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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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Unsre Untersuchung ergiebt ferner, daß die Löhne, überhaupt die Pro¬
duktionskosten, uicht einem bereits vorher vorhandenen Kapital, sondern dem
durch die Arbeit selbst erzeugten Werte entnommen werden; das; mithin die
Produktionsthätigkeit eines Volkes nicht durch die Menge der vorhandenen
Kapitalien bedingt ist, vielmehr umgekehrt der Kapitalreichtum durch die Arbcits-
thätigkeit; denn das Kapital ist ein Erzeugnis der Arbeit, und uicht die Arbeit
ein Erzeugnis des Kapitals.

Wir befinden uns demnach im vollkommensten Gegensatze zur herrschenden
Lehre und müssen also auch die Schlußfolgerungen verwerfen, welche sie aus
ihren Vordersätzen ableitet, nämlich: daß das Kapital, d. h, das Ergebnis
früherer Arbeit, bei der Güterproduktion ein wesentliches Element sei und daß
es die Funktion habe, den Arbeitslohn, überhaupt die Produktionskosten, zu be¬
zahlen oder doch vorzuschießen; daß demnach ohne Kapital keine Produktion
zustande kommen könne; daß ferner die Zahl der Beschäftigung findenden Ar¬
beiter von der Größe des (für diesen Zweck) vorhandenen Kapitals abhängig
sei; daß zwischen Kapital und Arbeitern demnach ein gegenseitiges Aufsuchen,
d. h, ein Verhältnis von Nachfrage und Angebot, bestehe, und deshalb die
Höhe der Kapitalmiete (Zins) und die Höhe des Arbeitslohnes in umgekehrten!
Verhältnisse stünden, daß also zwischen Kapitalist und Arbeiter entgegengesetzte
Interessen herrschten. /

Und aus diesen Irrlehren ist unsre Nationalökonomie aufgebaut, durch sie
werden unsre Finanz- und Steuerpolitik beherrscht, sie bilden den Gegenstand
der Kämpfe, welche unsre Gesellschaft zerreißen, indem sie uns zu dem Glauben
verführen, daß .Kapitalisten und Arbeiter zwei feindliche Klassen seien, deren
jeder das Gebot der Selbsterhaltung die erbarmungslose Unterjochung der
andern auferlege! (Fvrtschuna fvlgi.)




Die Stellung der Polizei im Strafverfahren.
von Veto Gerland. (Schluss.)

icht weniger ungünstig für die Polizei ist die gerichtliche Ver¬
handlung, sowohl für die Beamten der Polizei als auch für
die Polizeibehörden selbst; es zeigt sich dies am deutlichsten
in dem Verfahren nach vorausgegangener polizeilicher Stmfver-
füguug, obwohl die bezüglich dieses Verfahrens gerügten Miß-
stände bei Vernehmung von Polizeibeamten vor Gericht auch bei solchen Ver-


Unsre Untersuchung ergiebt ferner, daß die Löhne, überhaupt die Pro¬
duktionskosten, uicht einem bereits vorher vorhandenen Kapital, sondern dem
durch die Arbeit selbst erzeugten Werte entnommen werden; das; mithin die
Produktionsthätigkeit eines Volkes nicht durch die Menge der vorhandenen
Kapitalien bedingt ist, vielmehr umgekehrt der Kapitalreichtum durch die Arbcits-
thätigkeit; denn das Kapital ist ein Erzeugnis der Arbeit, und uicht die Arbeit
ein Erzeugnis des Kapitals.

Wir befinden uns demnach im vollkommensten Gegensatze zur herrschenden
Lehre und müssen also auch die Schlußfolgerungen verwerfen, welche sie aus
ihren Vordersätzen ableitet, nämlich: daß das Kapital, d. h, das Ergebnis
früherer Arbeit, bei der Güterproduktion ein wesentliches Element sei und daß
es die Funktion habe, den Arbeitslohn, überhaupt die Produktionskosten, zu be¬
zahlen oder doch vorzuschießen; daß demnach ohne Kapital keine Produktion
zustande kommen könne; daß ferner die Zahl der Beschäftigung findenden Ar¬
beiter von der Größe des (für diesen Zweck) vorhandenen Kapitals abhängig
sei; daß zwischen Kapital und Arbeitern demnach ein gegenseitiges Aufsuchen,
d. h, ein Verhältnis von Nachfrage und Angebot, bestehe, und deshalb die
Höhe der Kapitalmiete (Zins) und die Höhe des Arbeitslohnes in umgekehrten!
Verhältnisse stünden, daß also zwischen Kapitalist und Arbeiter entgegengesetzte
Interessen herrschten. /

