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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

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Zwei Erwiederungen.

zu laufen! Das wäre freilich schrecklich. Dann könnten die Herren Museums¬
beamten, von denen übrigens der und jener die "Verfeinerung der Gesinnung"
schwer erkennen läßt, keine Reisen mehr auf Staatskosten nach Italien, Frankreich
und England machen, dann müßte der arme Finanzbaron sein koscheres Mahl
wieder in der Lehmhütte wie seine über unsre Ostgrenze eingewanderten Vorfahren
einnehmen; aus wäre es mit den "antiken" Stühlen, der "antiken" Tischwäsche und
den massiv goldnen Prunkgefäßen aus dem "Familienschatz." Ja, die "Brutalisi-
ruug aller Lebensverhältnisse" -- es ist unglaublich, was die "Reaktion" nicht
alles anstrebt, sogar den Antiquitäten- und Raritätenhändlern will sie das Geschäft
verderben.

Die Grenzboten der "Abgunst gegen die Kunst" zu beschuldigen, ist gerade so
abgeschmackt, als wenn jemand der Nativnalzeitung "Abgunst" gegen die fort¬
schreitende Verjudung unsers öffentlichen Lebens oder "Abgunst" gegen die intimen
Beziehungen einer Zeitung zu Börsenmatadoren oder "Abgunst" gegen die "Tätig¬
keit und Rohheit" semitischer Literaten nachrühmen wollte. Weit entfernt, den
Aufwand einiger Millionen für Kunstzwecke abgünstig zu beurteilen, gewährt es
uns vielmehr die höchste Befriedigung, zu sehen, wenn dem Staate zur Förderung
idealer Zwecke ausreichende Mittel zur Verfügung stehen. Aber die Grenzboten
werden sich durch die "Rohheit und Tappigkeit" der Natioualzeitung nicht davon
abhalten lassen, ihre Stimme zu erheben gegen die Verwendung von Staatsgeldern
im Interesse einseitiger Liebhabereien und zur Begünstigung herrschender Mode¬
thorheiten.




Anmerkung der Redaktion.

Die Natioualzeitung hat in Verbindung
mit ihren eignen Auslassungen eine Notiz der "Germania" abgedruckt, worin
wieder einmal angenommen wird, daß unser Mitarbeiter, Herr Dr. Moritz Busch,
Redakteur dieser Blätter oder gar Verfasser des Artikels "Aus dem Preußischen
Landtage" sei; auch der "Kladderadatsch" sagt über diesen Artikel: Herr Busch
"nlle" in den Grenzboten :c. Dem "Kladderadatsch," bei dem ja schon längst die
"Gesinnungstüchtigkeit" den Witz bedeutend überwiegt, nehmen wir das nicht übel.
Die Nationalzeitung aber weiß, daß sie damit einem Irrtum Vorschub geleistet
hat, denn sie hat schon vor einiger Zeit einmal die Behauptung widerrufen müssen,
daß Herr Dr. Busch Redakteur der Grenzboten sei. In dem ganzen Angriff der
Nationalzeitung macht sich wohl nur der versetzte Grimm über die Zurechtweisung
etwas Luft, welche sie jüngst wegen Bnschs Buch "Unser Reichskanzler" hat hin¬
nehmen müssen. Da wurde man plötzlich ganz still, nachdem man vorher den
Mund gewaltig weit aufgerissen hatte.




Zwei Erwiederungen.

zu laufen! Das wäre freilich schrecklich. Dann könnten die Herren Museums¬
beamten, von denen übrigens der und jener die „Verfeinerung der Gesinnung"
schwer erkennen läßt, keine Reisen mehr auf Staatskosten nach Italien, Frankreich
und England machen, dann müßte der arme Finanzbaron sein koscheres Mahl
wieder in der Lehmhütte wie seine über unsre Ostgrenze eingewanderten Vorfahren
einnehmen; aus wäre es mit den „antiken" Stühlen, der „antiken" Tischwäsche und
den massiv goldnen Prunkgefäßen aus dem „Familienschatz." Ja, die „Brutalisi-
ruug aller Lebensverhältnisse" — es ist unglaublich, was die „Reaktion" nicht
alles anstrebt, sogar den Antiquitäten- und Raritätenhändlern will sie das Geschäft
verderben.

Die Grenzboten der „Abgunst gegen die Kunst" zu beschuldigen, ist gerade so
abgeschmackt, als wenn jemand der Nativnalzeitung „Abgunst" gegen die fort¬
schreitende Verjudung unsers öffentlichen Lebens oder „Abgunst" gegen die intimen
Beziehungen einer Zeitung zu Börsenmatadoren oder „Abgunst" gegen die „Tätig¬
keit und Rohheit" semitischer Literaten nachrühmen wollte. Weit entfernt, den
Aufwand einiger Millionen für Kunstzwecke abgünstig zu beurteilen, gewährt es
uns vielmehr die höchste Befriedigung, zu sehen, wenn dem Staate zur Förderung
idealer Zwecke ausreichende Mittel zur Verfügung stehen. Aber die Grenzboten
werden sich durch die „Rohheit und Tappigkeit" der Natioualzeitung nicht davon
abhalten lassen, ihre Stimme zu erheben gegen die Verwendung von Staatsgeldern
im Interesse einseitiger Liebhabereien und zur Begünstigung herrschender Mode¬
thorheiten.




