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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal.

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Lessina, und die Farbe in der bildenden Runst.

maligen Genossen derselben eine hübsche zwanglose Einführung in die Geschichte
der Universität und zugleich ein guter Anlaß für jeden Einzelnen sei, sich
nach Maßgabe seiner Natur, seiner Studien eingehender mit Einzelheiten dieser
Geschichte zu beschäftigen, in der ein so gewaltiges Stück deutschen Kultur- und
* Geisteslebens gespiegelt ist.




Lessing und die Farbe in der bildenden Kunst.
von H. Mosler.

ekcmntlich ist Lessings "Laokoon" für die meisten unsrer Ästhe¬
tiker eine Art unangreifbaren Kanons, sobald es die Frage
der Grenzbestimmung zwischen den Einzeltunstcn gilt, obgleich
einzelne Aufstellungen seines Werkes teils angegriffen, teils un¬
widerlegbar als irrig nachgewiesen worden sind, andres Lessing
selbst einer nähern Erläuterung und Weiterbildung für bedürftig erachtet hat.
Aber es ist nicht unsre Absicht, hier auf die Bedeutung und das Verständnis
von Lessings "Laokoon" näher einzugehen; wir wollen nur einen Punkt heraus¬
greifen, den er selbst weiter zu behandeln für gut befunden hat: seine Stellung
zur Farbe in der Malerei. In den Nachträgen zum "Laokoon" kommt eine
Stelle vor, wo Lessing, nachdem er sich alles vergegenwärtigt hat, was
gegen die Farbe spreche, mit der Frage schließt: "Ja ich möchte fragen, ob
es nicht zu wünschen wäre, die Kunst mit Ölfarben zu malen möchte garnicht
erfunden sein." Abgesehen von dem seltsam Paradoxen dieser Ansicht überhaupt,
kommt Lessing hierbei in handgreiflichen Widerspruch mit sich selbst. Denn
während er sonst doch wiederholt und in den verschiedensten Wendungen den
auch uns ganz richtig scheinenden Grundsatz versieht (ja deshalb gerade zum
Teil den "Laokoon" geschrieben hat), daß jede Kunst den ihr besonders eigen¬
tümlichen Vorzug auszubilden bestrebt sein möge, ist es doch offenbare Willkür,
nun der Malerei den Vorzug nehmen zu wollen, den man bisher gewöhnt war,
als ihr ganz besondres Gebiet anzusehen. Ja der Widerspruch ist hier so hand¬
greiflich, daß man billigerweise fragen müßte: Wie konnte ein so scharfsinniger,
folgerichtiger Denker wie Lessing überhaupt dazu gelangen, ihn aufzustellen?
Da ihn die theoretische Konsequenz hier so gänzlich im Stiche läßt, so müssen
es wohl besonders gewichtige praktische Bedenken gewesen sein, die ihn dazu ver¬
anlaßten. Da ist nun, was das rein Theoretische anlangt, zu betonen, daß


Lessina, und die Farbe in der bildenden Runst.

maligen Genossen derselben eine hübsche zwanglose Einführung in die Geschichte
der Universität und zugleich ein guter Anlaß für jeden Einzelnen sei, sich
nach Maßgabe seiner Natur, seiner Studien eingehender mit Einzelheiten dieser
Geschichte zu beschäftigen, in der ein so gewaltiges Stück deutschen Kultur- und
* Geisteslebens gespiegelt ist.




Lessing und die Farbe in der bildenden Kunst.
von H. Mosler.

