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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal.

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Virina und die Birmanen.

er Krieg der Engländer gegen den König Thibau und den Rest
des alten Birmauenreiches hat nunmehr seinen Anfang genommen,
indem die ersten britischen Truppen nach der Grenze abgegangen
sind. Der König gab znncichst auf das Ultimatum des Vize¬
königs von Indien eine Antwort, die am 7. oder 8. November
in Rangun eintraf und von dem dortigen englischen Oberkommissar unbe¬
friedigend befunden wurde. Es war ein sehr umfangreiches Schriftstück, welches
die von England gestellten Forderungen wegen Genugthuung in Betreff des
Verfahrens gegen die englische Holzhändlergesellschaft und ebenso das Verlangen,
künftig die auswärtigen Beziehungen des Hofes von Mandalay durch einen
britischen Residenten überwachen zu lassen, ablehnte. In Bezug auf die An¬
gelegenheit der Bombay- und Birma-Korporation und des gegen dieselbe er¬
lassenen Dekrets erklärte der König, wenn diese Gesellschaft (die den Handel
mit Teakholz betreibt) eine "dcmutsvolle Bittschrift" bei ihm einreichte, so
werde er ihre Wünsche in Erwägung ziehen, da er ausländische Handelsleute
aufzumuntern gedenke, und so bedürfe es in dieser Frage keiner weiter" Ver¬
handlungen. Auf die fernere Forderung der Engländer, daß ein britischer Re¬
sident nach Mandalay gesandt werden dürfe, der mit einer Schutzwache umgeben
sein und das Recht haben solle, beim Könige ohne demütigende Förmlichkeiten
Zutritt zu verlangen, wurde erwiedert, der vorige Resident sei aus freiem An¬
triebe ans Mandalay fortgegangen und seitdem nicht ersetzt worden. England
sei willkommen, wenn es dort einen Gesandten unter den frühern Bedingungen
anstellen wolle. Was aber das Verlangen betreffe, eine Oberaufsicht über die
auswärtigen Angelegenheiten Birmas auszuüben, so sei letzteres ein unabhängiges
Reich, das seine Beziehungen, zu fremden Staaten nach eignem Belieben regete,
und der König sei nicht willens, dieselben der Kontrole des Vizekönigs von
Indien zu überlassen, ohne vorher andre befreundete Regierungen wie die von
Frankreich, Deutschland und Italien um ihre Meinung befragt zu haben.
Endlich beantwortete der König das Verlangen Dnfferins, den Handel nach
Oberbirmci und China geschützt zu scheu, mit dem Hinweise darauf, daß er
diesem Verkehre stets seine Gunst zugewendet habe, und daß Handeltreibende,
welche mehr Schutz wünschten, deshalb nur bei ihm einzukommen hätten. Die
Berechtigung aller dieser Erklärungen des Königs kann nicht zweifelhaft sein.
Aber den Engländern gefielen sie nicht: sie wollen eben kein unabhängiges
Birma neben dem ihrigen mehr haben, und sie wollen keinen solchen Staat, der
mit Frankreich in freundschaftlichen Beziehungen steht, das in Hinterindien ihr


Ärenzboten IV. 188S. 4S
Virina und die Birmanen.

