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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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Urarten- und Unfallversicherung in der Seeschifffahrt.

produktiv sein würde, daß der eingehende Erbpachtkanon reichlichen Ersatz für
die aufgewandten Kapitalien brächte, können nur Versuche ergeben. Diese Frage
hier entscheiden zu wollen, würde vermessen sein. Aber der Gewinn, welcher
aus einer erfolgreichen Besiedelung und Germanisirung der von polnischer Be¬
völkerung bewohnten Landteile für die Kräftigung Preußens und des Reiches
im Innern und nach außen erwachsen würde, ist kaum hoch genug zu schätzen.




Kranken- und Unfallversicherung in der Aeeschifffahrt.
von Franz Siewert.

bgleich die Arbeitsleistungen des Seemannes ihrer Natur uach
und nach den Bedingungen, unter welchen sie geleistet werden, sich
durch nichts von denen eines andern Lohnarbeiters unterscheiden,
die Schiffsleute demnach geradeso "Leibesarbeiter" sind wie alle
andern gewerblichen Arbeiter, so hat doch diese Arbeiterklasse
bisher eine sehr passive Stellung zu der großen Arbeiterfrage eingenommen, und
die Schlagwörter, welche in die öffentliche Diskussion über diese Frage geworfen
werden, "Versicherung gegen Arbeitslosigkeit," "Recht auf Arbeit," "Organisation
der Arbeit" haben bisher auf sie keine passende Anwendung finden können. Diese
begünstigte Stellung haben die Seeleute bisher nicht bloß in Deutschland ein¬
genommen; anch in England, dem klassischen Vorbilde der Arbeiterkämpfe, und
in allen andern Staaten, wo dieselben zum Brennpunkte der sozialen Bewegung
geworden sind, ist der Stand der Seeleute aus dieser vorteilhaften Ausnahme¬
stellung innerhalb der arbeitenden Bevölkerung nicht herausgetreten. Die Er¬
klärung dafür liegt sehr nahe. Die Seeleute aller Nationen sind, und waren
dies früher noch in höherm Grade als heute, in ihrer materiellen Lage ungleich
begünstigter als die andern Lohnarbeiter, indem der höhere Gebrauchswert ihrer
Arbeit, also der höhere Lohn, und ein nie in Frage gestelltes befriedigendes
Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage auf ihrem Arbeitsmarkte über eine
wesentlich bessere wirtschaftliche Lage entschieden, als solche von den Lohnarbeitern
der Gewerbe zu Lande erreicht werden konnte.

So richtig es nun auch ist, daß sich diese günstigen Verhältnisse der See¬
leute in den meisten Handelsmarinen auch bis jetzt noch erhalten haben, so zeigt
es sich doch, daß in der deutschen Marine dieselben je länger je mehr zu einer
ungünstigen Veränderung hinneigen. Der bei uns sich außerordentlich schnell
vollziehende Übergang der Segelschifffahrt zur Dampfschiffahrt hat zugleich mit


Urarten- und Unfallversicherung in der Seeschifffahrt.

produktiv sein würde, daß der eingehende Erbpachtkanon reichlichen Ersatz für
die aufgewandten Kapitalien brächte, können nur Versuche ergeben. Diese Frage
hier entscheiden zu wollen, würde vermessen sein. Aber der Gewinn, welcher
aus einer erfolgreichen Besiedelung und Germanisirung der von polnischer Be¬
völkerung bewohnten Landteile für die Kräftigung Preußens und des Reiches
im Innern und nach außen erwachsen würde, ist kaum hoch genug zu schätzen.




Kranken- und Unfallversicherung in der Aeeschifffahrt.
von Franz Siewert.

