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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.

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pfisters Mühle.

nicht bloß unter den Studenten. Es gab damals keinen angenehmem Ruf als
den meines Vaters mit seinem kühlen Bier, seinem heißen Wasser zum billigen
Kaffeekochen und seiner süßen und sauern Milch. Sie kannten alle in der Stadt
"nsre Mühle, Groß und Klein, Gelehrte und Ungelehrte, hohe Regierende und
niedere Regierte.

Wir waren von Urväterzeiten die Leute darnach und lieferten den Bauern
im Dorf und den Bäckern in der Stadt nicht bloß das Mehl, sondern auch
noch einiges andre zu dem allgemeinen Behagen der Welt. Soweit die deutsche
Zunge klingt, sitzen heute noch alte Herrn auf Kathedern, Richterbänken und an
Krankenbetten, ganz abgesehen von denen, die allsonntäglich auf Kanzeln stehen;
und in die Schulstube, den Schwurgerichtssaal, die Krankenstube und das
Räuspern und Schnauben der "christlichen Zuhörer" summt es ihnen aus zeit¬
lich und räumlich entlegener Ferne:


Wehnde, Norden, Lovgnäsn
Und die Rasenmühle,
Das sind Orte, wo man kann
Sich behaglich fühle.

Die Rasenmühle ist es freilich nicht, von welcher hier die Rede ist; aber es
wiederholt sich gottlob manches Gute und Erquickliche an andern Orten unter
andern Namen. Auch mein väterliches Anwesen hat seine Stelle in mehr als
einem ältern Studentenliede, und wir, die Pfister von Pfisters Mühle, können
nichts dafür, daß künftige Generationen, wenn sie ja noch singen, nicht mehr
von ihm singen werden.




Drittes Blatt.
Wie Tarsus in der wüste, Frank

Ich klappte das dumme Zeug zu, und es hatte wirklich keiner weitern Über¬
redungskunst und Kraft bedurft, um mich dazu zu bewegen. Emmy hatte für
den heiligen Morgen ihr und also auch mein Plätzchen in einer zerzausten Laube
dicht am Flusse gewählt, wo man im Schatten saß und das Licht auf dem
muntern Wasser und den Wiesen drüben im vollen Morgenglanze vor sich hatte.

Die Wildtauben gurrten über uns, im Schilf Schnatterte eine Entenschar,
hielt uns fest im Auge und achtete auf die Bissen, die von unserm Frühstücks¬
tische für sie abfielen. Ein Storch ging am andern Ufer in der Sonne spa¬
zieren, und Emmy sagte:

Guck mal den! Eine volle halbe Stunde schon achte ich hier allein in der
Einsamkeit auf ihn, und manchmal guckt er auch hier herüber, als wollte er
sagen: Siehst du, ich stehe nicht bloß im Bilderbuche und sitze im zoologischen
Garten gegen ein halbe Mark Entree an Wochentagen --


pfisters Mühle.

nicht bloß unter den Studenten. Es gab damals keinen angenehmem Ruf als
den meines Vaters mit seinem kühlen Bier, seinem heißen Wasser zum billigen
Kaffeekochen und seiner süßen und sauern Milch. Sie kannten alle in der Stadt
»nsre Mühle, Groß und Klein, Gelehrte und Ungelehrte, hohe Regierende und
niedere Regierte.

Wir waren von Urväterzeiten die Leute darnach und lieferten den Bauern
im Dorf und den Bäckern in der Stadt nicht bloß das Mehl, sondern auch
noch einiges andre zu dem allgemeinen Behagen der Welt. Soweit die deutsche
Zunge klingt, sitzen heute noch alte Herrn auf Kathedern, Richterbänken und an
Krankenbetten, ganz abgesehen von denen, die allsonntäglich auf Kanzeln stehen;
und in die Schulstube, den Schwurgerichtssaal, die Krankenstube und das
Räuspern und Schnauben der „christlichen Zuhörer" summt es ihnen aus zeit¬
lich und räumlich entlegener Ferne:


Wehnde, Norden, Lovgnäsn
Und die Rasenmühle,
Das sind Orte, wo man kann
Sich behaglich fühle.

