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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.

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Pfisters Mühle.

wolle griff, uni, wie es seufzte, "wenigstens etwas" aus mir herauszuziehen.
Von "zu braven" Eltern, wie er meinte, war er -- 8tuäiosus zM1o8oxoig,ö
A. A. Asche -- Adam August Asche. Ich gebe Ihnen mein Wort, Vater
Pfister, sagte er, ich würde hier wahrhaftig nicht sitzen müssen, um Ihr Junges
philologisch zu belecken, wenn mein Alter etwas mehr ans das Wohlbehagen
seines Jungen und etwas weniger auf die Wohlfahrt der Welt und ihre gute
oder schlechte Meinung von ihm gegeben hätte.

Reden Sie sich nicht um Ihren besten Trost in dieser Welt, Herr Asche,
sagte mein Vater. Weil ich Ihren Vater gekannt habe, habe ich mir eben alle¬
weile gedacht, allzuweit kann der Apfel nicht vom Stamme gefallen sein, und
habe Vertrauen zu Ihnen gehabt und Sie mir aus dem Vivathoch da draußen
im Garten und vom Verliegen da draußen auf der Wiese und im Heu herein¬
geladen und Sie gegen einen Strich durch Ihr Conto und eine übrige ange¬
messene Entschädigung an meinen eignen wilden Dorfindianer und eheleiblichen
Tagedieb gesetzt.

Reden Sie sich nicht "in Ihren Hals, Vater Pfister! hat mein Freund
und Gönner, Doktor Adam Asche, gelacht.




Fünftes Blatt.
Hinter dem Beutelkasten und unter den Kastanien.

Wie wunderlich das für mich heute ist, mit dem lieben jungen Weib und
der alten Christine in unsrer alten Küche und unserm wohlgegründeten behag¬
lichen Heim in der großen Stadt in diesen abgezählten Sommertagen von der
guten alten Zeit in Pfisters Mühle zu träumen und zu schreiben! Wie sind
trotz der sonnigen, hoffnungsreichen Gegenwart jene andern, gleichfalls zu- und
abgezählten Tage und Stunden in dem müssiger, dunkeln Winkel nach hinten
hinaus gleichfalls zur "guten alten Zeit" für mich geworden!

Von dem Latein, das mir darin, wie mein gelehrter Freund Asche das
nannte, "verzapft" wurde, werde ich reden müssen. Ich weiß heute noch nicht,
wie eigentlich meine Begabung dafür ist, aber das weiß ich genau, daß wir uns
damals in dieser Hinsicht auf das Notwendigste beschränkt haben.

Es ist Ihr Junge, Vater Pfister, und so haben Sie gewissermaßen die
Berechtigung, mit ihm anzufangen, was Sie wollen. Nsnsa. bringe ich ihm
schon bei; was er nachher auf den Tisch zu stellen hat, ist Ihre und seine
Sache, sagte Studiosus Asche. Was mich anbetrifft, so wissen Sie, daß mein
Alter insolvent starb und Schönfärber war.

Und daß von meines guten Freundes Kunst, Wissenschaft und Sinnesart
vielleicht gerade das auf Sie übergegangen ist, was Sie brauchen und was andern
Leuten bei Gelegenheit auch wieder nützlich werden kann. Auf einmal kann man
selten das Beste zugleich haben; so zum Beispiel den Verstand in der Welt und


Pfisters Mühle.

wolle griff, uni, wie es seufzte, „wenigstens etwas" aus mir herauszuziehen.
Von „zu braven" Eltern, wie er meinte, war er — 8tuäiosus zM1o8oxoig,ö
A. A. Asche — Adam August Asche. Ich gebe Ihnen mein Wort, Vater
Pfister, sagte er, ich würde hier wahrhaftig nicht sitzen müssen, um Ihr Junges
philologisch zu belecken, wenn mein Alter etwas mehr ans das Wohlbehagen
seines Jungen und etwas weniger auf die Wohlfahrt der Welt und ihre gute
oder schlechte Meinung von ihm gegeben hätte.

Reden Sie sich nicht um Ihren besten Trost in dieser Welt, Herr Asche,
sagte mein Vater. Weil ich Ihren Vater gekannt habe, habe ich mir eben alle¬
weile gedacht, allzuweit kann der Apfel nicht vom Stamme gefallen sein, und
habe Vertrauen zu Ihnen gehabt und Sie mir aus dem Vivathoch da draußen
im Garten und vom Verliegen da draußen auf der Wiese und im Heu herein¬
geladen und Sie gegen einen Strich durch Ihr Conto und eine übrige ange¬
messene Entschädigung an meinen eignen wilden Dorfindianer und eheleiblichen
Tagedieb gesetzt.

Reden Sie sich nicht »in Ihren Hals, Vater Pfister! hat mein Freund
und Gönner, Doktor Adam Asche, gelacht.




Fünftes Blatt.
Hinter dem Beutelkasten und unter den Kastanien.

