Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.Literatur. Verfasser der letzten Gewerbeordnungsnovelle, er hat sie allein gegen die Masse der Die Agrarfrage der Gegenwart. sozialpolitische Studien. Wo" Dr. Eugen JSyer. Zweite Abteilung. Berlin, Puttkammer Miihlbrecht, 1884. 384 S. Die in der ersten Abteilung des Werkes begonnene geschichtliche Entwicklung Literatur. Verfasser der letzten Gewerbeordnungsnovelle, er hat sie allein gegen die Masse der Die Agrarfrage der Gegenwart. sozialpolitische Studien. Wo» Dr. Eugen JSyer. Zweite Abteilung. Berlin, Puttkammer Miihlbrecht, 1884. 384 S. Die in der ersten Abteilung des Werkes begonnene geschichtliche Entwicklung <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0689" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/155572"/> <fw type="header" place="top"> Literatur.</fw><lb/> <p xml:id="ID_2653" prev="#ID_2652"> Verfasser der letzten Gewerbeordnungsnovelle, er hat sie allein gegen die Masse der<lb/> Gegner im Reichstage vertreten und durchgebracht, und wenn das deutsche Volk<lb/> aus den gesünder gewordenen Grundsätzen der Gewerbeordnung die unausbleiblichen<lb/> Segnungen schöpfen wird, dann wird auch der Name Bödikers unvergessen sein.<lb/> Neben diesen großen Arbeiten hat aber der Verfasser mit einem bewnndernngs-<lb/> werten Fleiß die Unfallstatistik des deutschen Reiches bearbeitet und sich dadurch<lb/> einerseits eine Grundlage, andrerseits seine eigne Qualifikation für die Reform<lb/> der Unfallversicherung geschaffen. In ihm hat der Kanzler einen wackern<lb/> Gehilfen für die Vertretung des gegenwärtigen Entwurfes gefunden. Da?<lb/> vorliegende Buch Bödikers kann man gleichsam als die Unterlagen zu den Mo¬<lb/> tiven jenes Gesetzentwurfes bezeichnen. Es enthält eine objektive Darstellung<lb/> der rechtsgeschichtlichen Entwicklung der Haftpflicht in Enropa, es deckt die ver<lb/> schiedncn Stadien, welche die europäische Gesetzgebung in dieser Frage durch¬<lb/> laufen hat, mit Gründlichkeit und Sachkunde nach allen Seiten hin auf und zeigt,<lb/> wie allmählich die Wandlung aus einer reinen Frage des PrivntrechtS mit einem<lb/> Übergang (Italien) sich zu einer Frage des öffentlichen Rechts (Deutschland, Öster¬<lb/> reich) vollzogen hat. Mit ganz besondrer Schärfe und Klarheit giebt Bödiker die<lb/> Entwicklung in Deutschland, die Unterschiede der verschiednen Entwürfe von einander<lb/> und die Vorzüge des gegenwärtigen. Bescheiden sagt der Verfasser, seine Schrift sei<lb/> „nach wenigen Jahren nur noch ein Merkstein an dem Wege der sozialpolitischen<lb/> Entwicklung, heute noch em Wegweiser." Sie ist es viel mehr als dieses; sie bildet<lb/> die wissenschaftliche Grundlage des Unfallversichernngsrechtcs, welche maßgebend sein<lb/> wird, welches Schicksal auch der Vorlage der Regierung von verblendeter Gegner¬<lb/> schaft bereitet werden mag. Mag sie zu Falle gebracht werdeu, die Frage wird<lb/> vor ihrer endgiltigen Lösung im Sinne des Reichskanzlers von der Tagesordnung<lb/> der europäischen Parlamente nicht verschwinden, und jeder, der sie weiter zu fördern<lb/> oder zu bekämpfen haben wird, wird seinen Ausgangspunkt immer wieder von der<lb/> lichtvollen Darstellung Bödikers zu nehmen haben.</p><lb/> </div> <div n="2"> <head> Die Agrarfrage der Gegenwart. sozialpolitische Studien. Wo» Dr. Eugen JSyer.<lb/> Zweite Abteilung. Berlin, Puttkammer Miihlbrecht, 1884. 384 S.</head><lb/> <p xml:id="ID_2654" next="#ID_2655"> Die in der ersten Abteilung des Werkes begonnene geschichtliche Entwicklung<lb/> des Bauernstandes wird zunächst in dieser zweiten Abteilung fortgesetzt. Imi 16.,<lb/> 17. und 13. Jahrhundert verschlimmert sich die Lage des Bauernstandes durch den<lb/> Sieg des fürstlichen Absolutismus, welcher dem Adel zum Ersatz seines politischen<lb/> Freiheitsverlustes den Bauern ausliefert, der leibeigen und rechtlos wird. Die Kirche<lb/> selbst, die berufene Fürsorgerin der mühselig Beladenen, vergißt ganz ihre hohe<lb/> Aufgabe und stellt sich vollständig in den Dienst der absoluten Gewaltherrschaft.<lb/> Freilich giebt es auch rühmliche Ausnahmen; uuter deu deutschen Fürsten waren<lb/> es besonders die Hohenzollern, die rois clss Asux, welche schon frühzeitig begannen,<lb/> für das Interesse ihrer Bauern zu sorgen und dieselben von der Hörigkeit zu be¬<lb/> freien. Auch der Schleswig-holsteinische Adel giebt ein rühmliches Beispiel. Die<lb/> französische Revolution bewirkt sodann auch in Deutschland die völlige Aufhebung<lb/> der Hörigkeit. Wieder ist es Preußen, welches mit seinen Befreiungsedikten allen<lb/> andern deutschen Staaten vorangeht, allein die Ablösung der gutsherrlichen Rechte<lb/> ist eine ungenügende. Der Bauer, welchem die Baarmittel fehlen, ist nicht imstande,<lb/> sich die volle Unabhängigkeit zu erringen. Dieselbe wird erst durch die liberale<lb/> Bewegung des Jahres 1843 vollendet. So sehr auch diese Unabhängigkeit und<lb/> diese Aufhebung der Hörigkeit als M der Gerechtigkeit und Zivilisation anerkannt</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0689]
Literatur.
