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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.

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pfisters Mühle.

Pfropfenzieher. Den solltest du zum Angedenken an diese urgemütlichen Abschieds-
stunden doch von deinem Reisegepäck zurück- und mit dem Grundstein von Nen-
Pfisteria verscharren lassen. Ich werde dann jedenfalls eine vidimirte Abschrift
des Schlußerkenntnisses in Sachen Vater Pfister oontru. Krickerode beilegen und
der Baumeister dort seine Visitenkarte.
''

Geh nur hin, geh nur wieder zu deiner kleinen, guten Frau, Ebert,
flüsterte mir meine Pflegemutter zu. Ja, der Meister, dem seliger Vater, hatte
ganz Recht, als er einsah, daß es nicht anders ging. Die Herren haben auch
ganz Recht, daß sie sich nicht mehr, als nötig ist, aus dem letzten Abende von
Pfisters Mühle machen.

Ich nahm ziemlich fest den lustig dargebotenen Arm des wohlberufenen
Advokaten und rechtsgelehrten Beistandes und Siegers in unserm Prozeß gegen
Krickerode --


Schön' Müllerin schließt's Fenster zu,
Und alles liegt in tiefer Ruh,
Des Morgens Nebel haben
Die Mühle ganz begraben; --

----------der nächste Morgen sah uns auf der Eisenbahn.
Den Rest mußt du mir nun doch lieber im Waggon erzählen, oder noch
besser zu Hause im Ganzen und der Ordnung nach vorlesen, meinte Emmy, als
wir in meines Vaters Hause uns zum allerletzten male schlafen legten. Sie
erinnerte sich, todmüde von dem fröhlichen Abend, nicht daran, daß sie im
Eisenbahnwagen stets leicht Kopfweh bekommt und unfähig wird, auf das Jnter¬
essanteste hinzuhorchen.




Linundzrvanzigstes Blatt.
Auf dem Schub und im Frieden.

Wir stiegen gerade in den Wagen, der uns mit unsern Hutschachteln und
Koffern und meiner alten Christine nach der Stadt und dem Bahnhof bringen
sollte, als die erste Kastanie unter der Axt fiel. Der Architekt stand an dem teil¬
weise schon niedergelegten Zaum von Pfisters Garten und winkte uns mit dem
Hute vergnügt nach. Nun hatte ich nur noch am Bahnhöfe den schönen Strauß
zu überwinden, den Dr. ^ur. Niechei, welcher den berühmten Prozeß Pfister gegen
Krickerode so glänzend aussucht und gewann, meiner Frau ius Coupe reichte,
und dann war Pfisters Mühle nur noch in dem, was ich mit mir führte auf
diesem rasselnden, klirrenden, klappernden Eilzuge, vorbei an dem Raum und
an der Zeit.

Da brauchte ich dann wohl nicht mehr zu fragen: Wo bleiben alle die
Bilder? ... Die von ihnen, welche bleiben, lassen sich wohl am besten betrachten
im Halbtraum vom Fenster eines an der bunten, wechselnden Welt vorüber¬
fliegenden Eisenbahnwagens. --

Wie unauslöschlich fest steht Pfisters Mühle gemalt in meiner Seele!

Mir gegenüber hatte ich die geröteten Augen meiner alten Pflegemutter;
meine junge Frau lehnte meistens ihr Häuptlein an meine Schulter. Von den
wechselnden Wagengenossen und den kleinen Abenteuern der Reise ist mir dies¬
mal nichts in der Erinnerung hängen geblieben! Ich begrub den armen tra¬
gischen Poeten, Doktor Felix Lippoldes, noch einmal von Pfisters Mühle aus;


pfisters Mühle.

Pfropfenzieher. Den solltest du zum Angedenken an diese urgemütlichen Abschieds-
stunden doch von deinem Reisegepäck zurück- und mit dem Grundstein von Nen-
Pfisteria verscharren lassen. Ich werde dann jedenfalls eine vidimirte Abschrift
des Schlußerkenntnisses in Sachen Vater Pfister oontru. Krickerode beilegen und
der Baumeister dort seine Visitenkarte.
''

Geh nur hin, geh nur wieder zu deiner kleinen, guten Frau, Ebert,
flüsterte mir meine Pflegemutter zu. Ja, der Meister, dem seliger Vater, hatte
ganz Recht, als er einsah, daß es nicht anders ging. Die Herren haben auch
ganz Recht, daß sie sich nicht mehr, als nötig ist, aus dem letzten Abende von
Pfisters Mühle machen.

Ich nahm ziemlich fest den lustig dargebotenen Arm des wohlberufenen
Advokaten und rechtsgelehrten Beistandes und Siegers in unserm Prozeß gegen
Krickerode —


Schön' Müllerin schließt's Fenster zu,
Und alles liegt in tiefer Ruh,
Des Morgens Nebel haben
Die Mühle ganz begraben; --

----------der nächste Morgen sah uns auf der Eisenbahn.
Den Rest mußt du mir nun doch lieber im Waggon erzählen, oder noch
besser zu Hause im Ganzen und der Ordnung nach vorlesen, meinte Emmy, als
wir in meines Vaters Hause uns zum allerletzten male schlafen legten. Sie
erinnerte sich, todmüde von dem fröhlichen Abend, nicht daran, daß sie im
Eisenbahnwagen stets leicht Kopfweh bekommt und unfähig wird, auf das Jnter¬
essanteste hinzuhorchen.




