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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal.

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Kaiser Maximilian I. als Kunstfreund.
von Richard Mulder. (Schluß.)

atte der Kaiser im "Theuerdank" seine Jagdabenteuer zusammen¬
gestellt, im "Weißkunig" seine zahlreichen Kriegszüge erzählt, so
beabsichtigte er nun noch in einem dritten Bande die Turniere
und Mummereien, die er zu verschiednen Zeiten und an ver-
schiednen Orten gehalten, zu einem poetischen Ganzen zusammen¬
zufassen. Das Buch, welches dieselben enthalten sollte, war der "Freydal."*)
Schon im Jahre 1502 hatte Maximilian den ersten Plan zu dem Werke ge¬
faßt, im Jahre 1S12 ging man daran, den Text in Ordnung zu bringen und
Zeichnungen anzufertigen. Aber es erging dem "Freydal" beinahe noch schlimmer
als dem "Weißkunig." Als der Kaiser starb, hatte man erst weniges geschnitten
und nur von fünf Holzstöcken Abdrücke genommen; als im Jahre 1526 König
Ferdinand an die Herausgabe der Schriften Maximilians dachte, war der
"Freydal" vollständig vergessen. Die Zeichnungen kamen in die Ambraser¬
sammlung und mit dieser später nach Wien. Seitdem finden sich seltene Er¬
wähnungen davon. Erst im Jahre 1881 veranstaltete Quirin von Leidner mit
Genehmigung des Kaisers von Osterreich eine große Prachtausgabe.

Das Bilderwerk besteht in 255 Abbildungen, die vierundsechzigmal in der¬
selben Weise geordnet sind, sodaß stets ein Rennen, ein Stechen, el" Kampf und
eine Mummerei aufeinanderfolgen. Bei den Rennen, Stechen und Kämpfen
sind immer nur die beiden in Handlung befindlichen Hauptpersonen dargestellt.
Die Mummereien find reicher an Figuren. Es läßt sich denken, daß, wie die
Beschreibung der Handlung an den vierundzwanzig Turnierhösen ziemlich scha¬
blonenhaft gehalten ist, so auch in den Bildern nicht allzuviel Abwechslung
möglich war. Der Mann, dessen Kunst der Kaiser bei diesem Buche haupt¬
sächlich in Anspruch nahm, war sein Hofschneider Martin Trummer, der schon
im Jahre 1502 beauftragt wurde, alle Kostüme, die der Kaiser jemals bei seinen
Mummereien gebraucht hatte, in ein Buch malen zu lassen. Daß Trummer
mit dieser Aufgabe betraut wurde, ist uicht seltsam, da hauptsächlich Kostüm¬
bilder nötig waren, und diese wird derjenige, der die Kostüme verfertigte, auch
am besten haben zeichnen können. Außerdem will Leidner bei diesem Werke aus



*) Vergl. Quirin von Leidner, Freydal. Des Kaisers Maximilian I. Turniere und
Mummereien. Wien, Holzhausen, 1881.
Grenzboten I. 1884. 24
Kaiser Maximilian I. als Kunstfreund.
von Richard Mulder. (Schluß.)

atte der Kaiser im „Theuerdank" seine Jagdabenteuer zusammen¬
gestellt, im „Weißkunig" seine zahlreichen Kriegszüge erzählt, so
beabsichtigte er nun noch in einem dritten Bande die Turniere
und Mummereien, die er zu verschiednen Zeiten und an ver-
schiednen Orten gehalten, zu einem poetischen Ganzen zusammen¬
zufassen. Das Buch, welches dieselben enthalten sollte, war der „Freydal."*)
Schon im Jahre 1502 hatte Maximilian den ersten Plan zu dem Werke ge¬
faßt, im Jahre 1S12 ging man daran, den Text in Ordnung zu bringen und
Zeichnungen anzufertigen. Aber es erging dem „Freydal" beinahe noch schlimmer
als dem „Weißkunig." Als der Kaiser starb, hatte man erst weniges geschnitten
und nur von fünf Holzstöcken Abdrücke genommen; als im Jahre 1526 König
Ferdinand an die Herausgabe der Schriften Maximilians dachte, war der
„Freydal" vollständig vergessen. Die Zeichnungen kamen in die Ambraser¬
sammlung und mit dieser später nach Wien. Seitdem finden sich seltene Er¬
wähnungen davon. Erst im Jahre 1881 veranstaltete Quirin von Leidner mit
Genehmigung des Kaisers von Osterreich eine große Prachtausgabe.

