Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite
Der Uongostciat,

freihändlerischen Betrachtung der Dinge sich in diesem Falle mit dein Troste
zufrieden geben müssen, daß in Afrika, wo alles noch soweit zurück ist, jede
europäische Einmischung, sei sie, welche sie wolle, einen Fortschritt nach oben
einschließt. Selbst die schlimmste Sorte der Weißen bringt hier besseres mit,
als die beste Sorte der Schwarzen zu leiste" vermochte, wenn man sie ihre
Zustände sich selbst schassen ließe.

Nur der Sklavenhandel bildet eine Ausnahme von dieser Regel. Doch
wird derselbe jetzt viel weniger von Europäern als von den Arabern des Sudan
betrieben. Die Eröffnung des ganzen Kongo für den europäischen Handel wird
der Sklavenjagd in den dortigen Negergebietcn ein schleuniges Ende bereiten.
Im fernen Innern war der Mensch bis jetzt der hauptsächlichste, wo nicht der
einzige Handelsartikel. Der Islam ist für die schwarzen Stämme, die sich zu
ihm bekehre", ohne Zweifel in vieler Hinsicht ein Fortschritt und ein Segen;
er hat aber für sie eine Seite, wo er als Fluch erhebende, er legt ihnen die
Pflicht auf. ihre heidnischen Nachbarn zu bekämpfen, und verleiht ihnen das
Recht, sie zu Sklaven zu machen und zu verlaufen. Gordon versuchte dem
während seiner ersten Anwesenheit im tropischen Sudan von Osten her ein Ziel
zu setzen. Seine Absichten wurden nur halb ausgeführt, und das Werk der
Befreiung ging schließlich in die Brüche. Der neue Kougvstaat ist berufe",
es vom Westen her neu zu beginnen, und er wird es, im Besitz größerer nud
wirksamer Mittel, aller Wahrscheinlichkeit nach im Verlauf der Zeit glücklich zu
Ende führen.

Nachschrift.

Den neuesten Nachrichten aus Brüssel zufolge scheint es
ziemlich sicher zu sein, daß die Übernahme der Souveränität über den neuen Staat
am Kongo von selten des Königs Leopold in den belgischen Kammern die Mehr¬
heit für sich habe" wird, insofern die Verhandlungen des Ministeriums mit den
Führern der Rechten das Ergebnis gehabt haben, daß die Majorität der letzteren
(die Ultramontanen) für die Sache zu stimmen bereit ist. Die einzige Bedingung
ist, daß es sich dabei uur um eine Personalunion handle nud der Kougvstaat
mit dem sonst unabhängigem und neutralen Belgien in keine andre Beziehung
gebracht werden dürfe. Die Änderung in der Ansicht der Ultramontanen wird
ans hohe Geistliche zurückgeführt, welche in dieser "solideren Gestaltung des
neuen Staates" eine "Erleichterung der Aufgabe der Kirche" erblicken.




Der Uongostciat,

freihändlerischen Betrachtung der Dinge sich in diesem Falle mit dein Troste
zufrieden geben müssen, daß in Afrika, wo alles noch soweit zurück ist, jede
europäische Einmischung, sei sie, welche sie wolle, einen Fortschritt nach oben
einschließt. Selbst die schlimmste Sorte der Weißen bringt hier besseres mit,
als die beste Sorte der Schwarzen zu leiste» vermochte, wenn man sie ihre
Zustände sich selbst schassen ließe.

