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Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal.

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Analekten zur Geschichte der neuere" deutschen Kunst.

2. Lin Urteil Julius Schmorrs über Josef Anton Roch.

Das unter Dohmes Leitung erscheinende Sammelwerk: "Kunst und Künstler
des neunzehnten Jahrhunderts" hat uns in diesem Jahre auch eine Biographie
des originellsten der römischen Kunstgenossen, des Landschaftsmalers Josef Anton
Koch, von der Hand Th. Frimmels gebracht. Dieser Arbeit ist jedenfalls eine
sorgsame Verwertung des vorhandenen biographischen Materials nachzurühmen.
Ob die künstlerische Beurteilung und Charakteristik, die Frimmel giebt, überall
die richtige ist, lassen wir dahingestellt; wir begnügen uns damit, gegen die
Behauptung, daß ungefähr seit dem Jahre 1809 ein Abnehmen von Kochs
Leistungsfähigkeit zu bemerken gewesen sei (S. 19), die Autorität Julius Schmorrs
anzurufen. Schmorr hatte im Jahre 1326 Gelegenheit, die wunderbare Frische
und Lebendigkeit des hochbetagten Malers täglich zu beobachten, da er gleich¬
zeitig mit Koch in der Villa Massimi beschäftigt war, wo er die Fresken für
das Ariostzimmcr schuf, während Koch die vier Wände des Dcmtezimmers zur
Ausschmückung übernommen hatte. Schmorr berichtet über das Zusammen¬
arbeiten mit Koch an einer Stelle seines italienischen Tagebuches, das uns der
gegenwärtige Besitzer desselben freundlichst zur Einsicht überließ, folgende, wie
uus scheinen will, für Kochs Wesen sehr charakteristischen Einzelheiten:


Julius Schmorr von Carolsfeld, Italienisches Tagebuch, seiner Frau
diktirt. S. 69 fig. (1826.)

Nachdem die Zeit verflossen our, die hier^) zuzubringen ich mir erlauben
durfte, ging ich nach Rom zurück und begann mich nun mit Ernst zu dem letzten
Theile meiner Arbeit in der Villa Massimi zu rüsten. Vieler Vorbereitungen be¬
dürfte es nicht; denn ich hatte schou im Sommer vor meiner Reise nach Sizilien
den Carton zur letzten Wand gemacht. Mein Antonio war auch bereit, und so
konnte ich denn gleich anfangen zu malen. Koch, der schon vor längerer Zeit die
Wände des Zimmers auszumalen übernommen hatte, dessen Decke von Philipp Veit
gemalt war, war auch gleich bei der Hand, als ich zu arbeiten anfing. Ich be¬
merke bei dieser Gelegenheit, daß ich noch nie die Lebensfülle und Frische dieses
Mannes in solcher Mühe kennen gelernt hatte, als sie sich bei der Arbeit zeigte,
die er hier ausführte. Es ist gewiß keine Kleinigkeit, daß ein Mann in seinen
Jahren, der nie vorher größere historische Sachen ausgeführt, am allerwenigsten
ni ki'i'ssoo gemalt hatte, eine große Arbeit dieser Art übernimmt; noch mehr will es
aber sagen, daß dieser Manu seine Aufgaben mit so lebendigem Eifer und mit
solcher Beharrlichkeit durchführt, wie er es gethan hat. Dabei war Koch auf eine
Weise anspruchslos, die mich oft rührte und beschämte. Er, der berühmte Künstler,
der bejahrte Mann, stellte sich hier ganz als Anfänger, als Schüler: jede Belehrung
nahm er mit Dank an, und wollte man an seiner Arbeit irgend etwas bessern,
so ließ er gewähren und machte wohl gar den Handlanger. Konnte er nicht zu¬
recht kommen, so klagte er sich auf das Bielersee "der Ungeschicklichkeit an und for¬
derte mich auf, ihn zu schelten: "zause Sie mich bei de Ohre, wenn ich's nicht
recht mache," sagte er öfters in seinem Tiroler Deutsch. Freilich war er dann auch



5) In Frnseati, wo Schmorr Ausnahme bei der Familie Bunsen gesunden hatte.
Analekten zur Geschichte der neuere» deutschen Kunst.

