Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Notizen.

ein dem durch die Thätigkeit aller Erzielten ist; so wird der Fleißige viel, der
Faule wenig erhalten, und bald wird es überhaupt keinen Faule" mehr gebe".

Vortrefflich! Aber die Buchführung!

Was schreckt Sie dabei? Das bleibt genau so wie jetzt. Meinen Sie, das;
uicht auch jetzt der Landwirt, der Fabrikant n. s. w. ganz gena" anschreibt,
wieviel Stunde" jeder ihrer Arbeiter arbeitet?

Nur mit einem Unterschiede, lieber Herr. Sie können doch unmöglich das
Operukompouiren und das Schuhflickc" auf eine Stufe stellen und gleichmäßig
belohnen. Das giebt also eine Berechnung mit Points, hundertmal komplizirter
als beim Fähndrichsexamen.

Sie irren vollständig. Alle Arbeit ist durchaus gleichwertig. Hilft auch
das Schuhflicken einem dringender" Bedürfnis ab als das Operukomponiren,
so dürfe" Sie es deshalb doch nicht höher im Werte taxiren; noch viel weniger
umgekehrt. Sie können sich nur "och nicht von der Anschauung losmachen, die
materielle Arbeit, welche jetzt den niedern Volksklassen obliegt, sei weniger
wertvoll als die feinere geistige der höhern Klassen. Das füllt schon dadurch
über den Hausen, daß es keine höhern und niedern Klassen mehr geben und
daß niemand mehr das Privilegium habe" würde, sein Leben in vornehmem
Nichtsthu" hinzulottcrn. Und nun sagen Sie selbst, Herr Baron, wird das
uicht ein weit vollkommnerer n"d weit würdigerer Zustand sein als der jetzige,
wo eine geringe Anzahl obenstebender alle Freuden der Erde genießt und
den untern eine Existenz bleibt, die weit schlimmer ist als die des Viehes, weil
voll bewußten Elendes? Sie glauben an Gott -- kann es der Wille Gottes
sei", daß dasjenige daure, was jetzt ist? Nein! es kaun nicht dauern, es
darf uicht dauern und es wird uicht dauern, so wahr die Sonne am Himmel
steht; und wenn es Ihnen in Wahrheit Ernst ist um Gerechtigkeit und
Menschenliebe, so müssen auch Sie Ihre ganze Kraft dafür einsetze", daß es
anders werde. (Schluß folgt.)




Notizen.

Zum hundertjährigen Jubiläum einer deutschen Zeitung.Die
Entstehung und Entwicklung des Zeitungswesens harrt noch ihres besondern Ge¬
schichtschreibers. Was bisher vorliegt, ist nach mangelhaft und dürftig, und die
Lücken der Forschung sind nicht selten durch die Phantasien des Schriftstellers aus¬
gefüllt worden. Die Geschichte des deutschen Journalismus von Prutz (1845) ist weder



*) Geschichte des Schwäbischen Merkurs 1785--1835 bon Dr. Otto Elben.
Stuttgart 1385, Verlag und Druck des Schwäbischen Merkurs, für den Buächnudel bei P. Reff.
Grenzboten IV. 1385. 77
Notizen.

ein dem durch die Thätigkeit aller Erzielten ist; so wird der Fleißige viel, der
Faule wenig erhalten, und bald wird es überhaupt keinen Faule» mehr gebe».

Vortrefflich! Aber die Buchführung!

Was schreckt Sie dabei? Das bleibt genau so wie jetzt. Meinen Sie, das;
uicht auch jetzt der Landwirt, der Fabrikant n. s. w. ganz gena» anschreibt,
wieviel Stunde» jeder ihrer Arbeiter arbeitet?

Nur mit einem Unterschiede, lieber Herr. Sie können doch unmöglich das
Operukompouiren und das Schuhflickc» auf eine Stufe stellen und gleichmäßig
belohnen. Das giebt also eine Berechnung mit Points, hundertmal komplizirter
als beim Fähndrichsexamen.

