Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Zweites Quartal.Um eine Perle. nun in seinem Kleinmut minder fest auf die stets bewährte Hilfe dieses unsers recht¬ Er wartete die Antwort des Lakaien nicht ab, lockerte mechanisch, um Vierzehntes Aapitel. Der Lakai hatte sich ehrerbietig verneigt. Als der Tritt Vitalianos ver¬ Der Alte beginnt kindisch zu werden, redete er vor sich hin, keine Haltung Alles das redete er ganz trocken vor sich hin. Dann ging er mit den Um eine Perle. nun in seinem Kleinmut minder fest auf die stets bewährte Hilfe dieses unsers recht¬ Er wartete die Antwort des Lakaien nicht ab, lockerte mechanisch, um Vierzehntes Aapitel. Der Lakai hatte sich ehrerbietig verneigt. Als der Tritt Vitalianos ver¬ Der Alte beginnt kindisch zu werden, redete er vor sich hin, keine Haltung Alles das redete er ganz trocken vor sich hin. Dann ging er mit den <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0103" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/195492"/> <fw type="header" place="top"> Um eine Perle.</fw><lb/> <p xml:id="ID_374" prev="#ID_373"> nun in seinem Kleinmut minder fest auf die stets bewährte Hilfe dieses unsers recht¬<lb/> mäßige» Schutzpatrons baut, wird er selbst mit Sand Anselmo auszumachen haben.<lb/> Ich sagte Euch, setzte er, wie in seinem Gewissen dennoch beunruhigt, flüsternd<lb/> hinzu, es handle sich um ein Rezept. In Wirklichkeit ist's ein Amulet, das Mu-<lb/> stapha oder war es Osman, ein Sultan oder Kaiser der Ungläubigen, vor<lb/> ich weiß nicht wie vielen tausend Jahren irgendwo getragen hat, und dem er es<lb/> verdankte, daß ihn die Pocken verschonten, während Dreiviertel seines Heeres<lb/> ins Gras bissen. Ich wünschte, ich Hütte dem Herzog nicht vou dem Amulet<lb/> geredet, denu ein rechtschaffner Christ soll nur geweihte Reliquien in<lb/> seinen Noten anrufen, und dies Amulet — jetzt brauche ich es Euch ja nicht<lb/> mehr zu verschweigen — besteht aus einer Zehe des Muhamed! Aber konnte<lb/> ich mich weigern, ihm seinen Willen zu thun? Ihr seht, Antonio Maria, ich<lb/> hatte Recht, zu sagen: Warum gönne ich mir mit meinen sechzig Jahren nicht<lb/> Ruhe? Sagt aber selbst, konnte ich mich weigern? Es ging nicht. sunt<lb/> Anselmo muß sich da einmal wieder in die Lage von uns armen Untergebenen<lb/> versetzen. Denn wie heißt's in Padua: Wenn der Kopf es will, müssen die<lb/> unbeseelt Beine laufen.</p><lb/> <p xml:id="ID_375"> Er wartete die Antwort des Lakaien nicht ab, lockerte mechanisch, um<lb/> gegen einen etwaigen Überfall auf der Hut zu sein, das fußlange Schiffer-<lb/> messer, das er an der linken Hüfte in der Scheide trug, und verschwand im<lb/> Schatten des nächsten Gäßchens.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="2"> <head> Vierzehntes Aapitel.</head><lb/> <p xml:id="ID_376"> Der Lakai hatte sich ehrerbietig verneigt. Als der Tritt Vitalianos ver¬<lb/> hallt war, rieb er sich gedankenvoll das glnttmsirte Kinn.</p><lb/> <p xml:id="ID_377"> Der Alte beginnt kindisch zu werden, redete er vor sich hin, keine Haltung<lb/> mehr, keine wirkliche Überlegenheit! Wie er alles durcheinander wirbelt! Vor¬<lb/> dem, wenn er mich über die Morosiuis und die Friaulerin examinirte, da lief<lb/> mir's allemal eiskalt über den Rücken. Wie ein Stiletto stachen seine Blicke.<lb/> Jetzt, lneroö all vio! ist er.auf dem Wege ein Büßer zu werden. Ich erlebe<lb/> es noch, daß er unter die Geißelbrüder geht. Lvviva! Ich kenne einen, der<lb/> die grünen Aufschläge herzlich satt hat. Warum sollte ich nicht in seine Stiefel<lb/> hineinsteigen können?</p><lb/> <p xml:id="ID_378" next="#ID_379"> Alles das redete er ganz trocken vor sich hin. Dann ging er mit den<lb/> Händen auf dem Rücken langsam von dannen, indem er bald die gerade Rich¬<lb/> tung nach dem herzoglichen Palaste einhielt, bald einen Umweg machte. Hie<lb/> und da hörte man noch Guitarren oder Mandolinen, auch das Trällern von<lb/> Liedern, zumeist kunstlos und unschön, wie es zu jeder Zeit den Ohren der<lb/> Italiener in ausgelassener Stimmung wie Wohllaut geklungen hat. Dazwischen<lb/> tönte, wo noch auf einigen Balkons Leben und Lustbarkeit herrschte, Geplauder</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0103]
Um eine Perle.