Nur der Sklavenhandel bildet eine Ausnahme von dieser Regel. Doch
wird derselbe jetzt viel weniger von Europäern als von den Arabern des Sudan
betrieben. Die Eröffnung des ganzen Kongo für den europäischen Handel wird
der Sklavenjagd in den dortigen Negergebietcn ein schleuniges Ende bereiten.
Im fernen Innern war der Mensch bis jetzt der hauptsächlichste, wo nicht der
einzige Handelsartikel. Der Islam ist für die schwarzen Stämme, die sich zu
ihm bekehre», ohne Zweifel in vieler Hinsicht ein Fortschritt und ein Segen;
er hat aber für sie eine Seite, wo er als Fluch erhebende, er legt ihnen die
Pflicht auf. ihre heidnischen Nachbarn zu bekämpfen, und verleiht ihnen das
Recht, sie zu Sklaven zu machen und zu verlaufen. Gordon versuchte dem
während seiner ersten Anwesenheit im tropischen Sudan von Osten her ein Ziel
zu setzen. Seine Absichten wurden nur halb ausgeführt, und das Werk der
Befreiung ging schließlich in die Brüche. Der neue Kougvstaat ist berufe»,
es vom Westen her neu zu beginnen, und er wird es, im Besitz größerer nud
wirksamer Mittel, aller Wahrscheinlichkeit nach im Verlauf der Zeit glücklich zu
Ende führen.

Nachschrift.

Den neuesten Nachrichten aus Brüssel zufolge scheint es
ziemlich sicher zu sein, daß die Übernahme der Souveränität über den neuen Staat
am Kongo von selten des Königs Leopold in den belgischen Kammern die Mehr¬
heit für sich habe» wird, insofern die Verhandlungen des Ministeriums mit den
Führern der Rechten das Ergebnis gehabt haben, daß die Majorität der letzteren
(die Ultramontanen) für die Sache zu stimmen bereit ist. Die einzige Bedingung
ist, daß es sich dabei uur um eine Personalunion handle nud der Kougvstaat
mit dem sonst unabhängigem und neutralen Belgien in keine andre Beziehung
gebracht werden dürfe. Die Änderung in der Ansicht der Ultramontanen wird
ans hohe Geistliche zurückgeführt, welche in dieser „solideren Gestaltung des
neuen Staates" eine „Erleichterung der Aufgabe der Kirche" erblicken.