Sie irren vollständig. Alle Arbeit ist durchaus gleichwertig. Hilft auch
das Schuhflicken einem dringender» Bedürfnis ab als das Operukomponiren,
so dürfe» Sie es deshalb doch nicht höher im Werte taxiren; noch viel weniger
umgekehrt. Sie können sich nur «och nicht von der Anschauung losmachen, die
materielle Arbeit, welche jetzt den niedern Volksklassen obliegt, sei weniger
wertvoll als die feinere geistige der höhern Klassen. Das füllt schon dadurch
über den Hausen, daß es keine höhern und niedern Klassen mehr geben und
daß niemand mehr das Privilegium habe» würde, sein Leben in vornehmem
Nichtsthu» hinzulottcrn. Und nun sagen Sie selbst, Herr Baron, wird das
uicht ein weit vollkommnerer n»d weit würdigerer Zustand sein als der jetzige,
wo eine geringe Anzahl obenstebender alle Freuden der Erde genießt und
den untern eine Existenz bleibt, die weit schlimmer ist als die des Viehes, weil
voll bewußten Elendes? Sie glauben an Gott — kann es der Wille Gottes
sei», daß dasjenige daure, was jetzt ist? Nein! es kaun nicht dauern, es
darf uicht dauern und es wird uicht dauern, so wahr die Sonne am Himmel
steht; und wenn es Ihnen in Wahrheit Ernst ist um Gerechtigkeit und
Menschenliebe, so müssen auch Sie Ihre ganze Kraft dafür einsetze», daß es
anders werde. (Schluß folgt.)




Notizen.

Zum hundertjährigen Jubiläum einer deutschen Zeitung.Die
Entstehung und Entwicklung des Zeitungswesens harrt noch ihres besondern Ge¬
schichtschreibers. Was bisher vorliegt, ist nach mangelhaft und dürftig, und die
Lücken der Forschung sind nicht selten durch die Phantasien des Schriftstellers aus¬
gefüllt worden. Die Geschichte des deutschen Journalismus von Prutz (1845) ist weder