2. Lin Urteil Julius Schmorrs über Josef Anton Roch.

Das unter Dohmes Leitung erscheinende Sammelwerk: „Kunst und Künstler
des neunzehnten Jahrhunderts" hat uns in diesem Jahre auch eine Biographie
des originellsten der römischen Kunstgenossen, des Landschaftsmalers Josef Anton
Koch, von der Hand Th. Frimmels gebracht. Dieser Arbeit ist jedenfalls eine
sorgsame Verwertung des vorhandenen biographischen Materials nachzurühmen.
Ob die künstlerische Beurteilung und Charakteristik, die Frimmel giebt, überall
die richtige ist, lassen wir dahingestellt; wir begnügen uns damit, gegen die
Behauptung, daß ungefähr seit dem Jahre 1809 ein Abnehmen von Kochs
Leistungsfähigkeit zu bemerken gewesen sei (S. 19), die Autorität Julius Schmorrs
anzurufen. Schmorr hatte im Jahre 1326 Gelegenheit, die wunderbare Frische
und Lebendigkeit des hochbetagten Malers täglich zu beobachten, da er gleich¬
zeitig mit Koch in der Villa Massimi beschäftigt war, wo er die Fresken für
das Ariostzimmcr schuf, während Koch die vier Wände des Dcmtezimmers zur
Ausschmückung übernommen hatte. Schmorr berichtet über das Zusammen¬
arbeiten mit Koch an einer Stelle seines italienischen Tagebuches, das uns der
gegenwärtige Besitzer desselben freundlichst zur Einsicht überließ, folgende, wie
uus scheinen will, für Kochs Wesen sehr charakteristischen Einzelheiten:


Julius Schmorr von Carolsfeld, Italienisches Tagebuch, seiner Frau
diktirt. S. 69 fig. (1826.)

Nachdem die Zeit verflossen our, die hier^) zuzubringen ich mir erlauben
durfte, ging ich nach Rom zurück und begann mich nun mit Ernst zu dem letzten
Theile meiner Arbeit in der Villa Massimi zu rüsten. Vieler Vorbereitungen be¬
dürfte es nicht; denn ich hatte schou im Sommer vor meiner Reise nach Sizilien
den Carton zur letzten Wand gemacht. Mein Antonio war auch bereit, und so
konnte ich denn gleich anfangen zu malen. Koch, der schon vor längerer Zeit die
Wände des Zimmers auszumalen übernommen hatte, dessen Decke von Philipp Veit
gemalt war, war auch gleich bei der Hand, als ich zu arbeiten anfing. Ich be¬
merke bei dieser Gelegenheit, daß ich noch nie die Lebensfülle und Frische dieses
Mannes in solcher Mühe kennen gelernt hatte, als sie sich bei der Arbeit zeigte,
die er hier ausführte. Es ist gewiß keine Kleinigkeit, daß ein Mann in seinen
Jahren, der nie vorher größere historische Sachen ausgeführt, am allerwenigsten
ni ki'i'ssoo gemalt hatte, eine große Arbeit dieser Art übernimmt; noch mehr will es
aber sagen, daß dieser Manu seine Aufgaben mit so lebendigem Eifer und mit
solcher Beharrlichkeit durchführt, wie er es gethan hat. Dabei war Koch auf eine
Weise anspruchslos, die mich oft rührte und beschämte. Er, der berühmte Künstler,
der bejahrte Mann, stellte sich hier ganz als Anfänger, als Schüler: jede Belehrung
nahm er mit Dank an, und wollte man an seiner Arbeit irgend etwas bessern,
so ließ er gewähren und machte wohl gar den Handlanger. Konnte er nicht zu¬
recht kommen, so klagte er sich auf das Bielersee "der Ungeschicklichkeit an und for¬
derte mich auf, ihn zu schelten: „zause Sie mich bei de Ohre, wenn ich's nicht
recht mache," sagte er öfters in seinem Tiroler Deutsch. Freilich war er dann auch



