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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

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Zur gefälligen Beachtung. Um die neue Novell" mit dem ersten Hefte des neuen (Quartals (Heft ^) beginnen
zu können, werden die beiden nächsten Hefte (52. und iz.) ausnahmsweise ohne erzäh¬
lende Beigabe sein.

Eduard Laster.

"zcum ein Mann, der sich lediglich durch seine persönlichen Eigen¬
schaften eine Stellung erworben hat, kraft deren er lauge Zeit
hindurch Einfluß auf die Geschicke unsers Vaterlandes geübt,
plötzlich noch in kräftigem Mannesalter aus dem Leben scheidet,
so muß das auf jeden, der ihn gekannt, einen ernsten Eindruck
machen. Dieses Gefühl wird bei der unerwarteten Nachricht von dem Tode
Eduard Lasters vielleicht auch diejenigen ergriffen haben, welche während seines
Lebens nicht zu seinen unbedingten Bewunderern gehörten. Wer öffentlich gewirkt
hat, fällt mit seinem Tode der Geschichte anheim. Das of morwis M visi
tems mag noch für die Bestattungsreden gelten. Von da ab hat die Geschichte
die Aufgabe, ein in jeder Beziehung gerechtes Urteil über ihn zu fällen.

Unzweifelhaft war Laster mit großer Wärme deutsch-patriotisch gesinnt.
Nicht in Widerspruch treten wir damit, wenn wir sagen, daß Laster ein Jude
war, ein Jude nicht allein nach seiner Geburt und seiner äußern Erscheinung,
sondern auch seinem ganzen Wesen nach. Es sind viele deutsche Juden patriotisch
gesinnt, da sie in Deutschland, wo es ihrem Stamme besser ergeht als irgendwo
in der Welt, sich wohl und heimisch fühlen. Laster war ein wohldenkender,
in seiner Art liebenswürdiger Jude. Von den Eigenschaften, die man meist
den Juden beimißt, nehmen wir nur eine bei ihm aus: er war frei von
niedrigem Eigennutz. Es hat unsers Wissens nie verlautet, daß er seine Stellung
in dieser Richtung mißbraucht hätte. Er lebte in bescheidnen Verhältnissen.
Er übte seine Ncchtsanwaltschast, durch die er bei seiner Redebegabuug
Hunderttausende hätte verdienen können, nicht aus, um nicht dadurch Kollisionen
mit seiner öffentlichen Thätigkeit herbeizuführen. Im übrigen besaß Laster ganz
die Eigentümlichkeiten seines Stammes. Vor allem die guten. Er war


Grenzboten I. 1884. 74


Zur gefälligen Beachtung. Um die neue Novell« mit dem ersten Hefte des neuen (Quartals (Heft ^) beginnen
zu können, werden die beiden nächsten Hefte (52. und iz.) ausnahmsweise ohne erzäh¬
lende Beigabe sein.

Eduard Laster.

«zcum ein Mann, der sich lediglich durch seine persönlichen Eigen¬
schaften eine Stellung erworben hat, kraft deren er lauge Zeit
hindurch Einfluß auf die Geschicke unsers Vaterlandes geübt,
plötzlich noch in kräftigem Mannesalter aus dem Leben scheidet,
so muß das auf jeden, der ihn gekannt, einen ernsten Eindruck
machen. Dieses Gefühl wird bei der unerwarteten Nachricht von dem Tode
Eduard Lasters vielleicht auch diejenigen ergriffen haben, welche während seines
Lebens nicht zu seinen unbedingten Bewunderern gehörten. Wer öffentlich gewirkt
hat, fällt mit seinem Tode der Geschichte anheim. Das of morwis M visi
tems mag noch für die Bestattungsreden gelten. Von da ab hat die Geschichte
die Aufgabe, ein in jeder Beziehung gerechtes Urteil über ihn zu fällen.