<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0618" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/195294"/>
          <fw type="header" place="top"> Der Uongostciat,</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_2369" prev="#ID_2368"> freihändlerischen Betrachtung der Dinge sich in diesem Falle mit dein Troste<lb/>
zufrieden geben müssen, daß in Afrika, wo alles noch soweit zurück ist, jede<lb/>
europäische Einmischung, sei sie, welche sie wolle, einen Fortschritt nach oben<lb/>
einschließt. Selbst die schlimmste Sorte der Weißen bringt hier besseres mit,<lb/>
als die beste Sorte der Schwarzen zu leiste» vermochte, wenn man sie ihre<lb/>
Zustände sich selbst schassen ließe.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2370"> Nur der Sklavenhandel bildet eine Ausnahme von dieser Regel. Doch<lb/>
wird derselbe jetzt viel weniger von Europäern als von den Arabern des Sudan<lb/>
betrieben. Die Eröffnung des ganzen Kongo für den europäischen Handel wird<lb/>
der Sklavenjagd in den dortigen Negergebietcn ein schleuniges Ende bereiten.<lb/>
Im fernen Innern war der Mensch bis jetzt der hauptsächlichste, wo nicht der<lb/>
einzige Handelsartikel. Der Islam ist für die schwarzen Stämme, die sich zu<lb/>
ihm bekehre», ohne Zweifel in vieler Hinsicht ein Fortschritt und ein Segen;<lb/>
er hat aber für sie eine Seite, wo er als Fluch erhebende, er legt ihnen die<lb/>
Pflicht auf. ihre heidnischen Nachbarn zu bekämpfen, und verleiht ihnen das<lb/>
Recht, sie zu Sklaven zu machen und zu verlaufen. Gordon versuchte dem<lb/>
während seiner ersten Anwesenheit im tropischen Sudan von Osten her ein Ziel<lb/>
zu setzen. Seine Absichten wurden nur halb ausgeführt, und das Werk der<lb/>
Befreiung ging schließlich in die Brüche. Der neue Kougvstaat ist berufe»,<lb/>
es vom Westen her neu zu beginnen, und er wird es, im Besitz größerer nud<lb/>
wirksamer Mittel, aller Wahrscheinlichkeit nach im Verlauf der Zeit glücklich zu<lb/>
Ende führen.</p><lb/>
          <div n="2">
            <head> Nachschrift.</head>
            <p xml:id="ID_2371"> Den neuesten Nachrichten aus Brüssel zufolge scheint es<lb/>
ziemlich sicher zu sein, daß die Übernahme der Souveränität über den neuen Staat<lb/>
am Kongo von selten des Königs Leopold in den belgischen Kammern die Mehr¬<lb/>
heit für sich habe» wird, insofern die Verhandlungen des Ministeriums mit den<lb/>
Führern der Rechten das Ergebnis gehabt haben, daß die Majorität der letzteren<lb/>
(die Ultramontanen) für die Sache zu stimmen bereit ist. Die einzige Bedingung<lb/>
ist, daß es sich dabei uur um eine Personalunion handle nud der Kougvstaat<lb/>
mit dem sonst unabhängigem und neutralen Belgien in keine andre Beziehung<lb/>
gebracht werden dürfe. Die Änderung in der Ansicht der Ultramontanen wird<lb/>
ans hohe Geistliche zurückgeführt, welche in dieser &#x201E;solideren Gestaltung des<lb/>
neuen Staates" eine &#x201E;Erleichterung der Aufgabe der Kirche" erblicken.</p><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0618] Der Uongostciat, freihändlerischen Betrachtung der Dinge sich in diesem Falle mit dein Troste zufrieden geben müssen, daß in Afrika, wo alles noch soweit zurück ist, jede europäische Einmischung, sei sie, welche sie wolle, einen Fortschritt nach oben einschließt. Selbst die schlimmste Sorte der Weißen bringt hier besseres mit, als die beste Sorte der Schwarzen zu leiste» vermochte, wenn man sie ihre Zustände sich selbst schassen ließe. Nur der Sklavenhandel bildet eine Ausnahme von dieser Regel. Doch wird derselbe jetzt viel weniger von Europäern als von den Arabern des Sudan betrieben. Die Eröffnung des ganzen Kongo für den europäischen Handel wird der Sklavenjagd in den dortigen Negergebietcn ein schleuniges Ende bereiten. Im fernen Innern war der Mensch bis jetzt der hauptsächlichste, wo nicht der einzige Handelsartikel. Der Islam ist für die schwarzen Stämme, die sich zu ihm bekehre», ohne Zweifel in vieler Hinsicht ein Fortschritt und ein Segen; er hat aber für sie eine Seite, wo er als Fluch erhebende, er legt ihnen die Pflicht auf. ihre heidnischen Nachbarn zu bekämpfen, und verleiht ihnen das Recht, sie zu Sklaven zu machen und zu verlaufen. Gordon versuchte dem während seiner ersten Anwesenheit im tropischen Sudan von Osten her ein Ziel zu setzen. Seine Absichten wurden nur halb ausgeführt, und das Werk der Befreiung ging schließlich in die Brüche. Der neue Kougvstaat ist berufe», es vom Westen her neu zu beginnen, und er wird es, im Besitz größerer nud wirksamer Mittel, aller Wahrscheinlichkeit nach im Verlauf der Zeit glücklich zu Ende führen. Nachschrift. Den neuesten Nachrichten aus Brüssel zufolge scheint es ziemlich sicher zu sein, daß die Übernahme der Souveränität über den neuen Staat am Kongo von selten des Königs Leopold in den belgischen Kammern die Mehr¬ heit für sich habe» wird, insofern die Verhandlungen des Ministeriums mit den Führern der Rechten das Ergebnis gehabt haben, daß die Majorität der letzteren (die Ultramontanen) für die Sache zu stimmen bereit ist. Die einzige Bedingung ist, daß es sich dabei uur um eine Personalunion handle nud der Kougvstaat mit dem sonst unabhängigem und neutralen Belgien in keine andre Beziehung gebracht werden dürfe. Die Änderung in der Ansicht der Ultramontanen wird ans hohe Geistliche zurückgeführt, welche in dieser „solideren Gestaltung des neuen Staates" eine „Erleichterung der Aufgabe der Kirche" erblicken.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/618
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/618>, abgerufen am 12.11.2024.