er Krieg der Engländer gegen den König Thibau und den Rest
des alten Birmauenreiches hat nunmehr seinen Anfang genommen,
indem die ersten britischen Truppen nach der Grenze abgegangen
sind. Der König gab znncichst auf das Ultimatum des Vize¬
königs von Indien eine Antwort, die am 7. oder 8. November
in Rangun eintraf und von dem dortigen englischen Oberkommissar unbe¬
friedigend befunden wurde. Es war ein sehr umfangreiches Schriftstück, welches
die von England gestellten Forderungen wegen Genugthuung in Betreff des
Verfahrens gegen die englische Holzhändlergesellschaft und ebenso das Verlangen,
künftig die auswärtigen Beziehungen des Hofes von Mandalay durch einen
britischen Residenten überwachen zu lassen, ablehnte. In Bezug auf die An¬
gelegenheit der Bombay- und Birma-Korporation und des gegen dieselbe er¬
lassenen Dekrets erklärte der König, wenn diese Gesellschaft (die den Handel
mit Teakholz betreibt) eine „dcmutsvolle Bittschrift" bei ihm einreichte, so
werde er ihre Wünsche in Erwägung ziehen, da er ausländische Handelsleute
aufzumuntern gedenke, und so bedürfe es in dieser Frage keiner weiter» Ver¬
handlungen. Auf die fernere Forderung der Engländer, daß ein britischer Re¬
sident nach Mandalay gesandt werden dürfe, der mit einer Schutzwache umgeben
sein und das Recht haben solle, beim Könige ohne demütigende Förmlichkeiten
Zutritt zu verlangen, wurde erwiedert, der vorige Resident sei aus freiem An¬
triebe ans Mandalay fortgegangen und seitdem nicht ersetzt worden. England
sei willkommen, wenn es dort einen Gesandten unter den frühern Bedingungen
anstellen wolle. Was aber das Verlangen betreffe, eine Oberaufsicht über die
auswärtigen Angelegenheiten Birmas auszuüben, so sei letzteres ein unabhängiges
Reich, das seine Beziehungen, zu fremden Staaten nach eignem Belieben regete,
und der König sei nicht willens, dieselben der Kontrole des Vizekönigs von
Indien zu überlassen, ohne vorher andre befreundete Regierungen wie die von
Frankreich, Deutschland und Italien um ihre Meinung befragt zu haben.
Endlich beantwortete der König das Verlangen Dnfferins, den Handel nach
Oberbirmci und China geschützt zu scheu, mit dem Hinweise darauf, daß er
diesem Verkehre stets seine Gunst zugewendet habe, und daß Handeltreibende,
welche mehr Schutz wünschten, deshalb nur bei ihm einzukommen hätten. Die
Berechtigung aller dieser Erklärungen des Königs kann nicht zweifelhaft sein.
Aber den Engländern gefielen sie nicht: sie wollen eben kein unabhängiges
Birma neben dem ihrigen mehr haben, und sie wollen keinen solchen Staat, der
mit Frankreich in freundschaftlichen Beziehungen steht, das in Hinterindien ihr


Ärenzboten IV. 188S. 4S
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[0393] Virina und die Birmanen. er Krieg der Engländer gegen den König Thibau und den Rest des alten Birmauenreiches hat nunmehr seinen Anfang genommen, indem die ersten britischen Truppen nach der Grenze abgegangen sind. Der König gab znncichst auf das Ultimatum des Vize¬ königs von Indien eine Antwort, die am 7. oder 8. November in Rangun eintraf und von dem dortigen englischen Oberkommissar unbe¬ friedigend befunden wurde. Es war ein sehr umfangreiches Schriftstück, welches die von England gestellten Forderungen wegen Genugthuung in Betreff des Verfahrens gegen die englische Holzhändlergesellschaft und ebenso das Verlangen, künftig die auswärtigen Beziehungen des Hofes von Mandalay durch einen britischen Residenten überwachen zu lassen, ablehnte. In Bezug auf die An¬ gelegenheit der Bombay- und Birma-Korporation und des gegen dieselbe er¬ lassenen Dekrets erklärte der König, wenn diese Gesellschaft (die den Handel mit Teakholz betreibt) eine „dcmutsvolle Bittschrift" bei ihm einreichte, so werde er ihre Wünsche in Erwägung ziehen, da er ausländische Handelsleute aufzumuntern gedenke, und so bedürfe es in dieser Frage keiner weiter» Ver¬ handlungen. Auf die fernere Forderung der Engländer, daß ein britischer Re¬ sident nach Mandalay gesandt werden dürfe, der mit einer Schutzwache umgeben sein und das Recht haben solle, beim Könige ohne demütigende Förmlichkeiten Zutritt zu verlangen, wurde erwiedert, der vorige Resident sei aus freiem An¬ triebe ans Mandalay fortgegangen und seitdem nicht ersetzt worden. England sei willkommen, wenn es dort einen Gesandten unter den frühern Bedingungen anstellen wolle. Was aber das Verlangen betreffe, eine Oberaufsicht über die auswärtigen Angelegenheiten Birmas auszuüben, so sei letzteres ein unabhängiges Reich, das seine Beziehungen, zu fremden Staaten nach eignem Belieben regete, und der König sei nicht willens, dieselben der Kontrole des Vizekönigs von Indien zu überlassen, ohne vorher andre befreundete Regierungen wie die von Frankreich, Deutschland und Italien um ihre Meinung befragt zu haben. Endlich beantwortete der König das Verlangen Dnfferins, den Handel nach Oberbirmci und China geschützt zu scheu, mit dem Hinweise darauf, daß er diesem Verkehre stets seine Gunst zugewendet habe, und daß Handeltreibende, welche mehr Schutz wünschten, deshalb nur bei ihm einzukommen hätten. Die Berechtigung aller dieser Erklärungen des Königs kann nicht zweifelhaft sein. Aber den Engländern gefielen sie nicht: sie wollen eben kein unabhängiges Birma neben dem ihrigen mehr haben, und sie wollen keinen solchen Staat, der mit Frankreich in freundschaftlichen Beziehungen steht, das in Hinterindien ihr Ärenzboten IV. 188S. 4S

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_196733/393>, abgerufen am 15.01.2025.