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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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Um eine Perle.

Neigungen auf halbem Wege den Bemühungen Vitciliauos entgegenkamen.
Von den drei legitimen Söhnen Vincentos ging im Volke die Sage, sie würden,
ohne männliche Nachkommen zu hinterlassen, ans der Welt gehen, eine Prophe¬
zeiung, welche allerdings eingetroffen ist und deren Entstehung vielleicht ans
ihre lockere Lebensweise zurückzuführen war, durch Vitaliano aber geschickt mit
geheimen Veranstaltungen der Buonarottis in Zusammenhang gebracht wurde.

Kurz vor Fraueeseos Thronbesteigung hatte seine bisher nur mit Töchtern
gesegnet gewesene Gattin Margarete von Savoyen ihm nun einen Thronerben
geboren, und die goldene Wiege des schwächliche!? Prinzchens Lodovico war von
diesem Tage an der Gegenstand so auffälliger Vorkehrungen Vitalianos ge¬
worden, daß der ohnehin nervöse Frcincesev kaum noch um andres als an die
Nähe drohender Gefahren zu denken vermochte.




Zweites Acipitel.

In dieser Zeit, wo der Gedanke an den Palazzo Passcrino allnächtlich die
Träume Francescos mit Schrecknissen erfüllte, verbrachte der alte Marcello
Buonacolsi während eines heftigen Gichtanfalls manche schlaflose Nacht mit
einer ihn nicht minder beunruhigenden Sorge, einer an sich sehr harmlosen, aber
endlich dem alten Herrn so lustig werdenden Sorge, daß er das Gelübde that,
für den Fall daß er genese, sich dieselbe dnrch eine Reise nach Verona ein sür
allemal vom Halse zu schaffe".

Es handelte sich nämlich um den Ankauf einer jener unförmlichen Perlen,
die zu Zeiten sehr geschätzt sind und für die, wenn sie ein Schmuckstück ver¬
vollständige" helfen sollen, der höchste Preis uicht zu hoch ist, da ein komplettes
Stück dieser Art immer Liebhaber findet. Aus dem Familienschmuck der Bnona-
colsis war eine solche Perle vor langer, langer Zeit abhanden gekommen.
Oft hatte der alte Bnouneolsi von der Ehrenpflicht geredet, eine so häßliche
Lücke uicht fort und fort bestehen zu lassen. Endlich, nachdem jene .Krankheit
überstanden war, begab er sich in der Gesellschaft seiner Tochter und begleitet
von einem Diener und einer Dienerin auf die Reise nach Verona, dem da¬
maligen Hnuptmarkt Italiens für kostbare Perlen.

Heute fährt man dreimal täglich in einer bis fünfviertel Stunde von
Mantua bis Verona; die Erfindung des Dampfes hat die Entfernung zwischen
den beiden Städten nahezu aufgehoben. Zur Zeit des letzten Buonacolsi reiste
man noch zumeist zu Pferde, und nur eilige Leute, nicht Leute von Stande,
legten die Strecke in einem einzigen Tage zurück.

In der Mitte des Weges, .in Villafranca, nahm daher auch die Kavalkade
des alten Buonacolsi Nachtquartier. Es gab in dem Städtchen drei oder vier
für Kavaliere benutzbare Herbergen. Die mindest ansehnliche führte auf ihrem
Schilde den an die Zeit der Scaliger gemahnenden Namen 1-r Lo-it-i und über


Um eine Perle.

Neigungen auf halbem Wege den Bemühungen Vitciliauos entgegenkamen.
Von den drei legitimen Söhnen Vincentos ging im Volke die Sage, sie würden,
ohne männliche Nachkommen zu hinterlassen, ans der Welt gehen, eine Prophe¬
zeiung, welche allerdings eingetroffen ist und deren Entstehung vielleicht ans
ihre lockere Lebensweise zurückzuführen war, durch Vitaliano aber geschickt mit
geheimen Veranstaltungen der Buonarottis in Zusammenhang gebracht wurde.

Kurz vor Fraueeseos Thronbesteigung hatte seine bisher nur mit Töchtern
gesegnet gewesene Gattin Margarete von Savoyen ihm nun einen Thronerben
geboren, und die goldene Wiege des schwächliche!? Prinzchens Lodovico war von
diesem Tage an der Gegenstand so auffälliger Vorkehrungen Vitalianos ge¬
worden, daß der ohnehin nervöse Frcincesev kaum noch um andres als an die
Nähe drohender Gefahren zu denken vermochte.




Zweites Acipitel.

In dieser Zeit, wo der Gedanke an den Palazzo Passcrino allnächtlich die
Träume Francescos mit Schrecknissen erfüllte, verbrachte der alte Marcello
Buonacolsi während eines heftigen Gichtanfalls manche schlaflose Nacht mit
einer ihn nicht minder beunruhigenden Sorge, einer an sich sehr harmlosen, aber
endlich dem alten Herrn so lustig werdenden Sorge, daß er das Gelübde that,
für den Fall daß er genese, sich dieselbe dnrch eine Reise nach Verona ein sür
allemal vom Halse zu schaffe».

