu kurz gekommenes Vaterland<lb/> noch etwas zu holen sei. Dieser Zusammenhang zwischen der wissenschaftliche»<lb/> Afrikafvrschung und dem Kolonialerwerb verkörpert sich in dem uns leider z»<lb/> früh entrissenen or. Nachtigal, der, wie er einer der ersten glücklich zurückge¬<lb/> kehrte» Deutschen war, die Licht über einen großen Teil des dunkeln Reiches<lb/> verbreiten konnten, auch der erste sein sollte, welcher die deutsche Flagge an</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0263]
Die deutschen Schutzgebiete und ihre Rechtsverhältnisse.
aß Deutschland einmal überseeische Kolonien erwerben würde,
haben sich auch diejenigen nicht träumen lassen, welche selbst im
Anfang der fünfziger Jahre, als die ungestümen Hoffnungen
auf einen deutschen Nationalstaat für lange zu Grabe getragen
schienen, noch an eine Wiedercrwerbung von Elsaß-Lothringen
dachten. Auch als die nationale Idee in der Gründung des Norddeutschen
Bundes ihre Verwirklichung zu finden anfing, war man weit davon entfernt,
an die Möglichkeit eines Kolonialbesitzes zu glauben. Schien doch in dieser Be¬
ziehung für Deutschland der Klageruf zu gelten, daß die Erde bereits weg¬
gegeben und an diejenigen Völker verteilt sei, welche früher als das zerrissene und
machtlose Deutschland die Gunst der Götter besaßen. Zwar findet sich im
vierten Artikel der Norddeutschen Bundes- und nachmaligen Reichsverfassung
die Bestimmung, daß der Aufsicht und der Gesetzgebung des Reiches auch die
Bestimmungen über „Kolonisation und die Auswanderung nach außerdeutschen
Ländern" unterliegen sollen. Allein es ergiebt sich weder ans den kärglichen
Materialien zur Bundesverfassung noch ans den Debatten im Reichstage, daß
unter „Kolonisation" im Sinne dieser Vorschrift der Erwerb überseeischer Ko¬
lonien verstanden sein sollte. Schmerzlich berührt waren die bessern Kreise der
Nation, daß sich alljährlich ungeregelt und ziellos ein Strom deutscher Aus¬
wanderer mit deutschem Vermögen, deutscher Kraft und deutscher Intelligenz
über überseeische Gebiete ergoß, daß eine Menge nationaler Bürger und natio¬
nalen Reichtums dem Vaterlande verloren ging, und man hatte deshalb den
Wunsch, sich diese Auswanderer zu erhalte» und durch geordnetes Kolonisations¬
wesen im Auslande noch dem heimischen Lande nutzbar zu machen. Erst
als im Anfange der siebziger Jahre der schwarze Erdteil mehr und mehr
erschlossen wurde, als deutsches Blut und deutsches Gut in reichlichem Maße
geopfert wurden, um den mystischen Schleier zu heben, der auf Afrika lag, da
kam manchen,, der die Beschreibungen der deutschen Afrikaforscher las oder
das Glück hatte, ihre Vorträge und Gespräche zu hören, der Gedanke, daß
hier für unser bei der Teilung der Erde zu kurz gekommenes Vaterland
noch etwas zu holen sei. Dieser Zusammenhang zwischen der wissenschaftliche»
Afrikafvrschung und dem Kolonialerwerb verkörpert sich in dem uns leider z»
früh entrissenen or. Nachtigal, der, wie er einer der ersten glücklich zurückge¬
kehrte» Deutschen war, die Licht über einen großen Teil des dunkeln Reiches
verbreiten konnten, auch der erste sein sollte, welcher die deutsche Flagge an
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