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Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal.

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Literatur.

Besen lind Ofengabeln dem Berge zu, auch eine Eule umschwirrt die Höhe.
(S. 125: Uhu! Schuhu! tönt es näher). Die schmale Mondensichel


(Wie traurig steigt die uuvvllkonunne Scheibe
Des roten Monds mit später Glut heran sS. 124j)

und vereinzelte Sterne scheinen von dem wolkenumzognen Firmamente


(ES schweigt der Wind, es flieht der Stern,
Der trübe Mond verbirgt sich gern >S. 128"

ans das bunte Treiben herab.

Die dem Stiche beigegebene Schilderung des "Blocks oder Brockerbcrges" hat
Goethe nicht benutzt, auch nicht die darin zitirte Schrift des Joh, Prätorius,
"Blockes-Berges Verrichtung."


Hans Lisch er.


Literatur.

Melnjine. Trauerspiel in fünf Auszügen vou Martin Wohlrab. Leipzig, Breitkopf und
Härtel, 188S.

Der Verfasser hat den uralten Sagcnstoff, der auf der Anschauung beruht, daß
die Götter des überwundneu Heidentums zwar an sich böse Dämonen seien, aber
durch das Eingehen in menschliches Leben und Weben auch der Erlösung teilhaftig
werden können, zum Gegenstande eines Trauerspieles gemacht. Das Uebermensch¬
liche oder Anßcrmenschliche, das im Wesen der Titelheldin liegt, macht sie allerdings
nicht zu einer tragischen Gestalt im modernen Sinne, da ihr als einem mit der
Natur im engsten Zusammenhange stehenden Wesen die wirkliche Freiheit des
Willens, also die volle sittliche Verantwortlichkeit fehlt, wohl aber zu einer solchen
nach antiker Auffassung, denn sie erliegt dem Schicksal, das ans ihren Existenz¬
bedingungen entspringt, ohne eigne Schuld. Um sie gruppiren sich Graf Raimund
von Lusignan, ihr Gemahl, dessen Untreue sie in ihr feuchtes Reich zurückstößt,
sein Bruder, Graf Sebald, und der Vater beider, endlich Pater Augustin als die
Hauptfiguren, von deuen der letztere als der eigentliche Gegenspieler Melusinens am
schärfsten individualisirt ist. Die Handlung schreitet in raschem Gange und klarer
Motivirung ihrer Wendungen vorwärts; die Sprache ist durchweg edel gehalten,
belebt durch treffende Bilder und gewürzt mit sinnigen Sentenzen. Da, wo das
Außermeuschliche der Nymphenwelt in die Handlung hineinspielt, erhebt sie sich zu
melodischen Bildern, während sie da, wo das volkstümliche Element, das die
Dienerschaft vertritt, zur Geltung kommt, eine mehr realistische Färbung annimmt.
Alles in allem wünschen wir dem Dichter, daß sein Werk die eigentliche Feuerprobe
des Dramas, die Aufführung, erlebe. Eine Komposition der eingelegten Lieder ist
bereits erschienen.






Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig.
Verlag vou Fr. Wilh. Griniow in Leipzig. - Druck vou Carl Mnrquart in Leipzig.
Literatur.

Besen lind Ofengabeln dem Berge zu, auch eine Eule umschwirrt die Höhe.
(S. 125: Uhu! Schuhu! tönt es näher). Die schmale Mondensichel


(Wie traurig steigt die uuvvllkonunne Scheibe
Des roten Monds mit später Glut heran sS. 124j)

und vereinzelte Sterne scheinen von dem wolkenumzognen Firmamente


(ES schweigt der Wind, es flieht der Stern,
Der trübe Mond verbirgt sich gern >S. 128»

ans das bunte Treiben herab.

Die dem Stiche beigegebene Schilderung des „Blocks oder Brockerbcrges" hat
Goethe nicht benutzt, auch nicht die darin zitirte Schrift des Joh, Prätorius,
„Blockes-Berges Verrichtung."


Hans Lisch er.


Literatur.

Melnjine. Trauerspiel in fünf Auszügen vou Martin Wohlrab. Leipzig, Breitkopf und
Härtel, 188S.