Das Bilderwerk besteht in 255 Abbildungen, die vierundsechzigmal in der¬
selben Weise geordnet sind, sodaß stets ein Rennen, ein Stechen, el» Kampf und
eine Mummerei aufeinanderfolgen. Bei den Rennen, Stechen und Kämpfen
sind immer nur die beiden in Handlung befindlichen Hauptpersonen dargestellt.
Die Mummereien find reicher an Figuren. Es läßt sich denken, daß, wie die
Beschreibung der Handlung an den vierundzwanzig Turnierhösen ziemlich scha¬
blonenhaft gehalten ist, so auch in den Bildern nicht allzuviel Abwechslung
möglich war. Der Mann, dessen Kunst der Kaiser bei diesem Buche haupt¬
sächlich in Anspruch nahm, war sein Hofschneider Martin Trummer, der schon
im Jahre 1502 beauftragt wurde, alle Kostüme, die der Kaiser jemals bei seinen
Mummereien gebraucht hatte, in ein Buch malen zu lassen. Daß Trummer
mit dieser Aufgabe betraut wurde, ist uicht seltsam, da hauptsächlich Kostüm¬
bilder nötig waren, und diese wird derjenige, der die Kostüme verfertigte, auch
am besten haben zeichnen können. Außerdem will Leidner bei diesem Werke aus



*) Vergl. Quirin von Leidner, Freydal. Des Kaisers Maximilian I. Turniere und
Mummereien. Wien, Holzhausen, 1881.
Grenzboten I. 1884. 24
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[0195] Kaiser Maximilian I. als Kunstfreund. von Richard Mulder. (Schluß.) atte der Kaiser im „Theuerdank" seine Jagdabenteuer zusammen¬ gestellt, im „Weißkunig" seine zahlreichen Kriegszüge erzählt, so beabsichtigte er nun noch in einem dritten Bande die Turniere und Mummereien, die er zu verschiednen Zeiten und an ver- schiednen Orten gehalten, zu einem poetischen Ganzen zusammen¬ zufassen. Das Buch, welches dieselben enthalten sollte, war der „Freydal."*) Schon im Jahre 1502 hatte Maximilian den ersten Plan zu dem Werke ge¬ faßt, im Jahre 1S12 ging man daran, den Text in Ordnung zu bringen und Zeichnungen anzufertigen. Aber es erging dem „Freydal" beinahe noch schlimmer als dem „Weißkunig." Als der Kaiser starb, hatte man erst weniges geschnitten und nur von fünf Holzstöcken Abdrücke genommen; als im Jahre 1526 König Ferdinand an die Herausgabe der Schriften Maximilians dachte, war der „Freydal" vollständig vergessen. Die Zeichnungen kamen in die Ambraser¬ sammlung und mit dieser später nach Wien. Seitdem finden sich seltene Er¬ wähnungen davon. Erst im Jahre 1881 veranstaltete Quirin von Leidner mit Genehmigung des Kaisers von Osterreich eine große Prachtausgabe. Das Bilderwerk besteht in 255 Abbildungen, die vierundsechzigmal in der¬ selben Weise geordnet sind, sodaß stets ein Rennen, ein Stechen, el» Kampf und eine Mummerei aufeinanderfolgen. Bei den Rennen, Stechen und Kämpfen sind immer nur die beiden in Handlung befindlichen Hauptpersonen dargestellt. Die Mummereien find reicher an Figuren. Es läßt sich denken, daß, wie die Beschreibung der Handlung an den vierundzwanzig Turnierhösen ziemlich scha¬ blonenhaft gehalten ist, so auch in den Bildern nicht allzuviel Abwechslung möglich war. Der Mann, dessen Kunst der Kaiser bei diesem Buche haupt¬ sächlich in Anspruch nahm, war sein Hofschneider Martin Trummer, der schon im Jahre 1502 beauftragt wurde, alle Kostüme, die der Kaiser jemals bei seinen Mummereien gebraucht hatte, in ein Buch malen zu lassen. Daß Trummer mit dieser Aufgabe betraut wurde, ist uicht seltsam, da hauptsächlich Kostüm¬ bilder nötig waren, und diese wird derjenige, der die Kostüme verfertigte, auch am besten haben zeichnen können. Außerdem will Leidner bei diesem Werke aus *) Vergl. Quirin von Leidner, Freydal. Des Kaisers Maximilian I. Turniere und Mummereien. Wien, Holzhausen, 1881. Grenzboten I. 1884. 24

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_158199/195>, abgerufen am 03.07.2024.