Verfasser der letzten Gewerbeordnungsnovelle, er hat sie allein gegen die Masse der
Gegner im Reichstage vertreten und durchgebracht, und wenn das deutsche Volk
aus den gesünder gewordenen Grundsätzen der Gewerbeordnung die unausbleiblichen
Segnungen schöpfen wird, dann wird auch der Name Bödikers unvergessen sein.
Neben diesen großen Arbeiten hat aber der Verfasser mit einem bewnndernngs-
werten Fleiß die Unfallstatistik des deutschen Reiches bearbeitet und sich dadurch
einerseits eine Grundlage, andrerseits seine eigne Qualifikation für die Reform
der Unfallversicherung geschaffen. In ihm hat der Kanzler einen wackern
Gehilfen für die Vertretung des gegenwärtigen Entwurfes gefunden. Da?
vorliegende Buch Bödikers kann man gleichsam als die Unterlagen zu den Mo¬
tiven jenes Gesetzentwurfes bezeichnen. Es enthält eine objektive Darstellung
der rechtsgeschichtlichen Entwicklung der Haftpflicht in Enropa, es deckt die ver
schiedncn Stadien, welche die europäische Gesetzgebung in dieser Frage durch¬
laufen hat, mit Gründlichkeit und Sachkunde nach allen Seiten hin auf und zeigt,
wie allmählich die Wandlung aus einer reinen Frage des PrivntrechtS mit einem
Übergang (Italien) sich zu einer Frage des öffentlichen Rechts (Deutschland, Öster¬
reich) vollzogen hat. Mit ganz besondrer Schärfe und Klarheit giebt Bödiker die
Entwicklung in Deutschland, die Unterschiede der verschiednen Entwürfe von einander
und die Vorzüge des gegenwärtigen. Bescheiden sagt der Verfasser, seine Schrift sei
„nach wenigen Jahren nur noch ein Merkstein an dem Wege der sozialpolitischen
Entwicklung, heute noch em Wegweiser." Sie ist es viel mehr als dieses; sie bildet
die wissenschaftliche Grundlage des Unfallversichernngsrechtcs, welche maßgebend sein
wird, welches Schicksal auch der Vorlage der Regierung von verblendeter Gegner¬
schaft bereitet werden mag. Mag sie zu Falle gebracht werdeu, die Frage wird
vor ihrer endgiltigen Lösung im Sinne des Reichskanzlers von der Tagesordnung
der europäischen Parlamente nicht verschwinden, und jeder, der sie weiter zu fördern
oder zu bekämpfen haben wird, wird seinen Ausgangspunkt immer wieder von der
lichtvollen Darstellung Bödikers zu nehmen haben.
Die Agrarfrage der Gegenwart. sozialpolitische Studien. Wo» Dr. Eugen JSyer.
Zweite Abteilung. Berlin, Puttkammer Miihlbrecht, 1884. 384 S.
Die in der ersten Abteilung des Werkes begonnene geschichtliche Entwicklung
des Bauernstandes wird zunächst in dieser zweiten Abteilung fortgesetzt. Imi 16.,
17. und 13. Jahrhundert verschlimmert sich die Lage des Bauernstandes durch den
Sieg des fürstlichen Absolutismus, welcher dem Adel zum Ersatz seines politischen
Freiheitsverlustes den Bauern ausliefert, der leibeigen und rechtlos wird. Die Kirche
selbst, die berufene Fürsorgerin der mühselig Beladenen, vergißt ganz ihre hohe
Aufgabe und stellt sich vollständig in den Dienst der absoluten Gewaltherrschaft.
Freilich giebt es auch rühmliche Ausnahmen; uuter deu deutschen Fürsten waren
es besonders die Hohenzollern, die rois clss Asux, welche schon frühzeitig begannen,
für das Interesse ihrer Bauern zu sorgen und dieselben von der Hörigkeit zu be¬
freien. Auch der Schleswig-holsteinische Adel giebt ein rühmliches Beispiel. Die
französische Revolution bewirkt sodann auch in Deutschland die völlige Aufhebung
der Hörigkeit. Wieder ist es Preußen, welches mit seinen Befreiungsedikten allen
andern deutschen Staaten vorangeht, allein die Ablösung der gutsherrlichen Rechte
ist eine ungenügende. Der Bauer, welchem die Baarmittel fehlen, ist nicht imstande,
sich die volle Unabhängigkeit zu erringen. Dieselbe wird erst durch die liberale
Bewegung des Jahres 1843 vollendet. So sehr auch diese Unabhängigkeit und
diese Aufhebung der Hörigkeit als M der Gerechtigkeit und Zivilisation anerkannt
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