Der Verfasser hat den uralten Sagcnstoff, der auf der Anschauung beruht, daß
die Götter des überwundneu Heidentums zwar an sich böse Dämonen seien, aber
durch das Eingehen in menschliches Leben und Weben auch der Erlösung teilhaftig
werden können, zum Gegenstande eines Trauerspieles gemacht. Das Uebermensch¬
liche oder Anßcrmenschliche, das im Wesen der Titelheldin liegt, macht sie allerdings
nicht zu einer tragischen Gestalt im modernen Sinne, da ihr als einem mit der
Natur im engsten Zusammenhange stehenden Wesen die wirkliche Freiheit des
Willens, also die volle sittliche Verantwortlichkeit fehlt, wohl aber zu einer solchen
nach antiker Auffassung, denn sie erliegt dem Schicksal, das ans ihren Existenz¬
bedingungen entspringt, ohne eigne Schuld. Um sie gruppiren sich Graf Raimund
von Lusignan, ihr Gemahl, dessen Untreue sie in ihr feuchtes Reich zurückstößt,
sein Bruder, Graf Sebald, und der Vater beider, endlich Pater Augustin als die
Hauptfiguren, von deuen der letztere als der eigentliche Gegenspieler Melusinens am
schärfsten individualisirt ist. Die Handlung schreitet in raschem Gange und klarer
Motivirung ihrer Wendungen vorwärts; die Sprache ist durchweg edel gehalten,
belebt durch treffende Bilder und gewürzt mit sinnigen Sentenzen. Da, wo das
Außermeuschliche der Nymphenwelt in die Handlung hineinspielt, erhebt sie sich zu
melodischen Bildern, während sie da, wo das volkstümliche Element, das die
Dienerschaft vertritt, zur Geltung kommt, eine mehr realistische Färbung annimmt.
Alles in allem wünschen wir dem Dichter, daß sein Werk die eigentliche Feuerprobe
des Dramas, die Aufführung, erlebe. Eine Komposition der eingelegten Lieder ist
bereits erschienen.






Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig.
Verlag vou Fr. Wilh. Griniow in Leipzig. - Druck vou Carl Mnrquart in Leipzig.
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[0104] Literatur. Besen lind Ofengabeln dem Berge zu, auch eine Eule umschwirrt die Höhe. (S. 125: Uhu! Schuhu! tönt es näher). Die schmale Mondensichel (Wie traurig steigt die uuvvllkonunne Scheibe Des roten Monds mit später Glut heran sS. 124j) und vereinzelte Sterne scheinen von dem wolkenumzognen Firmamente (ES schweigt der Wind, es flieht der Stern, Der trübe Mond verbirgt sich gern >S. 128» ans das bunte Treiben herab. Die dem Stiche beigegebene Schilderung des „Blocks oder Brockerbcrges" hat Goethe nicht benutzt, auch nicht die darin zitirte Schrift des Joh, Prätorius, „Blockes-Berges Verrichtung." Hans Lisch er. Literatur. Melnjine. Trauerspiel in fünf Auszügen vou Martin Wohlrab. Leipzig, Breitkopf und Härtel, 188S. Der Verfasser hat den uralten Sagcnstoff, der auf der Anschauung beruht, daß die Götter des überwundneu Heidentums zwar an sich böse Dämonen seien, aber durch das Eingehen in menschliches Leben und Weben auch der Erlösung teilhaftig werden können, zum Gegenstande eines Trauerspieles gemacht. Das Uebermensch¬ liche oder Anßcrmenschliche, das im Wesen der Titelheldin liegt, macht sie allerdings nicht zu einer tragischen Gestalt im modernen Sinne, da ihr als einem mit der Natur im engsten Zusammenhange stehenden Wesen die wirkliche Freiheit des Willens, also die volle sittliche Verantwortlichkeit fehlt, wohl aber zu einer solchen nach antiker Auffassung, denn sie erliegt dem Schicksal, das ans ihren Existenz¬ bedingungen entspringt, ohne eigne Schuld. Um sie gruppiren sich Graf Raimund von Lusignan, ihr Gemahl, dessen Untreue sie in ihr feuchtes Reich zurückstößt, sein Bruder, Graf Sebald, und der Vater beider, endlich Pater Augustin als die Hauptfiguren, von deuen der letztere als der eigentliche Gegenspieler Melusinens am schärfsten individualisirt ist. Die Handlung schreitet in raschem Gange und klarer Motivirung ihrer Wendungen vorwärts; die Sprache ist durchweg edel gehalten, belebt durch treffende Bilder und gewürzt mit sinnigen Sentenzen. Da, wo das Außermeuschliche der Nymphenwelt in die Handlung hineinspielt, erhebt sie sich zu melodischen Bildern, während sie da, wo das volkstümliche Element, das die Dienerschaft vertritt, zur Geltung kommt, eine mehr realistische Färbung annimmt. Alles in allem wünschen wir dem Dichter, daß sein Werk die eigentliche Feuerprobe des Dramas, die Aufführung, erlebe. Eine Komposition der eingelegten Lieder ist bereits erschienen. Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig. Verlag vou Fr. Wilh. Griniow in Leipzig. - Druck vou Carl Mnrquart in Leipzig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 45, 1886, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341843_198065/104>, abgerufen am 27.06.2024.