nun in seinem Kleinmut minder fest auf die stets bewährte Hilfe dieses unsers recht¬
mäßige» Schutzpatrons baut, wird er selbst mit Sand Anselmo auszumachen haben.
Ich sagte Euch, setzte er, wie in seinem Gewissen dennoch beunruhigt, flüsternd
hinzu, es handle sich um ein Rezept. In Wirklichkeit ist's ein Amulet, das Mu-
stapha oder war es Osman, ein Sultan oder Kaiser der Ungläubigen, vor
ich weiß nicht wie vielen tausend Jahren irgendwo getragen hat, und dem er es
verdankte, daß ihn die Pocken verschonten, während Dreiviertel seines Heeres
ins Gras bissen. Ich wünschte, ich Hütte dem Herzog nicht vou dem Amulet
geredet, denu ein rechtschaffner Christ soll nur geweihte Reliquien in
seinen Noten anrufen, und dies Amulet — jetzt brauche ich es Euch ja nicht
mehr zu verschweigen — besteht aus einer Zehe des Muhamed! Aber konnte
ich mich weigern, ihm seinen Willen zu thun? Ihr seht, Antonio Maria, ich
hatte Recht, zu sagen: Warum gönne ich mir mit meinen sechzig Jahren nicht
Ruhe? Sagt aber selbst, konnte ich mich weigern? Es ging nicht. sunt
Anselmo muß sich da einmal wieder in die Lage von uns armen Untergebenen
versetzen. Denn wie heißt's in Padua: Wenn der Kopf es will, müssen die
unbeseelt Beine laufen.
Er wartete die Antwort des Lakaien nicht ab, lockerte mechanisch, um
gegen einen etwaigen Überfall auf der Hut zu sein, das fußlange Schiffer-
messer, das er an der linken Hüfte in der Scheide trug, und verschwand im
Schatten des nächsten Gäßchens.
Vierzehntes Aapitel.
Der Lakai hatte sich ehrerbietig verneigt. Als der Tritt Vitalianos ver¬
hallt war, rieb er sich gedankenvoll das glnttmsirte Kinn.
Der Alte beginnt kindisch zu werden, redete er vor sich hin, keine Haltung
mehr, keine wirkliche Überlegenheit! Wie er alles durcheinander wirbelt! Vor¬
dem, wenn er mich über die Morosiuis und die Friaulerin examinirte, da lief
mir's allemal eiskalt über den Rücken. Wie ein Stiletto stachen seine Blicke.
Jetzt, lneroö all vio! ist er.auf dem Wege ein Büßer zu werden. Ich erlebe
es noch, daß er unter die Geißelbrüder geht. Lvviva! Ich kenne einen, der
die grünen Aufschläge herzlich satt hat. Warum sollte ich nicht in seine Stiefel
hineinsteigen können?
Alles das redete er ganz trocken vor sich hin. Dann ging er mit den
Händen auf dem Rücken langsam von dannen, indem er bald die gerade Rich¬
tung nach dem herzoglichen Palaste einhielt, bald einen Umweg machte. Hie
und da hörte man noch Guitarren oder Mandolinen, auch das Trällern von
Liedern, zumeist kunstlos und unschön, wie es zu jeder Zeit den Ohren der
Italiener in ausgelassener Stimmung wie Wohllaut geklungen hat. Dazwischen
tönte, wo noch auf einigen Balkons Leben und Lustbarkeit herrschte, Geplauder
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |