Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite


Das heimische Recht
in seinen Beziehungen zum internationalen Verkehr.

n diesen Tagen sind es fünfundzwanzig Jahre, seit von der Ber¬
liner Juristischen Gesellschaft der deutsche Juristentag ins Leben
gerufen wurde. Die größte That des ehemaligen deutschen
Bundestages, die Schaffung eines einheitlichen Handelsgesetzbuchs,
war schon damals soweit gediehen, daß ein günstiges Ergebnis
der Beratungen erwartet werden konnte, und hatte die in den Gemütern schlum¬
mernde Sehnsucht nach einem einheitlichen Rechtsbande neu geweckt. Der Re¬
gierungsantritt des Prinz-Regenten in Preußen ließ neue Hoffnungen für die
in den Sumpf geratene deutsche Frage erstehen. Die Idee fand Anklang in dem
eigentlichen Deutschland wie in Österreich, und fünfundzwanzig Jahre lang fanden
fast alljährlich Versammlungen deutscher und österreichischer Juristen statt, in
denen Veratungen über gesetzgeberische Fragen mit Gutachten, Debatten, Ab¬
stimmungen und dem ganzen in der modernen Zeit üblich gewordenen parla¬
mentarischen Apparat erfolgten. Daß diese Beratungen einen unmittelbaren
Einfluß auf die Gesetzgebung gehabt hätten, kann man nicht behaupten. Es
kam dabei vorzugsweise in Betracht, daß der abwechselnde Ort der Versamm¬
lung der zufälligen Mehrheit einen überwiegend lokalen oder landschaftlichen
Charakter gab, und daß die norddeutschen, süddeutschen oder österreichischen
Stimmen je nach dem Orte, an welchem getagt wurde, ausschlaggebend waren.
Dagegen waren die Gutachten nicht selten von hoher wissenschaftlicher Bedeu¬
tung; sie gaben namentlich dem Provinzialjuristen, der das ganze Jahr lang
in den kleinen Gesichtskreis seiner Akten gebannt war, geistige Anregung; sie
vermittelten eine universalere Kenntnis des Rechts, und die Tage selbst trugen


Grenzboten II. 188S. 62


Das heimische Recht
in seinen Beziehungen zum internationalen Verkehr.

n diesen Tagen sind es fünfundzwanzig Jahre, seit von der Ber¬
liner Juristischen Gesellschaft der deutsche Juristentag ins Leben
gerufen wurde. Die größte That des ehemaligen deutschen
Bundestages, die Schaffung eines einheitlichen Handelsgesetzbuchs,
war schon damals soweit gediehen, daß ein günstiges Ergebnis
der Beratungen erwartet werden konnte, und hatte die in den Gemütern schlum¬
mernde Sehnsucht nach einem einheitlichen Rechtsbande neu geweckt. Der Re¬
gierungsantritt des Prinz-Regenten in Preußen ließ neue Hoffnungen für die
in den Sumpf geratene deutsche Frage erstehen. Die Idee fand Anklang in dem
eigentlichen Deutschland wie in Österreich, und fünfundzwanzig Jahre lang fanden
fast alljährlich Versammlungen deutscher und österreichischer Juristen statt, in
denen Veratungen über gesetzgeberische Fragen mit Gutachten, Debatten, Ab¬
stimmungen und dem ganzen in der modernen Zeit üblich gewordenen parla¬
mentarischen Apparat erfolgten. Daß diese Beratungen einen unmittelbaren
Einfluß auf die Gesetzgebung gehabt hätten, kann man nicht behaupten. Es
kam dabei vorzugsweise in Betracht, daß der abwechselnde Ort der Versamm¬
lung der zufälligen Mehrheit einen überwiegend lokalen oder landschaftlichen
Charakter gab, und daß die norddeutschen, süddeutschen oder österreichischen
Stimmen je nach dem Orte, an welchem getagt wurde, ausschlaggebend waren.
Dagegen waren die Gutachten nicht selten von hoher wissenschaftlicher Bedeu¬
tung; sie gaben namentlich dem Provinzialjuristen, der das ganze Jahr lang
in den kleinen Gesichtskreis seiner Akten gebannt war, geistige Anregung; sie
vermittelten eine universalere Kenntnis des Rechts, und die Tage selbst trugen


