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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.

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Die musikalischen Jubiläen des Jahres ^335.

Möchten dem allseitig geschätzten und geliebten Manne an der Seite seiner
hingebend pflegsamen Gattin und in schönem Zusammenhange mit seinen drei
Söhnen -- der eine ist Bergdirektor in Dortmund, der andre Amtsrichter in
Dresden, der dritte Kaufmann in Plauen -- noch viele Jahre stillen und segens¬
reichen Wirkens beschieden sein.




Die musikalischen Jubiläen des Jahres Z885.

cum diese Zeilen im Druck erscheinen, sind die Geburtstage Handels
und Bachs vorüber. Wir würden also lediglich i)v8t kösturn feiern,
wenn wir nochmals über Leben und Wirken der beiden großen
Tonmeister berichten wollten. Dagegen glauben wir nichts Über¬
flüssiges zu thun, wenn wir uns nach Schluß der Feierlichkeiten
in einem kurzen Rückblick und Umblick über das Verhältnis klar zu werden
suche", in welchem das öffentliche Musikleben zu der Kunst Händels und
Bachs steht.

Das Thema zerfällt in drei Teile: 1. Wie verhielt sich die frühere Zeit
zu unsern Meistern? 2. Wie verhält sich die unsrige zu ihnen? 3. Was bleibt
noch zu thun? Die erste Frage müssen wir stellen, um der Gegenwart gerecht
zu werden, die dritte, wenn wir ihr nützen wollen.

Als der Göttinger I. N. Forkel vor mehr als achtzig Jahren über Bach
schrieb: "Die Erhaltung des Andenkens an diesen großen Mann ist nicht bloß
Kunstangclcgcnheit, sie ist Nationalangelegeuheit," werden nur wenige in dieser
Ansicht etwas andres als eine wunderliche Schwärmerei erblickt haben. Heute
erscheint sein prophetisches Wort nahezu in Erfüllung gegangen. Musiker
können nie so volkstümlich sein wie Dichter und Staatsmänner: ein Bach wird
nie so gefeiert werden wie ein Schiller oder ein Bismarck. Bis zu einem
gewissen Grade hatten aber doch die Jubelfeierlichkeitcu, welche die zweihundert¬
jährigen Geburtstage von Händel und Bach in den vergangnen Monaten be¬
gleiteten, einen populären Charakter, und namentlich müssen wir der Tagespresse
das Lob zollen, daß sie nach Kräften bemüht gewesen ist, diesen Charakter zum
Ausdruck zu bringen. Die Jubiläumswochen haben bewiesen, daß die Ehrerbietung
gegen Händel und Bach mit auf dem Anstandskodex der gebildeten Leute steht.
Wir wollen diese Thatsache nicht überschätzen, aber wir dürfen uns ihrer freuen.
Denn: wie verhielt sich die frühere Zeit zu unsern Meistern? Zunächst zu


Die musikalischen Jubiläen des Jahres ^335.

Möchten dem allseitig geschätzten und geliebten Manne an der Seite seiner
hingebend pflegsamen Gattin und in schönem Zusammenhange mit seinen drei
Söhnen — der eine ist Bergdirektor in Dortmund, der andre Amtsrichter in
Dresden, der dritte Kaufmann in Plauen — noch viele Jahre stillen und segens¬
reichen Wirkens beschieden sein.




Die musikalischen Jubiläen des Jahres Z885.

cum diese Zeilen im Druck erscheinen, sind die Geburtstage Handels
und Bachs vorüber. Wir würden also lediglich i)v8t kösturn feiern,
wenn wir nochmals über Leben und Wirken der beiden großen
Tonmeister berichten wollten. Dagegen glauben wir nichts Über¬
flüssiges zu thun, wenn wir uns nach Schluß der Feierlichkeiten
in einem kurzen Rückblick und Umblick über das Verhältnis klar zu werden
suche», in welchem das öffentliche Musikleben zu der Kunst Händels und
Bachs steht.

Das Thema zerfällt in drei Teile: 1. Wie verhielt sich die frühere Zeit
zu unsern Meistern? 2. Wie verhält sich die unsrige zu ihnen? 3. Was bleibt
noch zu thun? Die erste Frage müssen wir stellen, um der Gegenwart gerecht
zu werden, die dritte, wenn wir ihr nützen wollen.