Die Rasenmühle ist es freilich nicht, von welcher hier die Rede ist; aber es
wiederholt sich gottlob manches Gute und Erquickliche an andern Orten unter
andern Namen. Auch mein väterliches Anwesen hat seine Stelle in mehr als
einem ältern Studentenliede, und wir, die Pfister von Pfisters Mühle, können
nichts dafür, daß künftige Generationen, wenn sie ja noch singen, nicht mehr
von ihm singen werden.




Drittes Blatt.
Wie Tarsus in der wüste, Frank

Ich klappte das dumme Zeug zu, und es hatte wirklich keiner weitern Über¬
redungskunst und Kraft bedurft, um mich dazu zu bewegen. Emmy hatte für
den heiligen Morgen ihr und also auch mein Plätzchen in einer zerzausten Laube
dicht am Flusse gewählt, wo man im Schatten saß und das Licht auf dem
muntern Wasser und den Wiesen drüben im vollen Morgenglanze vor sich hatte.

Die Wildtauben gurrten über uns, im Schilf Schnatterte eine Entenschar,
hielt uns fest im Auge und achtete auf die Bissen, die von unserm Frühstücks¬
tische für sie abfielen. Ein Storch ging am andern Ufer in der Sonne spa¬
zieren, und Emmy sagte:

Guck mal den! Eine volle halbe Stunde schon achte ich hier allein in der
Einsamkeit auf ihn, und manchmal guckt er auch hier herüber, als wollte er
sagen: Siehst du, ich stehe nicht bloß im Bilderbuche und sitze im zoologischen
Garten gegen ein halbe Mark Entree an Wochentagen —


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[0051] pfisters Mühle. nicht bloß unter den Studenten. Es gab damals keinen angenehmem Ruf als den meines Vaters mit seinem kühlen Bier, seinem heißen Wasser zum billigen Kaffeekochen und seiner süßen und sauern Milch. Sie kannten alle in der Stadt »nsre Mühle, Groß und Klein, Gelehrte und Ungelehrte, hohe Regierende und niedere Regierte. Wir waren von Urväterzeiten die Leute darnach und lieferten den Bauern im Dorf und den Bäckern in der Stadt nicht bloß das Mehl, sondern auch noch einiges andre zu dem allgemeinen Behagen der Welt. Soweit die deutsche Zunge klingt, sitzen heute noch alte Herrn auf Kathedern, Richterbänken und an Krankenbetten, ganz abgesehen von denen, die allsonntäglich auf Kanzeln stehen; und in die Schulstube, den Schwurgerichtssaal, die Krankenstube und das Räuspern und Schnauben der „christlichen Zuhörer" summt es ihnen aus zeit¬ lich und räumlich entlegener Ferne: Wehnde, Norden, Lovgnäsn Und die Rasenmühle, Das sind Orte, wo man kann Sich behaglich fühle. Die Rasenmühle ist es freilich nicht, von welcher hier die Rede ist; aber es wiederholt sich gottlob manches Gute und Erquickliche an andern Orten unter andern Namen. Auch mein väterliches Anwesen hat seine Stelle in mehr als einem ältern Studentenliede, und wir, die Pfister von Pfisters Mühle, können nichts dafür, daß künftige Generationen, wenn sie ja noch singen, nicht mehr von ihm singen werden. Drittes Blatt. Wie Tarsus in der wüste, Frank Ich klappte das dumme Zeug zu, und es hatte wirklich keiner weitern Über¬ redungskunst und Kraft bedurft, um mich dazu zu bewegen. Emmy hatte für den heiligen Morgen ihr und also auch mein Plätzchen in einer zerzausten Laube dicht am Flusse gewählt, wo man im Schatten saß und das Licht auf dem muntern Wasser und den Wiesen drüben im vollen Morgenglanze vor sich hatte. Die Wildtauben gurrten über uns, im Schilf Schnatterte eine Entenschar, hielt uns fest im Auge und achtete auf die Bissen, die von unserm Frühstücks¬ tische für sie abfielen. Ein Storch ging am andern Ufer in der Sonne spa¬ zieren, und Emmy sagte: Guck mal den! Eine volle halbe Stunde schon achte ich hier allein in der Einsamkeit auf ihn, und manchmal guckt er auch hier herüber, als wollte er sagen: Siehst du, ich stehe nicht bloß im Bilderbuche und sitze im zoologischen Garten gegen ein halbe Mark Entree an Wochentagen —

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156924/51>, abgerufen am 27.12.2024.