bgleich die Arbeitsleistungen des Seemannes ihrer Natur uach
und nach den Bedingungen, unter welchen sie geleistet werden, sich
durch nichts von denen eines andern Lohnarbeiters unterscheiden,
die Schiffsleute demnach geradeso „Leibesarbeiter" sind wie alle
andern gewerblichen Arbeiter, so hat doch diese Arbeiterklasse
bisher eine sehr passive Stellung zu der großen Arbeiterfrage eingenommen, und
die Schlagwörter, welche in die öffentliche Diskussion über diese Frage geworfen
werden, „Versicherung gegen Arbeitslosigkeit," „Recht auf Arbeit," „Organisation
der Arbeit" haben bisher auf sie keine passende Anwendung finden können. Diese
begünstigte Stellung haben die Seeleute bisher nicht bloß in Deutschland ein¬
genommen; anch in England, dem klassischen Vorbilde der Arbeiterkämpfe, und
in allen andern Staaten, wo dieselben zum Brennpunkte der sozialen Bewegung
geworden sind, ist der Stand der Seeleute aus dieser vorteilhaften Ausnahme¬
stellung innerhalb der arbeitenden Bevölkerung nicht herausgetreten. Die Er¬
klärung dafür liegt sehr nahe. Die Seeleute aller Nationen sind, und waren
dies früher noch in höherm Grade als heute, in ihrer materiellen Lage ungleich
begünstigter als die andern Lohnarbeiter, indem der höhere Gebrauchswert ihrer
Arbeit, also der höhere Lohn, und ein nie in Frage gestelltes befriedigendes
Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage auf ihrem Arbeitsmarkte über eine
wesentlich bessere wirtschaftliche Lage entschieden, als solche von den Lohnarbeitern
der Gewerbe zu Lande erreicht werden konnte.

So richtig es nun auch ist, daß sich diese günstigen Verhältnisse der See¬
leute in den meisten Handelsmarinen auch bis jetzt noch erhalten haben, so zeigt
es sich doch, daß in der deutschen Marine dieselben je länger je mehr zu einer
ungünstigen Veränderung hinneigen. Der bei uns sich außerordentlich schnell
vollziehende Übergang der Segelschifffahrt zur Dampfschiffahrt hat zugleich mit


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[0623] Urarten- und Unfallversicherung in der Seeschifffahrt. produktiv sein würde, daß der eingehende Erbpachtkanon reichlichen Ersatz für die aufgewandten Kapitalien brächte, können nur Versuche ergeben. Diese Frage hier entscheiden zu wollen, würde vermessen sein. Aber der Gewinn, welcher aus einer erfolgreichen Besiedelung und Germanisirung der von polnischer Be¬ völkerung bewohnten Landteile für die Kräftigung Preußens und des Reiches im Innern und nach außen erwachsen würde, ist kaum hoch genug zu schätzen. Kranken- und Unfallversicherung in der Aeeschifffahrt. von Franz Siewert. bgleich die Arbeitsleistungen des Seemannes ihrer Natur uach und nach den Bedingungen, unter welchen sie geleistet werden, sich durch nichts von denen eines andern Lohnarbeiters unterscheiden, die Schiffsleute demnach geradeso „Leibesarbeiter" sind wie alle andern gewerblichen Arbeiter, so hat doch diese Arbeiterklasse bisher eine sehr passive Stellung zu der großen Arbeiterfrage eingenommen, und die Schlagwörter, welche in die öffentliche Diskussion über diese Frage geworfen werden, „Versicherung gegen Arbeitslosigkeit," „Recht auf Arbeit," „Organisation der Arbeit" haben bisher auf sie keine passende Anwendung finden können. Diese begünstigte Stellung haben die Seeleute bisher nicht bloß in Deutschland ein¬ genommen; anch in England, dem klassischen Vorbilde der Arbeiterkämpfe, und in allen andern Staaten, wo dieselben zum Brennpunkte der sozialen Bewegung geworden sind, ist der Stand der Seeleute aus dieser vorteilhaften Ausnahme¬ stellung innerhalb der arbeitenden Bevölkerung nicht herausgetreten. Die Er¬ klärung dafür liegt sehr nahe. Die Seeleute aller Nationen sind, und waren dies früher noch in höherm Grade als heute, in ihrer materiellen Lage ungleich begünstigter als die andern Lohnarbeiter, indem der höhere Gebrauchswert ihrer Arbeit, also der höhere Lohn, und ein nie in Frage gestelltes befriedigendes Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage auf ihrem Arbeitsmarkte über eine wesentlich bessere wirtschaftliche Lage entschieden, als solche von den Lohnarbeitern der Gewerbe zu Lande erreicht werden konnte. So richtig es nun auch ist, daß sich diese günstigen Verhältnisse der See¬ leute in den meisten Handelsmarinen auch bis jetzt noch erhalten haben, so zeigt es sich doch, daß in der deutschen Marine dieselben je länger je mehr zu einer ungünstigen Veränderung hinneigen. Der bei uns sich außerordentlich schnell vollziehende Übergang der Segelschifffahrt zur Dampfschiffahrt hat zugleich mit

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/623>, abgerufen am 12.11.2024.