Es handelte sich nämlich um den Ankauf einer jener unförmlichen Perlen,
die zu Zeiten sehr geschätzt sind und für die, wenn sie ein Schmuckstück ver¬
vollständige» helfen sollen, der höchste Preis uicht zu hoch ist, da ein komplettes
Stück dieser Art immer Liebhaber findet. Aus dem Familienschmuck der Bnona-
colsis war eine solche Perle vor langer, langer Zeit abhanden gekommen.
Oft hatte der alte Bnouneolsi von der Ehrenpflicht geredet, eine so häßliche
Lücke uicht fort und fort bestehen zu lassen. Endlich, nachdem jene .Krankheit
überstanden war, begab er sich in der Gesellschaft seiner Tochter und begleitet
von einem Diener und einer Dienerin auf die Reise nach Verona, dem da¬
maligen Hnuptmarkt Italiens für kostbare Perlen.

Heute fährt man dreimal täglich in einer bis fünfviertel Stunde von
Mantua bis Verona; die Erfindung des Dampfes hat die Entfernung zwischen
den beiden Städten nahezu aufgehoben. Zur Zeit des letzten Buonacolsi reiste
man noch zumeist zu Pferde, und nur eilige Leute, nicht Leute von Stande,
legten die Strecke in einem einzigen Tage zurück.

In der Mitte des Weges, .in Villafranca, nahm daher auch die Kavalkade
des alten Buonacolsi Nachtquartier. Es gab in dem Städtchen drei oder vier
für Kavaliere benutzbare Herbergen. Die mindest ansehnliche führte auf ihrem
Schilde den an die Zeit der Scaliger gemahnenden Namen 1-r Lo-it-i und über


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[0438] Um eine Perle. Neigungen auf halbem Wege den Bemühungen Vitciliauos entgegenkamen. Von den drei legitimen Söhnen Vincentos ging im Volke die Sage, sie würden, ohne männliche Nachkommen zu hinterlassen, ans der Welt gehen, eine Prophe¬ zeiung, welche allerdings eingetroffen ist und deren Entstehung vielleicht ans ihre lockere Lebensweise zurückzuführen war, durch Vitaliano aber geschickt mit geheimen Veranstaltungen der Buonarottis in Zusammenhang gebracht wurde. Kurz vor Fraueeseos Thronbesteigung hatte seine bisher nur mit Töchtern gesegnet gewesene Gattin Margarete von Savoyen ihm nun einen Thronerben geboren, und die goldene Wiege des schwächliche!? Prinzchens Lodovico war von diesem Tage an der Gegenstand so auffälliger Vorkehrungen Vitalianos ge¬ worden, daß der ohnehin nervöse Frcincesev kaum noch um andres als an die Nähe drohender Gefahren zu denken vermochte. Zweites Acipitel. In dieser Zeit, wo der Gedanke an den Palazzo Passcrino allnächtlich die Träume Francescos mit Schrecknissen erfüllte, verbrachte der alte Marcello Buonacolsi während eines heftigen Gichtanfalls manche schlaflose Nacht mit einer ihn nicht minder beunruhigenden Sorge, einer an sich sehr harmlosen, aber endlich dem alten Herrn so lustig werdenden Sorge, daß er das Gelübde that, für den Fall daß er genese, sich dieselbe dnrch eine Reise nach Verona ein sür allemal vom Halse zu schaffe». Es handelte sich nämlich um den Ankauf einer jener unförmlichen Perlen, die zu Zeiten sehr geschätzt sind und für die, wenn sie ein Schmuckstück ver¬ vollständige» helfen sollen, der höchste Preis uicht zu hoch ist, da ein komplettes Stück dieser Art immer Liebhaber findet. Aus dem Familienschmuck der Bnona- colsis war eine solche Perle vor langer, langer Zeit abhanden gekommen. Oft hatte der alte Bnouneolsi von der Ehrenpflicht geredet, eine so häßliche Lücke uicht fort und fort bestehen zu lassen. Endlich, nachdem jene .Krankheit überstanden war, begab er sich in der Gesellschaft seiner Tochter und begleitet von einem Diener und einer Dienerin auf die Reise nach Verona, dem da¬ maligen Hnuptmarkt Italiens für kostbare Perlen. Heute fährt man dreimal täglich in einer bis fünfviertel Stunde von Mantua bis Verona; die Erfindung des Dampfes hat die Entfernung zwischen den beiden Städten nahezu aufgehoben. Zur Zeit des letzten Buonacolsi reiste man noch zumeist zu Pferde, und nur eilige Leute, nicht Leute von Stande, legten die Strecke in einem einzigen Tage zurück. In der Mitte des Weges, .in Villafranca, nahm daher auch die Kavalkade des alten Buonacolsi Nachtquartier. Es gab in dem Städtchen drei oder vier für Kavaliere benutzbare Herbergen. Die mindest ansehnliche führte auf ihrem Schilde den an die Zeit der Scaliger gemahnenden Namen 1-r Lo-it-i und über

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/438>, abgerufen am 12.11.2024.