5) In Frnseati, wo Schmorr Ausnahme bei der Familie Bunsen gesunden hatte.
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[0204] Analekten zur Geschichte der neuere» deutschen Kunst. 2. Lin Urteil Julius Schmorrs über Josef Anton Roch. Das unter Dohmes Leitung erscheinende Sammelwerk: „Kunst und Künstler des neunzehnten Jahrhunderts" hat uns in diesem Jahre auch eine Biographie des originellsten der römischen Kunstgenossen, des Landschaftsmalers Josef Anton Koch, von der Hand Th. Frimmels gebracht. Dieser Arbeit ist jedenfalls eine sorgsame Verwertung des vorhandenen biographischen Materials nachzurühmen. Ob die künstlerische Beurteilung und Charakteristik, die Frimmel giebt, überall die richtige ist, lassen wir dahingestellt; wir begnügen uns damit, gegen die Behauptung, daß ungefähr seit dem Jahre 1809 ein Abnehmen von Kochs Leistungsfähigkeit zu bemerken gewesen sei (S. 19), die Autorität Julius Schmorrs anzurufen. Schmorr hatte im Jahre 1326 Gelegenheit, die wunderbare Frische und Lebendigkeit des hochbetagten Malers täglich zu beobachten, da er gleich¬ zeitig mit Koch in der Villa Massimi beschäftigt war, wo er die Fresken für das Ariostzimmcr schuf, während Koch die vier Wände des Dcmtezimmers zur Ausschmückung übernommen hatte. Schmorr berichtet über das Zusammen¬ arbeiten mit Koch an einer Stelle seines italienischen Tagebuches, das uns der gegenwärtige Besitzer desselben freundlichst zur Einsicht überließ, folgende, wie uus scheinen will, für Kochs Wesen sehr charakteristischen Einzelheiten: Julius Schmorr von Carolsfeld, Italienisches Tagebuch, seiner Frau diktirt. S. 69 fig. (1826.) Nachdem die Zeit verflossen our, die hier^) zuzubringen ich mir erlauben durfte, ging ich nach Rom zurück und begann mich nun mit Ernst zu dem letzten Theile meiner Arbeit in der Villa Massimi zu rüsten. Vieler Vorbereitungen be¬ dürfte es nicht; denn ich hatte schou im Sommer vor meiner Reise nach Sizilien den Carton zur letzten Wand gemacht. Mein Antonio war auch bereit, und so konnte ich denn gleich anfangen zu malen. Koch, der schon vor längerer Zeit die Wände des Zimmers auszumalen übernommen hatte, dessen Decke von Philipp Veit gemalt war, war auch gleich bei der Hand, als ich zu arbeiten anfing. Ich be¬ merke bei dieser Gelegenheit, daß ich noch nie die Lebensfülle und Frische dieses Mannes in solcher Mühe kennen gelernt hatte, als sie sich bei der Arbeit zeigte, die er hier ausführte. Es ist gewiß keine Kleinigkeit, daß ein Mann in seinen Jahren, der nie vorher größere historische Sachen ausgeführt, am allerwenigsten ni ki'i'ssoo gemalt hatte, eine große Arbeit dieser Art übernimmt; noch mehr will es aber sagen, daß dieser Manu seine Aufgaben mit so lebendigem Eifer und mit solcher Beharrlichkeit durchführt, wie er es gethan hat. Dabei war Koch auf eine Weise anspruchslos, die mich oft rührte und beschämte. Er, der berühmte Künstler, der bejahrte Mann, stellte sich hier ganz als Anfänger, als Schüler: jede Belehrung nahm er mit Dank an, und wollte man an seiner Arbeit irgend etwas bessern, so ließ er gewähren und machte wohl gar den Handlanger. Konnte er nicht zu¬ recht kommen, so klagte er sich auf das Bielersee "der Ungeschicklichkeit an und for¬ derte mich auf, ihn zu schelten: „zause Sie mich bei de Ohre, wenn ich's nicht recht mache," sagte er öfters in seinem Tiroler Deutsch. Freilich war er dann auch 5) In Frnseati, wo Schmorr Ausnahme bei der Familie Bunsen gesunden hatte.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 44, 1885, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341841_194675/204>, abgerufen am 12.11.2024.