Als der Göttinger I. N. Forkel vor mehr als achtzig Jahren über Bach
schrieb: „Die Erhaltung des Andenkens an diesen großen Mann ist nicht bloß
Kunstangclcgcnheit, sie ist Nationalangelegeuheit," werden nur wenige in dieser
Ansicht etwas andres als eine wunderliche Schwärmerei erblickt haben. Heute
erscheint sein prophetisches Wort nahezu in Erfüllung gegangen. Musiker
können nie so volkstümlich sein wie Dichter und Staatsmänner: ein Bach wird
nie so gefeiert werden wie ein Schiller oder ein Bismarck. Bis zu einem
gewissen Grade hatten aber doch die Jubelfeierlichkeitcu, welche die zweihundert¬
jährigen Geburtstage von Händel und Bach in den vergangnen Monaten be¬
gleiteten, einen populären Charakter, und namentlich müssen wir der Tagespresse
das Lob zollen, daß sie nach Kräften bemüht gewesen ist, diesen Charakter zum
Ausdruck zu bringen. Die Jubiläumswochen haben bewiesen, daß die Ehrerbietung
gegen Händel und Bach mit auf dem Anstandskodex der gebildeten Leute steht.
Wir wollen diese Thatsache nicht überschätzen, aber wir dürfen uns ihrer freuen.
Denn: wie verhielt sich die frühere Zeit zu unsern Meistern? Zunächst zu


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[0204] Die musikalischen Jubiläen des Jahres ^335. Möchten dem allseitig geschätzten und geliebten Manne an der Seite seiner hingebend pflegsamen Gattin und in schönem Zusammenhange mit seinen drei Söhnen — der eine ist Bergdirektor in Dortmund, der andre Amtsrichter in Dresden, der dritte Kaufmann in Plauen — noch viele Jahre stillen und segens¬ reichen Wirkens beschieden sein. Die musikalischen Jubiläen des Jahres Z885. cum diese Zeilen im Druck erscheinen, sind die Geburtstage Handels und Bachs vorüber. Wir würden also lediglich i)v8t kösturn feiern, wenn wir nochmals über Leben und Wirken der beiden großen Tonmeister berichten wollten. Dagegen glauben wir nichts Über¬ flüssiges zu thun, wenn wir uns nach Schluß der Feierlichkeiten in einem kurzen Rückblick und Umblick über das Verhältnis klar zu werden suche», in welchem das öffentliche Musikleben zu der Kunst Händels und Bachs steht. Das Thema zerfällt in drei Teile: 1. Wie verhielt sich die frühere Zeit zu unsern Meistern? 2. Wie verhält sich die unsrige zu ihnen? 3. Was bleibt noch zu thun? Die erste Frage müssen wir stellen, um der Gegenwart gerecht zu werden, die dritte, wenn wir ihr nützen wollen. Als der Göttinger I. N. Forkel vor mehr als achtzig Jahren über Bach schrieb: „Die Erhaltung des Andenkens an diesen großen Mann ist nicht bloß Kunstangclcgcnheit, sie ist Nationalangelegeuheit," werden nur wenige in dieser Ansicht etwas andres als eine wunderliche Schwärmerei erblickt haben. Heute erscheint sein prophetisches Wort nahezu in Erfüllung gegangen. Musiker können nie so volkstümlich sein wie Dichter und Staatsmänner: ein Bach wird nie so gefeiert werden wie ein Schiller oder ein Bismarck. Bis zu einem gewissen Grade hatten aber doch die Jubelfeierlichkeitcu, welche die zweihundert¬ jährigen Geburtstage von Händel und Bach in den vergangnen Monaten be¬ gleiteten, einen populären Charakter, und namentlich müssen wir der Tagespresse das Lob zollen, daß sie nach Kräften bemüht gewesen ist, diesen Charakter zum Ausdruck zu bringen. Die Jubiläumswochen haben bewiesen, daß die Ehrerbietung gegen Händel und Bach mit auf dem Anstandskodex der gebildeten Leute steht. Wir wollen diese Thatsache nicht überschätzen, aber wir dürfen uns ihrer freuen. Denn: wie verhielt sich die frühere Zeit zu unsern Meistern? Zunächst zu

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_195390/204>, abgerufen am 22.07.2024.