Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Drittes Quartal.Lin politischer Dichter und Zeitungsschreiber des achtzehnten Jahrhunderts. Allstoß, es geht einmal nicht anders, und so findet man sich leicht darein. Nicht Viele Eichsfelder üben auch das Gewerbe der Wollkrätzer aus, eine Er¬ Trotz solchen Wanderlebens hält der Eichsfclder mit bewunderungswerter Ein politischer Dichter und Zeitungsschreiber des achtzehnten Jahrhunderts. in Schlüsse des zehnten Buches von "Dichtung und Wahrheit" Lin politischer Dichter und Zeitungsschreiber des achtzehnten Jahrhunderts. Allstoß, es geht einmal nicht anders, und so findet man sich leicht darein. Nicht Viele Eichsfelder üben auch das Gewerbe der Wollkrätzer aus, eine Er¬ Trotz solchen Wanderlebens hält der Eichsfclder mit bewunderungswerter Ein politischer Dichter und Zeitungsschreiber des achtzehnten Jahrhunderts. in Schlüsse des zehnten Buches von „Dichtung und Wahrheit" <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0270" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/196370"/> <fw type="header" place="top"> Lin politischer Dichter und Zeitungsschreiber des achtzehnten Jahrhunderts.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1082" prev="#ID_1081"> Allstoß, es geht einmal nicht anders, und so findet man sich leicht darein. Nicht<lb/> selten greifen übrigens auch Weiber und Mädchen zu diesem lustigen Handwerk<lb/> und ziehen als fahrende Harfenistinnen im Lande umher.</p><lb/> <p xml:id="ID_1083"> Viele Eichsfelder üben auch das Gewerbe der Wollkrätzer aus, eine Er¬<lb/> werbsquelle, die jedoch seit Jahren mehr und mehr versiegt. Seit die Haus¬<lb/> industrie dem Großbetriebe das Feld hat räumen müssen, ist diesem Erwerbe<lb/> der Boden entzogen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1084"> Trotz solchen Wanderlebens hält der Eichsfclder mit bewunderungswerter<lb/> Zähigkeit an seinen heimischen Sitten, Lebensgewohnheiten und Trachten fest.<lb/> Die Tracht der Mädchen und Frauen ist, während fast allerwärts unsre nivel-<lb/> lirende Zeit Gleichförmigkeit eingeführt hat, seit alten Zeiten unverändert ge¬<lb/> blieben. Die Mädchen tragen kurze und wenig über die Kniee reichende Röcke,<lb/> am liebsten in möglichst bunten, schreienden Farben, um die Brust ein buntes<lb/> Tuch geschlagen. Unverheiratete Mädchen tragen keinen Kopfputz, dagegen ist<lb/> die spitze Haube mit hinten herabhängenden langen Bändern das untrügliche<lb/> Zeichen der Frauenwürde. Ein weiter Mantel von bedruckten Kattun vervoll¬<lb/> ständigt diese, wenn auch nicht besonders schöne, so doch typische Tracht der<lb/> Eichsfeldcrin. Fast untrennbar von ihr ist der Tragkorb, der auf dem Rücken<lb/> hängt. Nie wird sie anders als in diesem Korbe Lasten befördern, nie sieht man<lb/> sie eine Bürde am Arm oder auf dem Kopfe trage».</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Ein politischer Dichter und Zeitungsschreiber<lb/> des achtzehnten Jahrhunderts.</head><lb/> <p xml:id="ID_1085" next="#ID_1086"> in Schlüsse des zehnten Buches von „Dichtung und Wahrheit"<lb/> erzählt Goethe launig, daß der so einsichtige als geistreiche Doktor<lb/> Gall nach seiner Schädellehre beteuerte, „ich sei eigentlich zum<lb/> Volksredner geboren. Über diese Eröffnung erschrak ich nicht<lb/> wenig; denn hätte sie wirklich Grund, so wäre, da sich bei meiner<lb/> Nation nichts zu reden fand, alles übrige, was ich vornehmen konnte, leider<lb/> ein verfehlter Beruf gewesen." Nichts zu reden fand? Nun Gegenstände, welche<lb/> dem Volksredner zu Bethätigung seiner Gabe hätten anreizen können, wären wie<lb/> immer und überall so auch im Deutschland des achtzehnten Jahrhunderts nur<lb/> in allzureicher Fülle vorhanden gewesen; allein wo gab es damals in Deutsch¬<lb/> land außerhalb der Kanzeln einen Ort, von dem aus ein volkstümliches Redner-<lb/> talent die Nation anregen, in gutem oder schlimmem Sinne auf sie hätte ein-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0270]
Lin politischer Dichter und Zeitungsschreiber des achtzehnten Jahrhunderts.
Allstoß, es geht einmal nicht anders, und so findet man sich leicht darein. Nicht
selten greifen übrigens auch Weiber und Mädchen zu diesem lustigen Handwerk
und ziehen als fahrende Harfenistinnen im Lande umher.
Viele Eichsfelder üben auch das Gewerbe der Wollkrätzer aus, eine Er¬
werbsquelle, die jedoch seit Jahren mehr und mehr versiegt. Seit die Haus¬
industrie dem Großbetriebe das Feld hat räumen müssen, ist diesem Erwerbe
der Boden entzogen.
Trotz solchen Wanderlebens hält der Eichsfclder mit bewunderungswerter
Zähigkeit an seinen heimischen Sitten, Lebensgewohnheiten und Trachten fest.
Die Tracht der Mädchen und Frauen ist, während fast allerwärts unsre nivel-
lirende Zeit Gleichförmigkeit eingeführt hat, seit alten Zeiten unverändert ge¬
blieben. Die Mädchen tragen kurze und wenig über die Kniee reichende Röcke,
am liebsten in möglichst bunten, schreienden Farben, um die Brust ein buntes
Tuch geschlagen. Unverheiratete Mädchen tragen keinen Kopfputz, dagegen ist
die spitze Haube mit hinten herabhängenden langen Bändern das untrügliche
Zeichen der Frauenwürde. Ein weiter Mantel von bedruckten Kattun vervoll¬
ständigt diese, wenn auch nicht besonders schöne, so doch typische Tracht der
Eichsfeldcrin. Fast untrennbar von ihr ist der Tragkorb, der auf dem Rücken
hängt. Nie wird sie anders als in diesem Korbe Lasten befördern, nie sieht man
sie eine Bürde am Arm oder auf dem Kopfe trage».
Ein politischer Dichter und Zeitungsschreiber
des achtzehnten Jahrhunderts.
in Schlüsse des zehnten Buches von „Dichtung und Wahrheit"
erzählt Goethe launig, daß der so einsichtige als geistreiche Doktor
Gall nach seiner Schädellehre beteuerte, „ich sei eigentlich zum
Volksredner geboren. Über diese Eröffnung erschrak ich nicht
wenig; denn hätte sie wirklich Grund, so wäre, da sich bei meiner
Nation nichts zu reden fand, alles übrige, was ich vornehmen konnte, leider
ein verfehlter Beruf gewesen." Nichts zu reden fand? Nun Gegenstände, welche
dem Volksredner zu Bethätigung seiner Gabe hätten anreizen können, wären wie
immer und überall so auch im Deutschland des achtzehnten Jahrhunderts nur
in allzureicher Fülle vorhanden gewesen; allein wo gab es damals in Deutsch¬
land außerhalb der Kanzeln einen Ort, von dem aus ein volkstümliches Redner-
talent die Nation anregen, in gutem oder schlimmem Sinne auf sie hätte ein-
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