ekcmntlich ist Lessings „Laokoon" für die meisten unsrer Ästhe¬
tiker eine Art unangreifbaren Kanons, sobald es die Frage
der Grenzbestimmung zwischen den Einzeltunstcn gilt, obgleich
einzelne Aufstellungen seines Werkes teils angegriffen, teils un¬
widerlegbar als irrig nachgewiesen worden sind, andres Lessing
selbst einer nähern Erläuterung und Weiterbildung für bedürftig erachtet hat.
Aber es ist nicht unsre Absicht, hier auf die Bedeutung und das Verständnis
von Lessings „Laokoon" näher einzugehen; wir wollen nur einen Punkt heraus¬
greifen, den er selbst weiter zu behandeln für gut befunden hat: seine Stellung
zur Farbe in der Malerei. In den Nachträgen zum „Laokoon" kommt eine
Stelle vor, wo Lessing, nachdem er sich alles vergegenwärtigt hat, was
gegen die Farbe spreche, mit der Frage schließt: „Ja ich möchte fragen, ob
es nicht zu wünschen wäre, die Kunst mit Ölfarben zu malen möchte garnicht
erfunden sein." Abgesehen von dem seltsam Paradoxen dieser Ansicht überhaupt,
kommt Lessing hierbei in handgreiflichen Widerspruch mit sich selbst. Denn
während er sonst doch wiederholt und in den verschiedensten Wendungen den
auch uns ganz richtig scheinenden Grundsatz versieht (ja deshalb gerade zum
Teil den „Laokoon" geschrieben hat), daß jede Kunst den ihr besonders eigen¬
tümlichen Vorzug auszubilden bestrebt sein möge, ist es doch offenbare Willkür,
nun der Malerei den Vorzug nehmen zu wollen, den man bisher gewöhnt war,
als ihr ganz besondres Gebiet anzusehen. Ja der Widerspruch ist hier so hand¬
greiflich, daß man billigerweise fragen müßte: Wie konnte ein so scharfsinniger,
folgerichtiger Denker wie Lessing überhaupt dazu gelangen, ihn aufzustellen?
Da ihn die theoretische Konsequenz hier so gänzlich im Stiche läßt, so müssen
es wohl besonders gewichtige praktische Bedenken gewesen sein, die ihn dazu ver¬
anlaßten. Da ist nun, was das rein Theoretische anlangt, zu betonen, daß


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[0643] Lessina, und die Farbe in der bildenden Runst. maligen Genossen derselben eine hübsche zwanglose Einführung in die Geschichte der Universität und zugleich ein guter Anlaß für jeden Einzelnen sei, sich nach Maßgabe seiner Natur, seiner Studien eingehender mit Einzelheiten dieser Geschichte zu beschäftigen, in der ein so gewaltiges Stück deutschen Kultur- und * Geisteslebens gespiegelt ist. Lessing und die Farbe in der bildenden Kunst. von H. Mosler. ekcmntlich ist Lessings „Laokoon" für die meisten unsrer Ästhe¬ tiker eine Art unangreifbaren Kanons, sobald es die Frage der Grenzbestimmung zwischen den Einzeltunstcn gilt, obgleich einzelne Aufstellungen seines Werkes teils angegriffen, teils un¬ widerlegbar als irrig nachgewiesen worden sind, andres Lessing selbst einer nähern Erläuterung und Weiterbildung für bedürftig erachtet hat. Aber es ist nicht unsre Absicht, hier auf die Bedeutung und das Verständnis von Lessings „Laokoon" näher einzugehen; wir wollen nur einen Punkt heraus¬ greifen, den er selbst weiter zu behandeln für gut befunden hat: seine Stellung zur Farbe in der Malerei. In den Nachträgen zum „Laokoon" kommt eine Stelle vor, wo Lessing, nachdem er sich alles vergegenwärtigt hat, was gegen die Farbe spreche, mit der Frage schließt: „Ja ich möchte fragen, ob es nicht zu wünschen wäre, die Kunst mit Ölfarben zu malen möchte garnicht erfunden sein." Abgesehen von dem seltsam Paradoxen dieser Ansicht überhaupt, kommt Lessing hierbei in handgreiflichen Widerspruch mit sich selbst. Denn während er sonst doch wiederholt und in den verschiedensten Wendungen den auch uns ganz richtig scheinenden Grundsatz versieht (ja deshalb gerade zum Teil den „Laokoon" geschrieben hat), daß jede Kunst den ihr besonders eigen¬ tümlichen Vorzug auszubilden bestrebt sein möge, ist es doch offenbare Willkür, nun der Malerei den Vorzug nehmen zu wollen, den man bisher gewöhnt war, als ihr ganz besondres Gebiet anzusehen. Ja der Widerspruch ist hier so hand¬ greiflich, daß man billigerweise fragen müßte: Wie konnte ein so scharfsinniger, folgerichtiger Denker wie Lessing überhaupt dazu gelangen, ihn aufzustellen? Da ihn die theoretische Konsequenz hier so gänzlich im Stiche läßt, so müssen es wohl besonders gewichtige praktische Bedenken gewesen sein, die ihn dazu ver¬ anlaßten. Da ist nun, was das rein Theoretische anlangt, zu betonen, daß

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196733/643>, abgerufen am 15.01.2025.