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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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Die Kommilitonen.
Novelle von R. R. W. Uschner. (Fortsetzung.)
4.

n dem bereitgehaltenen Svnderzimmer fanden sich zunächst Nah,
der Ortsgeistliche, und Pipin, der Theaterregisseur, ein. Sie
streckten sich auf das bequeme Langsofa. Die Lampen sollten
später angezündet werden. Jetzt sollte nur ein einziges Licht
auf dem Armleuchter brennen, der Kaffee auch später kommen.
Nach hatte sich aus der Pastorei die Tabakspfeife bringen lassen, Pipin rauchte
Zigarretten von türkischem Tabak.

Beide waren etwas matt, es fehlte ihnen das gewohnte Mittagsschläfchen,
und sie suchten es sogut wie möglich nachzuholen durch behagliches Sichhin¬
strecken und halbschlafartiges Dämmern, aus welchem nur dann und wann eine
Äußerung sich löste, wie wenn ein Steinklopfer, bei dem der Aufseher vorbei¬
gegangen ist, nach überhasteter Arbeit nur hin und wieder nach einem winzigen
Stücke langt und es zerkleinert. Als Ergebnis dieser unbewachten Gedcmken-
steinklopferei kam heraus, daß sie für große Zecherei nicht mehr angethan seien,
und daß ein regelmäßiges Leben mit mäßigen Berufsgeschäften ihnen am liebsten
wäre -- der Pastor vergaß wohl anzuführen, daß er unter mäßigen Berufs-
geschäften eine Sinekure verstand, da er fast alle seine Arbeit dem Pfarrhelfer
aufzuhalseu pflegte. Der Schauspieler blies mit seinem Zigarretteurauche her¬
vor, daß er sich längst frei fühle von dem Virtuosenungestüm; keinen Pfennig
mehr werfe er für Reklame hinaus, das überlasse er jüngeren Thoren. Der
Pastor nickte dazu, und der Regisseur blies weiter: O Unverstand der Jugend,
das ruhige Tagesdasein den Leidenschaften, den nichtigen, preiszugeben! Der
Pastor nickte noch tiefer und meinte, als einziger Hochgenuß, der die Älteren
an diese Sinnenwelt noch knüpfe, sei der "Wohlgeschmack" zu preisen. Darauf
wurden einige Lieblingsspeisen aufgezählt. Von Pastors Lippen löste sich un-




Die Kommilitonen.
Novelle von R. R. W. Uschner. (Fortsetzung.)
4.

n dem bereitgehaltenen Svnderzimmer fanden sich zunächst Nah,
der Ortsgeistliche, und Pipin, der Theaterregisseur, ein. Sie
streckten sich auf das bequeme Langsofa. Die Lampen sollten
später angezündet werden. Jetzt sollte nur ein einziges Licht
auf dem Armleuchter brennen, der Kaffee auch später kommen.
Nach hatte sich aus der Pastorei die Tabakspfeife bringen lassen, Pipin rauchte
Zigarretten von türkischem Tabak.

Beide waren etwas matt, es fehlte ihnen das gewohnte Mittagsschläfchen,
und sie suchten es sogut wie möglich nachzuholen durch behagliches Sichhin¬
strecken und halbschlafartiges Dämmern, aus welchem nur dann und wann eine
Äußerung sich löste, wie wenn ein Steinklopfer, bei dem der Aufseher vorbei¬
gegangen ist, nach überhasteter Arbeit nur hin und wieder nach einem winzigen
Stücke langt und es zerkleinert. Als Ergebnis dieser unbewachten Gedcmken-
steinklopferei kam heraus, daß sie für große Zecherei nicht mehr angethan seien,
und daß ein regelmäßiges Leben mit mäßigen Berufsgeschäften ihnen am liebsten
wäre — der Pastor vergaß wohl anzuführen, daß er unter mäßigen Berufs-
geschäften eine Sinekure verstand, da er fast alle seine Arbeit dem Pfarrhelfer
aufzuhalseu pflegte. Der Schauspieler blies mit seinem Zigarretteurauche her¬
vor, daß er sich längst frei fühle von dem Virtuosenungestüm; keinen Pfennig
mehr werfe er für Reklame hinaus, das überlasse er jüngeren Thoren. Der
Pastor nickte dazu, und der Regisseur blies weiter: O Unverstand der Jugend,
das ruhige Tagesdasein den Leidenschaften, den nichtigen, preiszugeben! Der
Pastor nickte noch tiefer und meinte, als einziger Hochgenuß, der die Älteren
an diese Sinnenwelt noch knüpfe, sei der „Wohlgeschmack" zu preisen. Darauf
wurden einige Lieblingsspeisen aufgezählt. Von Pastors Lippen löste sich un-


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[0208] [Abbildung] Die Kommilitonen. Novelle von R. R. W. Uschner. (Fortsetzung.) 4. n dem bereitgehaltenen Svnderzimmer fanden sich zunächst Nah, der Ortsgeistliche, und Pipin, der Theaterregisseur, ein. Sie streckten sich auf das bequeme Langsofa. Die Lampen sollten später angezündet werden. Jetzt sollte nur ein einziges Licht auf dem Armleuchter brennen, der Kaffee auch später kommen. Nach hatte sich aus der Pastorei die Tabakspfeife bringen lassen, Pipin rauchte Zigarretten von türkischem Tabak. Beide waren etwas matt, es fehlte ihnen das gewohnte Mittagsschläfchen, und sie suchten es sogut wie möglich nachzuholen durch behagliches Sichhin¬ strecken und halbschlafartiges Dämmern, aus welchem nur dann und wann eine Äußerung sich löste, wie wenn ein Steinklopfer, bei dem der Aufseher vorbei¬ gegangen ist, nach überhasteter Arbeit nur hin und wieder nach einem winzigen Stücke langt und es zerkleinert. Als Ergebnis dieser unbewachten Gedcmken- steinklopferei kam heraus, daß sie für große Zecherei nicht mehr angethan seien, und daß ein regelmäßiges Leben mit mäßigen Berufsgeschäften ihnen am liebsten wäre — der Pastor vergaß wohl anzuführen, daß er unter mäßigen Berufs- geschäften eine Sinekure verstand, da er fast alle seine Arbeit dem Pfarrhelfer aufzuhalseu pflegte. Der Schauspieler blies mit seinem Zigarretteurauche her¬ vor, daß er sich längst frei fühle von dem Virtuosenungestüm; keinen Pfennig mehr werfe er für Reklame hinaus, das überlasse er jüngeren Thoren. Der Pastor nickte dazu, und der Regisseur blies weiter: O Unverstand der Jugend, das ruhige Tagesdasein den Leidenschaften, den nichtigen, preiszugeben! Der Pastor nickte noch tiefer und meinte, als einziger Hochgenuß, der die Älteren an diese Sinnenwelt noch knüpfe, sei der „Wohlgeschmack" zu preisen. Darauf wurden einige Lieblingsspeisen aufgezählt. Von Pastors Lippen löste sich un-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/208>, abgerufen am 12.11.2024.