Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.Line neue Schiller-Biographie. in der Stadt einkehrte, fand er den Bestand seines Werkes gesichert und konnte Wilhelm Brandes. Eine neue Schiller-Biographie. is jüngst am Sarge Viktor Hugos mit Emphase das große Wort ttirenzlwten II. I8L5. 85
Line neue Schiller-Biographie. in der Stadt einkehrte, fand er den Bestand seines Werkes gesichert und konnte Wilhelm Brandes. Eine neue Schiller-Biographie. is jüngst am Sarge Viktor Hugos mit Emphase das große Wort ttirenzlwten II. I8L5. 85
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0678" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/196067"/> <fw type="header" place="top"> Line neue Schiller-Biographie.</fw><lb/> <p xml:id="ID_2487" prev="#ID_2486"> in der Stadt einkehrte, fand er den Bestand seines Werkes gesichert und konnte<lb/> getrost heimziehen nach Wittenberg.</p><lb/> <note type="byline"> Wilhelm Brandes.</note><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Eine neue Schiller-Biographie.</head><lb/> <p xml:id="ID_2488" next="#ID_2489"> is jüngst am Sarge Viktor Hugos mit Emphase das große Wort<lb/> ausgesprochen wurde, Hugo sei der Geisterbeherrscher des neun¬<lb/> zehnten Jahrhunderts wie Voltaire der des achtzehnten Jahr-<lb/> hunderts gewesen, so konnte diese Tirade in Deutschland mir<lb/> spöttisches Lächeln und gutherziges Lachen hervorrufen. Über<lb/> die Unrichtigkeit des Ausspruchs braucht mau ja keine Worte weiter zu verlieren.<lb/> Allem zu uicht ganz unfruchtbarem Nachdenken dürfte uns jene Prahlerei doch<lb/> den Anlaß bieten. Die unendliche Mannichfaltigkeit, welche die Beziehungen des<lb/> europäischen Völkerlebens während eines Jahrhunderts auf allen Gebieten auf-<lb/> weisen, läßt sich niemals völlig entsprechend unter die Bcmnformcl eines Namens<lb/> bringen. Will man dies aber doch thun, so erscheinen Friedrich der Große, Vol¬<lb/> taire und Rousseau als die gewaltigsten Vertreter des achtzehnten, Goethe und<lb/> Bismarck als die Repräsentanten des neunzehnten Jahrhunderts. Im achtzehnten<lb/> Jahrhundert aber sehen wir den preußischen König dem Genius der französischen<lb/> Literatur, die sich in Voltaire verkörpert hat, seine Huldigung darbringen; Vol¬<lb/> taires Stellung und Wirken erscheint dem jungen Dichter und Literaten Lessing<lb/> als erstrebenswertes Ziel, des Schweißes der Edeln wert. Voltaire und Rousseau,<lb/> der Prophet der Revolution, werden in Frankreich, Deutschland, Italien, wie<lb/> überhaupt überall als die geistigen Führer anerkannt. Die Einsicht, daß es<lb/> sich bei dem Kampfe des Hamburger Dramaturgen um weit mehr handle als<lb/> um eine ästhetische Frage über Form und Aufgabe der Tragödie, haben von<lb/> den Zeitgenossen doch mir sehr wenige gewonnen. Als Voltaire starb, ließ<lb/> allerdings ein Mitglied des um Goethe geschaarten jugendlichen Kreises, Heinrich<lb/> Leopold Wagner, einen Protest gegen die erneute Proklamiruug der Herrschaft<lb/> Voltaires ausgehen in seinem nicht eben geistreichen Pamphlet „Voltaire am<lb/> Abend seiner Apotheose" (Frankfurt. 1778). Doch auch dieser Protest konnte<lb/> ja die unleugbare Thatsache von Voltaires Herrschaft nicht ändern, allzuwenig<lb/> des Positiven, der eignen Leistungen konnten wir dem literarischen Freunde<lb/> Friedrichs des Zweiten und seinen unsterblichen Leistungen entgegenstellen. Noch</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> ttirenzlwten II. I8L5. 85</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0678]
Line neue Schiller-Biographie.
in der Stadt einkehrte, fand er den Bestand seines Werkes gesichert und konnte
getrost heimziehen nach Wittenberg.
Wilhelm Brandes.
Eine neue Schiller-Biographie.
is jüngst am Sarge Viktor Hugos mit Emphase das große Wort
ausgesprochen wurde, Hugo sei der Geisterbeherrscher des neun¬
zehnten Jahrhunderts wie Voltaire der des achtzehnten Jahr-
hunderts gewesen, so konnte diese Tirade in Deutschland mir
spöttisches Lächeln und gutherziges Lachen hervorrufen. Über
die Unrichtigkeit des Ausspruchs braucht mau ja keine Worte weiter zu verlieren.
Allem zu uicht ganz unfruchtbarem Nachdenken dürfte uns jene Prahlerei doch
den Anlaß bieten. Die unendliche Mannichfaltigkeit, welche die Beziehungen des
europäischen Völkerlebens während eines Jahrhunderts auf allen Gebieten auf-
weisen, läßt sich niemals völlig entsprechend unter die Bcmnformcl eines Namens
bringen. Will man dies aber doch thun, so erscheinen Friedrich der Große, Vol¬
taire und Rousseau als die gewaltigsten Vertreter des achtzehnten, Goethe und
Bismarck als die Repräsentanten des neunzehnten Jahrhunderts. Im achtzehnten
Jahrhundert aber sehen wir den preußischen König dem Genius der französischen
Literatur, die sich in Voltaire verkörpert hat, seine Huldigung darbringen; Vol¬
taires Stellung und Wirken erscheint dem jungen Dichter und Literaten Lessing
als erstrebenswertes Ziel, des Schweißes der Edeln wert. Voltaire und Rousseau,
der Prophet der Revolution, werden in Frankreich, Deutschland, Italien, wie
überhaupt überall als die geistigen Führer anerkannt. Die Einsicht, daß es
sich bei dem Kampfe des Hamburger Dramaturgen um weit mehr handle als
um eine ästhetische Frage über Form und Aufgabe der Tragödie, haben von
den Zeitgenossen doch mir sehr wenige gewonnen. Als Voltaire starb, ließ
allerdings ein Mitglied des um Goethe geschaarten jugendlichen Kreises, Heinrich
Leopold Wagner, einen Protest gegen die erneute Proklamiruug der Herrschaft
Voltaires ausgehen in seinem nicht eben geistreichen Pamphlet „Voltaire am
Abend seiner Apotheose" (Frankfurt. 1778). Doch auch dieser Protest konnte
ja die unleugbare Thatsache von Voltaires Herrschaft nicht ändern, allzuwenig
des Positiven, der eignen Leistungen konnten wir dem literarischen Freunde
Friedrichs des Zweiten und seinen unsterblichen Leistungen entgegenstellen. Noch
ttirenzlwten II. I8L5. 85
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