Linundzrvanzigstes Blatt.
Auf dem Schub und im Frieden.

Wir stiegen gerade in den Wagen, der uns mit unsern Hutschachteln und
Koffern und meiner alten Christine nach der Stadt und dem Bahnhof bringen
sollte, als die erste Kastanie unter der Axt fiel. Der Architekt stand an dem teil¬
weise schon niedergelegten Zaum von Pfisters Garten und winkte uns mit dem
Hute vergnügt nach. Nun hatte ich nur noch am Bahnhöfe den schönen Strauß
zu überwinden, den Dr. ^ur. Niechei, welcher den berühmten Prozeß Pfister gegen
Krickerode so glänzend aussucht und gewann, meiner Frau ius Coupe reichte,
und dann war Pfisters Mühle nur noch in dem, was ich mit mir führte auf
diesem rasselnden, klirrenden, klappernden Eilzuge, vorbei an dem Raum und
an der Zeit.

Da brauchte ich dann wohl nicht mehr zu fragen: Wo bleiben alle die
Bilder? ... Die von ihnen, welche bleiben, lassen sich wohl am besten betrachten
im Halbtraum vom Fenster eines an der bunten, wechselnden Welt vorüber¬
fliegenden Eisenbahnwagens. —

Wie unauslöschlich fest steht Pfisters Mühle gemalt in meiner Seele!

Mir gegenüber hatte ich die geröteten Augen meiner alten Pflegemutter;
meine junge Frau lehnte meistens ihr Häuptlein an meine Schulter. Von den
wechselnden Wagengenossen und den kleinen Abenteuern der Reise ist mir dies¬
mal nichts in der Erinnerung hängen geblieben! Ich begrub den armen tra¬
gischen Poeten, Doktor Felix Lippoldes, noch einmal von Pfisters Mühle aus;


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[0604] pfisters Mühle. Pfropfenzieher. Den solltest du zum Angedenken an diese urgemütlichen Abschieds- stunden doch von deinem Reisegepäck zurück- und mit dem Grundstein von Nen- Pfisteria verscharren lassen. Ich werde dann jedenfalls eine vidimirte Abschrift des Schlußerkenntnisses in Sachen Vater Pfister oontru. Krickerode beilegen und der Baumeister dort seine Visitenkarte. '' Geh nur hin, geh nur wieder zu deiner kleinen, guten Frau, Ebert, flüsterte mir meine Pflegemutter zu. Ja, der Meister, dem seliger Vater, hatte ganz Recht, als er einsah, daß es nicht anders ging. Die Herren haben auch ganz Recht, daß sie sich nicht mehr, als nötig ist, aus dem letzten Abende von Pfisters Mühle machen. Ich nahm ziemlich fest den lustig dargebotenen Arm des wohlberufenen Advokaten und rechtsgelehrten Beistandes und Siegers in unserm Prozeß gegen Krickerode — Schön' Müllerin schließt's Fenster zu, Und alles liegt in tiefer Ruh, Des Morgens Nebel haben Die Mühle ganz begraben; -- ----------der nächste Morgen sah uns auf der Eisenbahn. Den Rest mußt du mir nun doch lieber im Waggon erzählen, oder noch besser zu Hause im Ganzen und der Ordnung nach vorlesen, meinte Emmy, als wir in meines Vaters Hause uns zum allerletzten male schlafen legten. Sie erinnerte sich, todmüde von dem fröhlichen Abend, nicht daran, daß sie im Eisenbahnwagen stets leicht Kopfweh bekommt und unfähig wird, auf das Jnter¬ essanteste hinzuhorchen. Linundzrvanzigstes Blatt. Auf dem Schub und im Frieden. Wir stiegen gerade in den Wagen, der uns mit unsern Hutschachteln und Koffern und meiner alten Christine nach der Stadt und dem Bahnhof bringen sollte, als die erste Kastanie unter der Axt fiel. Der Architekt stand an dem teil¬ weise schon niedergelegten Zaum von Pfisters Garten und winkte uns mit dem Hute vergnügt nach. Nun hatte ich nur noch am Bahnhöfe den schönen Strauß zu überwinden, den Dr. ^ur. Niechei, welcher den berühmten Prozeß Pfister gegen Krickerode so glänzend aussucht und gewann, meiner Frau ius Coupe reichte, und dann war Pfisters Mühle nur noch in dem, was ich mit mir führte auf diesem rasselnden, klirrenden, klappernden Eilzuge, vorbei an dem Raum und an der Zeit. Da brauchte ich dann wohl nicht mehr zu fragen: Wo bleiben alle die Bilder? ... Die von ihnen, welche bleiben, lassen sich wohl am besten betrachten im Halbtraum vom Fenster eines an der bunten, wechselnden Welt vorüber¬ fliegenden Eisenbahnwagens. — Wie unauslöschlich fest steht Pfisters Mühle gemalt in meiner Seele! Mir gegenüber hatte ich die geröteten Augen meiner alten Pflegemutter; meine junge Frau lehnte meistens ihr Häuptlein an meine Schulter. Von den wechselnden Wagengenossen und den kleinen Abenteuern der Reise ist mir dies¬ mal nichts in der Erinnerung hängen geblieben! Ich begrub den armen tra¬ gischen Poeten, Doktor Felix Lippoldes, noch einmal von Pfisters Mühle aus;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156924/604>, abgerufen am 27.12.2024.