Und aus diesen Irrlehren ist unsre Nationalökonomie aufgebaut, durch sie
werden unsre Finanz- und Steuerpolitik beherrscht, sie bilden den Gegenstand
der Kämpfe, welche unsre Gesellschaft zerreißen, indem sie uns zu dem Glauben
verführen, daß .Kapitalisten und Arbeiter zwei feindliche Klassen seien, deren
jeder das Gebot der Selbsterhaltung die erbarmungslose Unterjochung der
andern auferlege! (Fvrtschuna fvlgi.)




Die Stellung der Polizei im Strafverfahren.
von Veto Gerland. (Schluss.)

icht weniger ungünstig für die Polizei ist die gerichtliche Ver¬
handlung, sowohl für die Beamten der Polizei als auch für
die Polizeibehörden selbst; es zeigt sich dies am deutlichsten
in dem Verfahren nach vorausgegangener polizeilicher Stmfver-
füguug, obwohl die bezüglich dieses Verfahrens gerügten Miß-
stände bei Vernehmung von Polizeibeamten vor Gericht auch bei solchen Ver-


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[0400] Unsre Untersuchung ergiebt ferner, daß die Löhne, überhaupt die Pro¬ duktionskosten, uicht einem bereits vorher vorhandenen Kapital, sondern dem durch die Arbeit selbst erzeugten Werte entnommen werden; das; mithin die Produktionsthätigkeit eines Volkes nicht durch die Menge der vorhandenen Kapitalien bedingt ist, vielmehr umgekehrt der Kapitalreichtum durch die Arbcits- thätigkeit; denn das Kapital ist ein Erzeugnis der Arbeit, und uicht die Arbeit ein Erzeugnis des Kapitals. Wir befinden uns demnach im vollkommensten Gegensatze zur herrschenden Lehre und müssen also auch die Schlußfolgerungen verwerfen, welche sie aus ihren Vordersätzen ableitet, nämlich: daß das Kapital, d. h, das Ergebnis früherer Arbeit, bei der Güterproduktion ein wesentliches Element sei und daß es die Funktion habe, den Arbeitslohn, überhaupt die Produktionskosten, zu be¬ zahlen oder doch vorzuschießen; daß demnach ohne Kapital keine Produktion zustande kommen könne; daß ferner die Zahl der Beschäftigung findenden Ar¬ beiter von der Größe des (für diesen Zweck) vorhandenen Kapitals abhängig sei; daß zwischen Kapital und Arbeitern demnach ein gegenseitiges Aufsuchen, d. h, ein Verhältnis von Nachfrage und Angebot, bestehe, und deshalb die Höhe der Kapitalmiete (Zins) und die Höhe des Arbeitslohnes in umgekehrten! Verhältnisse stünden, daß also zwischen Kapitalist und Arbeiter entgegengesetzte Interessen herrschten. / Und aus diesen Irrlehren ist unsre Nationalökonomie aufgebaut, durch sie werden unsre Finanz- und Steuerpolitik beherrscht, sie bilden den Gegenstand der Kämpfe, welche unsre Gesellschaft zerreißen, indem sie uns zu dem Glauben verführen, daß .Kapitalisten und Arbeiter zwei feindliche Klassen seien, deren jeder das Gebot der Selbsterhaltung die erbarmungslose Unterjochung der andern auferlege! (Fvrtschuna fvlgi.) Die Stellung der Polizei im Strafverfahren. von Veto Gerland. (Schluss.) icht weniger ungünstig für die Polizei ist die gerichtliche Ver¬ handlung, sowohl für die Beamten der Polizei als auch für die Polizeibehörden selbst; es zeigt sich dies am deutlichsten in dem Verfahren nach vorausgegangener polizeilicher Stmfver- füguug, obwohl die bezüglich dieses Verfahrens gerügten Miß- stände bei Vernehmung von Polizeibeamten vor Gericht auch bei solchen Ver-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/400>, abgerufen am 12.11.2024.