Grenzboten II. 188S. 62
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0494" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/195883"/>
            <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341841_195390/figures/grenzboten_341841_195390_195883_000.jpg"/><lb/>
          </div>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Das heimische Recht<lb/>
in seinen Beziehungen zum internationalen Verkehr.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_1745" next="#ID_1746"> n diesen Tagen sind es fünfundzwanzig Jahre, seit von der Ber¬<lb/>
liner Juristischen Gesellschaft der deutsche Juristentag ins Leben<lb/>
gerufen wurde. Die größte That des ehemaligen deutschen<lb/>
Bundestages, die Schaffung eines einheitlichen Handelsgesetzbuchs,<lb/>
war schon damals soweit gediehen, daß ein günstiges Ergebnis<lb/>
der Beratungen erwartet werden konnte, und hatte die in den Gemütern schlum¬<lb/>
mernde Sehnsucht nach einem einheitlichen Rechtsbande neu geweckt. Der Re¬<lb/>
gierungsantritt des Prinz-Regenten in Preußen ließ neue Hoffnungen für die<lb/>
in den Sumpf geratene deutsche Frage erstehen. Die Idee fand Anklang in dem<lb/>
eigentlichen Deutschland wie in Österreich, und fünfundzwanzig Jahre lang fanden<lb/>
fast alljährlich Versammlungen deutscher und österreichischer Juristen statt, in<lb/>
denen Veratungen über gesetzgeberische Fragen mit Gutachten, Debatten, Ab¬<lb/>
stimmungen und dem ganzen in der modernen Zeit üblich gewordenen parla¬<lb/>
mentarischen Apparat erfolgten. Daß diese Beratungen einen unmittelbaren<lb/>
Einfluß auf die Gesetzgebung gehabt hätten, kann man nicht behaupten. Es<lb/>
kam dabei vorzugsweise in Betracht, daß der abwechselnde Ort der Versamm¬<lb/>
lung der zufälligen Mehrheit einen überwiegend lokalen oder landschaftlichen<lb/>
Charakter gab, und daß die norddeutschen, süddeutschen oder österreichischen<lb/>
Stimmen je nach dem Orte, an welchem getagt wurde, ausschlaggebend waren.<lb/>
Dagegen waren die Gutachten nicht selten von hoher wissenschaftlicher Bedeu¬<lb/>
tung; sie gaben namentlich dem Provinzialjuristen, der das ganze Jahr lang<lb/>
in den kleinen Gesichtskreis seiner Akten gebannt war, geistige Anregung; sie<lb/>
vermittelten eine universalere Kenntnis des Rechts, und die Tage selbst trugen</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten II. 188S. 62</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0494] [Abbildung] Das heimische Recht in seinen Beziehungen zum internationalen Verkehr. n diesen Tagen sind es fünfundzwanzig Jahre, seit von der Ber¬ liner Juristischen Gesellschaft der deutsche Juristentag ins Leben gerufen wurde. Die größte That des ehemaligen deutschen Bundestages, die Schaffung eines einheitlichen Handelsgesetzbuchs, war schon damals soweit gediehen, daß ein günstiges Ergebnis der Beratungen erwartet werden konnte, und hatte die in den Gemütern schlum¬ mernde Sehnsucht nach einem einheitlichen Rechtsbande neu geweckt. Der Re¬ gierungsantritt des Prinz-Regenten in Preußen ließ neue Hoffnungen für die in den Sumpf geratene deutsche Frage erstehen. Die Idee fand Anklang in dem eigentlichen Deutschland wie in Österreich, und fünfundzwanzig Jahre lang fanden fast alljährlich Versammlungen deutscher und österreichischer Juristen statt, in denen Veratungen über gesetzgeberische Fragen mit Gutachten, Debatten, Ab¬ stimmungen und dem ganzen in der modernen Zeit üblich gewordenen parla¬ mentarischen Apparat erfolgten. Daß diese Beratungen einen unmittelbaren Einfluß auf die Gesetzgebung gehabt hätten, kann man nicht behaupten. Es kam dabei vorzugsweise in Betracht, daß der abwechselnde Ort der Versamm¬ lung der zufälligen Mehrheit einen überwiegend lokalen oder landschaftlichen Charakter gab, und daß die norddeutschen, süddeutschen oder österreichischen Stimmen je nach dem Orte, an welchem getagt wurde, ausschlaggebend waren. Dagegen waren die Gutachten nicht selten von hoher wissenschaftlicher Bedeu¬ tung; sie gaben namentlich dem Provinzialjuristen, der das ganze Jahr lang in den kleinen Gesichtskreis seiner Akten gebannt war, geistige Anregung; sie vermittelten eine universalere Kenntnis des Rechts, und die Tage selbst trugen Grenzboten II. 188S. 62

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/494
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/494>, abgerufen am 22.07.2024.