Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal.Heidelberger Erinnerungen. in Hochsommer 1886 feiert die Universität Heidelberg ein Fest, Heidelberger Erinnerungen. in Hochsommer 1886 feiert die Universität Heidelberg ein Fest, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0640" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/197374"/> </div> <div n="1"> <head> Heidelberger Erinnerungen.</head><lb/> <p xml:id="ID_2195" next="#ID_2196"> in Hochsommer 1886 feiert die Universität Heidelberg ein Fest,<lb/> das unter allen deutschen Hochschulen ihr zuerst zuteil wird: die<lb/> funfhundertjährige Jubelfeier ihrer Gründung. Ein halbes Jahr¬<lb/> tausend ist verflossen, seit Ruprecht der Erste von der Pfalz in<lb/> der Stadt am Neckar die Hochschule aufgerichtet, seit Marsilius<lb/> von Ingber und Hellmann Wunnenberg, die Scholastiker, Reginald von Alvci,<lb/> der Theolog, die ersten Vorlesungen an derselben gehalten. Durch gute und<lb/> trübe Tage des deutschen Volkes, dnrch Zeiten eignen höchsten Glanzes und<lb/> tiefer Erniedrigung ist die Universität hindurchgegangen, zweimal, im Verlauf<lb/> des dreißigjährigen Krieges, welcher ihr ihre ältere weltberühmte Bibliothek<lb/> kostete, und wiederum um die Wende des achtzehnten und neunzehnten Jahr¬<lb/> hunderts, ist sie der völligen Auflösung nahe gewesen, nacheinander haben die<lb/> gegensätzlichsten geistigen Strömungen: Scholastik und Humanismus, fanatischer<lb/> Calvinismus und Jesuitismus, Nationalismus und Romantik, moderner Libera¬<lb/> lismus nud moderne Naturanschauung den stärksten, den beherrschenden Einfluß<lb/> auf sie gehabt, aber niemals seit jenem 18. Oktober 1383, an welchem sie mit<lb/> feierlicher Messe in der Heiligen-Geistkirche eröffnet worden, hat sie aufgehört,<lb/> eine Pflegstätte geistigen Lebens zu sein und taufenden die Pforten zu jeder<lb/> rühmlichen Auszeichnung zu öffnen. Das fttnfhundertjährige Jubelfest, welches<lb/> bevorsteht, hat schon einige literarische Vorläufer erhalten, unter denen die<lb/> Heidelberger Erinnerungen am Vorabend der fünften Säkularfeier der<lb/> Universität von Georg Weber (Stuttgart, I. G. Cotta) die Teilnahme<lb/> weiterer als der unmittelbar beteiligten Kreise verdienen. Freilich find diese<lb/> Kreise schon umfassend genug, denn wo in deutschen Landen säßen nicht<lb/> Hunderte von Männern in jedem Lebensalter, deren beste Erinnerungen mit<lb/> der Musenstadt am Fuße des Schloßberges, mit der einzig schönen Schlo߬<lb/> ruine verknüpft sind, welche in ernster Pracht auf das Leben von heute herab¬<lb/> schaut? Wo fände der Klang von „Alt-Heidelberg du feine" nicht seinen frohen<lb/> Wiederhall, wo weckte der bloße Name Heidelbergs nicht poetische Jugendträume?<lb/> Die Weberschen Erinnerungen, die teilweise zuvor in der wissenschaftlichen Beilage<lb/> der Münchener „Allgemeinen Zeitung" erschienen sind, beschränken sich in ihren<lb/> Anfangskapiteln auf kurze Umrisse, aus denen gleichwohl für alle diejenigen,<lb/> die mit der Geschichte der Pfalz vertrauter sind, lebendige Bilder empor¬<lb/> steigen: Friedrich der Siegreiche (der „böse Fritz") mit seiner schonen Klara<lb/> Dedem, die Kurfürsten des sechzehnten Jahrhunderts, welche die Schirmherrn des<lb/> Calvinismus waren, Ursinus und Olevianus, die Verfasser des Heidelberger</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0640]
Heidelberger Erinnerungen.
in Hochsommer 1886 feiert die Universität Heidelberg ein Fest,
das unter allen deutschen Hochschulen ihr zuerst zuteil wird: die
funfhundertjährige Jubelfeier ihrer Gründung. Ein halbes Jahr¬
tausend ist verflossen, seit Ruprecht der Erste von der Pfalz in
der Stadt am Neckar die Hochschule aufgerichtet, seit Marsilius
von Ingber und Hellmann Wunnenberg, die Scholastiker, Reginald von Alvci,
der Theolog, die ersten Vorlesungen an derselben gehalten. Durch gute und
trübe Tage des deutschen Volkes, dnrch Zeiten eignen höchsten Glanzes und
tiefer Erniedrigung ist die Universität hindurchgegangen, zweimal, im Verlauf
des dreißigjährigen Krieges, welcher ihr ihre ältere weltberühmte Bibliothek
kostete, und wiederum um die Wende des achtzehnten und neunzehnten Jahr¬
hunderts, ist sie der völligen Auflösung nahe gewesen, nacheinander haben die
gegensätzlichsten geistigen Strömungen: Scholastik und Humanismus, fanatischer
Calvinismus und Jesuitismus, Nationalismus und Romantik, moderner Libera¬
lismus nud moderne Naturanschauung den stärksten, den beherrschenden Einfluß
auf sie gehabt, aber niemals seit jenem 18. Oktober 1383, an welchem sie mit
feierlicher Messe in der Heiligen-Geistkirche eröffnet worden, hat sie aufgehört,
eine Pflegstätte geistigen Lebens zu sein und taufenden die Pforten zu jeder
rühmlichen Auszeichnung zu öffnen. Das fttnfhundertjährige Jubelfest, welches
bevorsteht, hat schon einige literarische Vorläufer erhalten, unter denen die
Heidelberger Erinnerungen am Vorabend der fünften Säkularfeier der
Universität von Georg Weber (Stuttgart, I. G. Cotta) die Teilnahme
weiterer als der unmittelbar beteiligten Kreise verdienen. Freilich find diese
Kreise schon umfassend genug, denn wo in deutschen Landen säßen nicht
Hunderte von Männern in jedem Lebensalter, deren beste Erinnerungen mit
der Musenstadt am Fuße des Schloßberges, mit der einzig schönen Schlo߬
ruine verknüpft sind, welche in ernster Pracht auf das Leben von heute herab¬
schaut? Wo fände der Klang von „Alt-Heidelberg du feine" nicht seinen frohen
Wiederhall, wo weckte der bloße Name Heidelbergs nicht poetische Jugendträume?
Die Weberschen Erinnerungen, die teilweise zuvor in der wissenschaftlichen Beilage
der Münchener „Allgemeinen Zeitung" erschienen sind, beschränken sich in ihren
Anfangskapiteln auf kurze Umrisse, aus denen gleichwohl für alle diejenigen,
die mit der Geschichte der Pfalz vertrauter sind, lebendige Bilder empor¬
steigen: Friedrich der Siegreiche (der „böse Fritz") mit seiner schonen Klara
Dedem, die Kurfürsten des sechzehnten Jahrhunderts, welche die Schirmherrn des
Calvinismus waren, Ursinus und Olevianus, die Verfasser des Heidelberger
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