*) Geschichte des Schwäbischen Merkurs 1785—1835 bon Dr. Otto Elben.
Stuttgart 1385, Verlag und Druck des Schwäbischen Merkurs, für den Buächnudel bei P. Reff.
Grenzboten IV. 1385. 77
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0617" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/197351"/>
          <fw type="header" place="top"> Notizen.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_2132" prev="#ID_2131"> ein dem durch die Thätigkeit aller Erzielten ist; so wird der Fleißige viel, der<lb/>
Faule wenig erhalten, und bald wird es überhaupt keinen Faule» mehr gebe».</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2133"> Vortrefflich!  Aber die Buchführung!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2134"> Was schreckt Sie dabei? Das bleibt genau so wie jetzt. Meinen Sie, das;<lb/>
uicht auch jetzt der Landwirt, der Fabrikant n. s. w. ganz gena» anschreibt,<lb/>
wieviel Stunde» jeder ihrer Arbeiter arbeitet?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2135"> Nur mit einem Unterschiede, lieber Herr. Sie können doch unmöglich das<lb/>
Operukompouiren und das Schuhflickc» auf eine Stufe stellen und gleichmäßig<lb/>
belohnen. Das giebt also eine Berechnung mit Points, hundertmal komplizirter<lb/>
als beim Fähndrichsexamen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2136"> Sie irren vollständig. Alle Arbeit ist durchaus gleichwertig. Hilft auch<lb/>
das Schuhflicken einem dringender» Bedürfnis ab als das Operukomponiren,<lb/>
so dürfe» Sie es deshalb doch nicht höher im Werte taxiren; noch viel weniger<lb/>
umgekehrt. Sie können sich nur «och nicht von der Anschauung losmachen, die<lb/>
materielle Arbeit, welche jetzt den niedern Volksklassen obliegt, sei weniger<lb/>
wertvoll als die feinere geistige der höhern Klassen. Das füllt schon dadurch<lb/>
über den Hausen, daß es keine höhern und niedern Klassen mehr geben und<lb/>
daß niemand mehr das Privilegium habe» würde, sein Leben in vornehmem<lb/>
Nichtsthu» hinzulottcrn. Und nun sagen Sie selbst, Herr Baron, wird das<lb/>
uicht ein weit vollkommnerer n»d weit würdigerer Zustand sein als der jetzige,<lb/>
wo eine geringe Anzahl obenstebender alle Freuden der Erde genießt und<lb/>
den untern eine Existenz bleibt, die weit schlimmer ist als die des Viehes, weil<lb/>
voll bewußten Elendes? Sie glauben an Gott &#x2014; kann es der Wille Gottes<lb/>
sei», daß dasjenige daure, was jetzt ist? Nein! es kaun nicht dauern, es<lb/>
darf uicht dauern und es wird uicht dauern, so wahr die Sonne am Himmel<lb/>
steht; und wenn es Ihnen in Wahrheit Ernst ist um Gerechtigkeit und<lb/>
Menschenliebe, so müssen auch Sie Ihre ganze Kraft dafür einsetze», daß es<lb/>
anders werde. (Schluß folgt.)</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Notizen.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_2137" next="#ID_2138"> Zum hundertjährigen Jubiläum einer deutschen Zeitung.Die<lb/>
Entstehung und Entwicklung des Zeitungswesens harrt noch ihres besondern Ge¬<lb/>
schichtschreibers. Was bisher vorliegt, ist nach mangelhaft und dürftig, und die<lb/>
Lücken der Forschung sind nicht selten durch die Phantasien des Schriftstellers aus¬<lb/>
gefüllt worden. Die Geschichte des deutschen Journalismus von Prutz (1845) ist weder</p><lb/>
          <note xml:id="FID_55" place="foot"> *) Geschichte des Schwäbischen Merkurs 1785&#x2014;1835 bon Dr. Otto Elben.<lb/>
Stuttgart 1385, Verlag und Druck des Schwäbischen Merkurs, für den Buächnudel bei P. Reff.</note><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten IV. 1385. 77</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0617] Notizen. ein dem durch die Thätigkeit aller Erzielten ist; so wird der Fleißige viel, der Faule wenig erhalten, und bald wird es überhaupt keinen Faule» mehr gebe». Vortrefflich! Aber die Buchführung! Was schreckt Sie dabei? Das bleibt genau so wie jetzt. Meinen Sie, das; uicht auch jetzt der Landwirt, der Fabrikant n. s. w. ganz gena» anschreibt, wieviel Stunde» jeder ihrer Arbeiter arbeitet? Nur mit einem Unterschiede, lieber Herr. Sie können doch unmöglich das Operukompouiren und das Schuhflickc» auf eine Stufe stellen und gleichmäßig belohnen. Das giebt also eine Berechnung mit Points, hundertmal komplizirter als beim Fähndrichsexamen. Sie irren vollständig. Alle Arbeit ist durchaus gleichwertig. Hilft auch das Schuhflicken einem dringender» Bedürfnis ab als das Operukomponiren, so dürfe» Sie es deshalb doch nicht höher im Werte taxiren; noch viel weniger umgekehrt. Sie können sich nur «och nicht von der Anschauung losmachen, die materielle Arbeit, welche jetzt den niedern Volksklassen obliegt, sei weniger wertvoll als die feinere geistige der höhern Klassen. Das füllt schon dadurch über den Hausen, daß es keine höhern und niedern Klassen mehr geben und daß niemand mehr das Privilegium habe» würde, sein Leben in vornehmem Nichtsthu» hinzulottcrn. Und nun sagen Sie selbst, Herr Baron, wird das uicht ein weit vollkommnerer n»d weit würdigerer Zustand sein als der jetzige, wo eine geringe Anzahl obenstebender alle Freuden der Erde genießt und den untern eine Existenz bleibt, die weit schlimmer ist als die des Viehes, weil voll bewußten Elendes? Sie glauben an Gott — kann es der Wille Gottes sei», daß dasjenige daure, was jetzt ist? Nein! es kaun nicht dauern, es darf uicht dauern und es wird uicht dauern, so wahr die Sonne am Himmel steht; und wenn es Ihnen in Wahrheit Ernst ist um Gerechtigkeit und Menschenliebe, so müssen auch Sie Ihre ganze Kraft dafür einsetze», daß es anders werde. (Schluß folgt.) Notizen. Zum hundertjährigen Jubiläum einer deutschen Zeitung.Die Entstehung und Entwicklung des Zeitungswesens harrt noch ihres besondern Ge¬ schichtschreibers. Was bisher vorliegt, ist nach mangelhaft und dürftig, und die Lücken der Forschung sind nicht selten durch die Phantasien des Schriftstellers aus¬ gefüllt worden. Die Geschichte des deutschen Journalismus von Prutz (1845) ist weder *) Geschichte des Schwäbischen Merkurs 1785—1835 bon Dr. Otto Elben. Stuttgart 1385, Verlag und Druck des Schwäbischen Merkurs, für den Buächnudel bei P. Reff. Grenzboten IV. 1385. 77

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196733
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196733/617
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196733/617>, abgerufen am 15.01.2025.