Unzweifelhaft war Laster mit großer Wärme deutsch-patriotisch gesinnt.
Nicht in Widerspruch treten wir damit, wenn wir sagen, daß Laster ein Jude
war, ein Jude nicht allein nach seiner Geburt und seiner äußern Erscheinung,
sondern auch seinem ganzen Wesen nach. Es sind viele deutsche Juden patriotisch
gesinnt, da sie in Deutschland, wo es ihrem Stamme besser ergeht als irgendwo
in der Welt, sich wohl und heimisch fühlen. Laster war ein wohldenkender,
in seiner Art liebenswürdiger Jude. Von den Eigenschaften, die man meist
den Juden beimißt, nehmen wir nur eine bei ihm aus: er war frei von
niedrigem Eigennutz. Es hat unsers Wissens nie verlautet, daß er seine Stellung
in dieser Richtung mißbraucht hätte. Er lebte in bescheidnen Verhältnissen.
Er übte seine Ncchtsanwaltschast, durch die er bei seiner Redebegabuug
Hunderttausende hätte verdienen können, nicht aus, um nicht dadurch Kollisionen
mit seiner öffentlichen Thätigkeit herbeizuführen. Im übrigen besaß Laster ganz
die Eigentümlichkeiten seines Stammes. Vor allem die guten. Er war


Grenzboten I. 1884. 74
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[0595] [Abbildung] Zur gefälligen Beachtung. Um die neue Novell« mit dem ersten Hefte des neuen (Quartals (Heft ^) beginnen zu können, werden die beiden nächsten Hefte (52. und iz.) ausnahmsweise ohne erzäh¬ lende Beigabe sein. Eduard Laster. «zcum ein Mann, der sich lediglich durch seine persönlichen Eigen¬ schaften eine Stellung erworben hat, kraft deren er lauge Zeit hindurch Einfluß auf die Geschicke unsers Vaterlandes geübt, plötzlich noch in kräftigem Mannesalter aus dem Leben scheidet, so muß das auf jeden, der ihn gekannt, einen ernsten Eindruck machen. Dieses Gefühl wird bei der unerwarteten Nachricht von dem Tode Eduard Lasters vielleicht auch diejenigen ergriffen haben, welche während seines Lebens nicht zu seinen unbedingten Bewunderern gehörten. Wer öffentlich gewirkt hat, fällt mit seinem Tode der Geschichte anheim. Das of morwis M visi tems mag noch für die Bestattungsreden gelten. Von da ab hat die Geschichte die Aufgabe, ein in jeder Beziehung gerechtes Urteil über ihn zu fällen. Unzweifelhaft war Laster mit großer Wärme deutsch-patriotisch gesinnt. Nicht in Widerspruch treten wir damit, wenn wir sagen, daß Laster ein Jude war, ein Jude nicht allein nach seiner Geburt und seiner äußern Erscheinung, sondern auch seinem ganzen Wesen nach. Es sind viele deutsche Juden patriotisch gesinnt, da sie in Deutschland, wo es ihrem Stamme besser ergeht als irgendwo in der Welt, sich wohl und heimisch fühlen. Laster war ein wohldenkender, in seiner Art liebenswürdiger Jude. Von den Eigenschaften, die man meist den Juden beimißt, nehmen wir nur eine bei ihm aus: er war frei von niedrigem Eigennutz. Es hat unsers Wissens nie verlautet, daß er seine Stellung in dieser Richtung mißbraucht hätte. Er lebte in bescheidnen Verhältnissen. Er übte seine Ncchtsanwaltschast, durch die er bei seiner Redebegabuug Hunderttausende hätte verdienen können, nicht aus, um nicht dadurch Kollisionen mit seiner öffentlichen Thätigkeit herbeizuführen. Im übrigen besaß Laster ganz die Eigentümlichkeiten seines Stammes. Vor allem die guten. Er war Grenzboten I. 1884. 74

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/595>, abgerufen am 27.06.2024.