Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.Paul Heyses Gedichte. u keiner gelegenerer Stunde konnte Paul Heyse seine Ge¬
*) Dritte Auflage, aus dem "Skizzenbuch" und den "Versen aus Italien" vermehrt.
Berlin, Wilhelm Hertz (Bessersche Buchhandlung), 133S. Paul Heyses Gedichte. u keiner gelegenerer Stunde konnte Paul Heyse seine Ge¬
*) Dritte Auflage, aus dem „Skizzenbuch" und den „Versen aus Italien" vermehrt.
Berlin, Wilhelm Hertz (Bessersche Buchhandlung), 133S. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0630" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/157555"/> </div> <div n="1"> <head> Paul Heyses Gedichte.</head><lb/> <p xml:id="ID_2183"> u keiner gelegenerer Stunde konnte Paul Heyse seine Ge¬<lb/> dichte sammeln und die lyrischen Produkte seines ganzen Lebens,<lb/> ein Bild seiner gesamten Entwicklung darbietend, zu einem zier¬<lb/> lichen Bande vereinigt dem deutschen Publikum vorlegen,*) Man<lb/> darf Wohl sagen: wie auf keinen seiner dichterischen Zeitgenossen<lb/> sind die Blicke der deutschen Nation auf ihn in diesem Momente gerichtet. Er<lb/> hat sich durch eine stattliche Reihe von geistvollen und schönen Novellen ein<lb/> treues und verehrungsvolles Publikum geschaffen; er hat in zwei großen Ro¬<lb/> manen die tiefsten Probleme der nach Klarheit und Befriedigung suchenden<lb/> Gegenwart behandelt, und die Anerkennung seiner Bemühungen um die höchste<lb/> dichterische Kunstform, um die dramatische, ist ihm schließlich nach langem, hartem<lb/> Ringen durch die höchste Auszeichnung zuteil geworden, welche das Vater¬<lb/> land seinem Dichter gewähren kann. Wie keine andre Anerkennung, muß den<lb/> idealisch nach der Gunst des Volkes strebenden Dichter eben jene letztere erfreut<lb/> haben, da er keiner von denen ist, die auf erworbenen Lorbern behaglich ruhen<lb/> bleiben, ohne immer vorwärts zu streben. Kein zweideutiges Urteil hat ihn<lb/> je mehr geschmerzt, als wenn man sein Drama mit dem Lobe des Novellisten<lb/> achtungsvoll ablehnte. Elegisch und spöttisch zugleich äußerte er sich darüber<lb/> in einem „Reisebriefe an Wilhelm Herz" vom 11. Februar 1878:</p><lb/> <quote> <lg xml:id="POEMID_18" type="poem"> <l> Denn jene Zeit ist längst cntflohn,<lb/> Da ein begnadeter Musensohn<lb/> In seines Wesens macht'gen Ring<lb/> Die sieben freien Kunst' umfing,<lb/> Und es sich schier von selbst verstand,<lb/> Daß eines bildenden Meisters Hand,<lb/> Gewohnt, den Marmor zu beHauen,<lb/> Auch müsse wissen ein Haus zu bauen,<lb/> Ein Bild zu malen, Laute zu schlagen,<lb/> In Versen seine Liebe zu klagen. . . .<lb/> Doch heut verfeindeten sie sich kläglich,<lb/> Schaut jede eifersüchtig drein,<lb/> Will ihren Mann für sich allein,<lb/> Ja selbst in eignen Reiches Grenzen<lb/> Soll er durch weise Beschränkung glänzen</l> </lg> </quote><lb/> <note xml:id="FID_53" place="foot"> *) Dritte Auflage, aus dem „Skizzenbuch" und den „Versen aus Italien" vermehrt.<lb/> Berlin, Wilhelm Hertz (Bessersche Buchhandlung), 133S.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0630]
Paul Heyses Gedichte.
u keiner gelegenerer Stunde konnte Paul Heyse seine Ge¬
dichte sammeln und die lyrischen Produkte seines ganzen Lebens,
ein Bild seiner gesamten Entwicklung darbietend, zu einem zier¬
lichen Bande vereinigt dem deutschen Publikum vorlegen,*) Man
darf Wohl sagen: wie auf keinen seiner dichterischen Zeitgenossen
sind die Blicke der deutschen Nation auf ihn in diesem Momente gerichtet. Er
hat sich durch eine stattliche Reihe von geistvollen und schönen Novellen ein
treues und verehrungsvolles Publikum geschaffen; er hat in zwei großen Ro¬
manen die tiefsten Probleme der nach Klarheit und Befriedigung suchenden
Gegenwart behandelt, und die Anerkennung seiner Bemühungen um die höchste
dichterische Kunstform, um die dramatische, ist ihm schließlich nach langem, hartem
Ringen durch die höchste Auszeichnung zuteil geworden, welche das Vater¬
land seinem Dichter gewähren kann. Wie keine andre Anerkennung, muß den
idealisch nach der Gunst des Volkes strebenden Dichter eben jene letztere erfreut
haben, da er keiner von denen ist, die auf erworbenen Lorbern behaglich ruhen
bleiben, ohne immer vorwärts zu streben. Kein zweideutiges Urteil hat ihn
je mehr geschmerzt, als wenn man sein Drama mit dem Lobe des Novellisten
achtungsvoll ablehnte. Elegisch und spöttisch zugleich äußerte er sich darüber
in einem „Reisebriefe an Wilhelm Herz" vom 11. Februar 1878:
Denn jene Zeit ist längst cntflohn,
Da ein begnadeter Musensohn
In seines Wesens macht'gen Ring
Die sieben freien Kunst' umfing,
Und es sich schier von selbst verstand,
Daß eines bildenden Meisters Hand,
Gewohnt, den Marmor zu beHauen,
Auch müsse wissen ein Haus zu bauen,
Ein Bild zu malen, Laute zu schlagen,
In Versen seine Liebe zu klagen. . . .
Doch heut verfeindeten sie sich kläglich,
Schaut jede eifersüchtig drein,
Will ihren Mann für sich allein,
Ja selbst in eignen Reiches Grenzen
Soll er durch weise Beschränkung glänzen
*) Dritte Auflage, aus dem „Skizzenbuch" und den „Versen aus Italien" vermehrt.
Berlin, Wilhelm Hertz (Bessersche Buchhandlung), 133S.
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