Anmerkung der Redaktion.

Die Natioualzeitung hat in Verbindung
mit ihren eignen Auslassungen eine Notiz der „Germania" abgedruckt, worin
wieder einmal angenommen wird, daß unser Mitarbeiter, Herr Dr. Moritz Busch,
Redakteur dieser Blätter oder gar Verfasser des Artikels „Aus dem Preußischen
Landtage" sei; auch der „Kladderadatsch" sagt über diesen Artikel: Herr Busch
„nlle" in den Grenzboten :c. Dem „Kladderadatsch," bei dem ja schon längst die
„Gesinnungstüchtigkeit" den Witz bedeutend überwiegt, nehmen wir das nicht übel.
Die Nationalzeitung aber weiß, daß sie damit einem Irrtum Vorschub geleistet
hat, denn sie hat schon vor einiger Zeit einmal die Behauptung widerrufen müssen,
daß Herr Dr. Busch Redakteur der Grenzboten sei. In dem ganzen Angriff der
Nationalzeitung macht sich wohl nur der versetzte Grimm über die Zurechtweisung
etwas Luft, welche sie jüngst wegen Bnschs Buch „Unser Reichskanzler" hat hin¬
nehmen müssen. Da wurde man plötzlich ganz still, nachdem man vorher den
Mund gewaltig weit aufgerissen hatte.




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[0637] Zwei Erwiederungen. zu laufen! Das wäre freilich schrecklich. Dann könnten die Herren Museums¬ beamten, von denen übrigens der und jener die „Verfeinerung der Gesinnung" schwer erkennen läßt, keine Reisen mehr auf Staatskosten nach Italien, Frankreich und England machen, dann müßte der arme Finanzbaron sein koscheres Mahl wieder in der Lehmhütte wie seine über unsre Ostgrenze eingewanderten Vorfahren einnehmen; aus wäre es mit den „antiken" Stühlen, der „antiken" Tischwäsche und den massiv goldnen Prunkgefäßen aus dem „Familienschatz." Ja, die „Brutalisi- ruug aller Lebensverhältnisse" — es ist unglaublich, was die „Reaktion" nicht alles anstrebt, sogar den Antiquitäten- und Raritätenhändlern will sie das Geschäft verderben. Die Grenzboten der „Abgunst gegen die Kunst" zu beschuldigen, ist gerade so abgeschmackt, als wenn jemand der Nativnalzeitung „Abgunst" gegen die fort¬ schreitende Verjudung unsers öffentlichen Lebens oder „Abgunst" gegen die intimen Beziehungen einer Zeitung zu Börsenmatadoren oder „Abgunst" gegen die „Tätig¬ keit und Rohheit" semitischer Literaten nachrühmen wollte. Weit entfernt, den Aufwand einiger Millionen für Kunstzwecke abgünstig zu beurteilen, gewährt es uns vielmehr die höchste Befriedigung, zu sehen, wenn dem Staate zur Förderung idealer Zwecke ausreichende Mittel zur Verfügung stehen. Aber die Grenzboten werden sich durch die „Rohheit und Tappigkeit" der Natioualzeitung nicht davon abhalten lassen, ihre Stimme zu erheben gegen die Verwendung von Staatsgeldern im Interesse einseitiger Liebhabereien und zur Begünstigung herrschender Mode¬ thorheiten. Anmerkung der Redaktion. Die Natioualzeitung hat in Verbindung mit ihren eignen Auslassungen eine Notiz der „Germania" abgedruckt, worin wieder einmal angenommen wird, daß unser Mitarbeiter, Herr Dr. Moritz Busch, Redakteur dieser Blätter oder gar Verfasser des Artikels „Aus dem Preußischen Landtage" sei; auch der „Kladderadatsch" sagt über diesen Artikel: Herr Busch „nlle" in den Grenzboten :c. Dem „Kladderadatsch," bei dem ja schon längst die „Gesinnungstüchtigkeit" den Witz bedeutend überwiegt, nehmen wir das nicht übel. Die Nationalzeitung aber weiß, daß sie damit einem Irrtum Vorschub geleistet hat, denn sie hat schon vor einiger Zeit einmal die Behauptung widerrufen müssen, daß Herr Dr. Busch Redakteur der Grenzboten sei. In dem ganzen Angriff der Nationalzeitung macht sich wohl nur der versetzte Grimm über die Zurechtweisung etwas Luft, welche sie jüngst wegen Bnschs Buch „Unser Reichskanzler" hat hin¬ nehmen müssen. Da wurde man plötzlich ganz still, nachdem man vorher den Mund gewaltig weit aufgerissen hatte.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/637>, abgerufen am 27.06.2024.