Wie wunderlich das für mich heute ist, mit dem lieben jungen Weib und
der alten Christine in unsrer alten Küche und unserm wohlgegründeten behag¬
lichen Heim in der großen Stadt in diesen abgezählten Sommertagen von der
guten alten Zeit in Pfisters Mühle zu träumen und zu schreiben! Wie sind
trotz der sonnigen, hoffnungsreichen Gegenwart jene andern, gleichfalls zu- und
abgezählten Tage und Stunden in dem müssiger, dunkeln Winkel nach hinten
hinaus gleichfalls zur „guten alten Zeit" für mich geworden!

Von dem Latein, das mir darin, wie mein gelehrter Freund Asche das
nannte, „verzapft" wurde, werde ich reden müssen. Ich weiß heute noch nicht,
wie eigentlich meine Begabung dafür ist, aber das weiß ich genau, daß wir uns
damals in dieser Hinsicht auf das Notwendigste beschränkt haben.

Es ist Ihr Junge, Vater Pfister, und so haben Sie gewissermaßen die
Berechtigung, mit ihm anzufangen, was Sie wollen. Nsnsa. bringe ich ihm
schon bei; was er nachher auf den Tisch zu stellen hat, ist Ihre und seine
Sache, sagte Studiosus Asche. Was mich anbetrifft, so wissen Sie, daß mein
Alter insolvent starb und Schönfärber war.

Und daß von meines guten Freundes Kunst, Wissenschaft und Sinnesart
vielleicht gerade das auf Sie übergegangen ist, was Sie brauchen und was andern
Leuten bei Gelegenheit auch wieder nützlich werden kann. Auf einmal kann man
selten das Beste zugleich haben; so zum Beispiel den Verstand in der Welt und


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[0058] Pfisters Mühle. wolle griff, uni, wie es seufzte, „wenigstens etwas" aus mir herauszuziehen. Von „zu braven" Eltern, wie er meinte, war er — 8tuäiosus zM1o8oxoig,ö A. A. Asche — Adam August Asche. Ich gebe Ihnen mein Wort, Vater Pfister, sagte er, ich würde hier wahrhaftig nicht sitzen müssen, um Ihr Junges philologisch zu belecken, wenn mein Alter etwas mehr ans das Wohlbehagen seines Jungen und etwas weniger auf die Wohlfahrt der Welt und ihre gute oder schlechte Meinung von ihm gegeben hätte. Reden Sie sich nicht um Ihren besten Trost in dieser Welt, Herr Asche, sagte mein Vater. Weil ich Ihren Vater gekannt habe, habe ich mir eben alle¬ weile gedacht, allzuweit kann der Apfel nicht vom Stamme gefallen sein, und habe Vertrauen zu Ihnen gehabt und Sie mir aus dem Vivathoch da draußen im Garten und vom Verliegen da draußen auf der Wiese und im Heu herein¬ geladen und Sie gegen einen Strich durch Ihr Conto und eine übrige ange¬ messene Entschädigung an meinen eignen wilden Dorfindianer und eheleiblichen Tagedieb gesetzt. Reden Sie sich nicht »in Ihren Hals, Vater Pfister! hat mein Freund und Gönner, Doktor Adam Asche, gelacht. Fünftes Blatt. Hinter dem Beutelkasten und unter den Kastanien. Wie wunderlich das für mich heute ist, mit dem lieben jungen Weib und der alten Christine in unsrer alten Küche und unserm wohlgegründeten behag¬ lichen Heim in der großen Stadt in diesen abgezählten Sommertagen von der guten alten Zeit in Pfisters Mühle zu träumen und zu schreiben! Wie sind trotz der sonnigen, hoffnungsreichen Gegenwart jene andern, gleichfalls zu- und abgezählten Tage und Stunden in dem müssiger, dunkeln Winkel nach hinten hinaus gleichfalls zur „guten alten Zeit" für mich geworden! Von dem Latein, das mir darin, wie mein gelehrter Freund Asche das nannte, „verzapft" wurde, werde ich reden müssen. Ich weiß heute noch nicht, wie eigentlich meine Begabung dafür ist, aber das weiß ich genau, daß wir uns damals in dieser Hinsicht auf das Notwendigste beschränkt haben. Es ist Ihr Junge, Vater Pfister, und so haben Sie gewissermaßen die Berechtigung, mit ihm anzufangen, was Sie wollen. Nsnsa. bringe ich ihm schon bei; was er nachher auf den Tisch zu stellen hat, ist Ihre und seine Sache, sagte Studiosus Asche. Was mich anbetrifft, so wissen Sie, daß mein Alter insolvent starb und Schönfärber war. Und daß von meines guten Freundes Kunst, Wissenschaft und Sinnesart vielleicht gerade das auf Sie übergegangen ist, was Sie brauchen und was andern Leuten bei Gelegenheit auch wieder nützlich werden kann. Auf einmal kann man selten das Beste zugleich haben; so zum Beispiel den Verstand in der Welt und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156924/58>, abgerufen am 27.12.2024.