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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.

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Aus der Dixlomatenschule.

Zu einer Beurteilung der Diätenfrage kann auch die Vergleichung des
Reichstages mit dem preußischen Abgeordnetenhause dienen. Die preußischen Ab¬
geordneten erhalten täglich fünfzehn Mark Diäten. Hat nun diese Diätenzahlung
dem Abgeordneteichause im Vergleich mit dem Reichstage ein wesentliches
Plus an intelligenten Kräften zugebracht? Wir wüßten nicht. Die hervor¬
ragenden Größen des Abgeordnetenhauses sind fast durchweg auch im Reichs¬
tage vorhanden. Was aber die große Masse der minder bedeutenden Mitglieder
betrifft, so wird auch in Ansehung dieser niemand behaupten wollen, daß unter
denen des Abgeordnetenhauses mehr Einsicht vertreten sei, als unter denen des
Reichstages. Die Verschiedenheit in der Physiognomie beider Körperschaften
hat ihren Grund teils in der Verschiedenheit der Wahlsysteme, teils in dem
Umstände, daß die Zahl der Mitglieder des Abgeordnetenhauses relativ doppelt
so groß ist als die der Neichstagsmitglieder. Aber auch wenn man die bessere
Hälfte des Abgeordnetenhauses oben abschöpfen wollte, so würde doch darin
schwerlich eine größere Summe von politischer Bildung zu finden sein, als
bisher im Reichstage vertreten gewesen ist.

Als zuerst das allgemeine Wahlrecht mit geheimer Abstimmung für den
deutschen Reichstag eingeführt wurde, haben viele denkende Politiker, und zwar
auch durchaus freisinnige Männer, dieser Institution nicht ohne dringende Be¬
sorgnisse entgegengesehen. Die Erfahrung des ersten Jahrzehntes schien diese
Besorgnis als unbegründet auszuweisen. Die neuesten Wahlkämpfe haben sie
aber bei vielen wieder wachgerufen. Gleichwohl wird niemand daran denken,
solange die Dinge in formaler Ordnung sich bewegen, an jener Institution
etwas zu ändern. Daß man aber in dieses Wahlgetriebe, nach dem Charakter,
den es heute angenommen hat, noch ein Moment hineinwerfen soll, welches nur
geeignet sein würde, den Eifer der Bestrebungen und die Hitze der Kämpfe noch
stärker anzufachen, das kann billigerweise nicht verlangt werden.




Aus der Dixlomatenschule.
3.

eder Souverän ist befugt, einen diplomatischen Austrag auch
mehreren Gesandten zugleich zu übertragen, doch geschieht dies
seit geraumer Zeit niemals bei ständigen Missionen, sondern nur
bei außerordentlichen und zeitweiligen, z. B. bei Kongressen und
Friedensverhandlungen, sowie bei diplomatischen Sendungen mit
zeremoniellen Zweck, denen besondre Wichtigkeit beigelegt sein soll. Früher, wo


Aus der Dixlomatenschule.

Zu einer Beurteilung der Diätenfrage kann auch die Vergleichung des
Reichstages mit dem preußischen Abgeordnetenhause dienen. Die preußischen Ab¬
geordneten erhalten täglich fünfzehn Mark Diäten. Hat nun diese Diätenzahlung
dem Abgeordneteichause im Vergleich mit dem Reichstage ein wesentliches
Plus an intelligenten Kräften zugebracht? Wir wüßten nicht. Die hervor¬
ragenden Größen des Abgeordnetenhauses sind fast durchweg auch im Reichs¬
tage vorhanden. Was aber die große Masse der minder bedeutenden Mitglieder
betrifft, so wird auch in Ansehung dieser niemand behaupten wollen, daß unter
denen des Abgeordnetenhauses mehr Einsicht vertreten sei, als unter denen des
Reichstages. Die Verschiedenheit in der Physiognomie beider Körperschaften
hat ihren Grund teils in der Verschiedenheit der Wahlsysteme, teils in dem
Umstände, daß die Zahl der Mitglieder des Abgeordnetenhauses relativ doppelt
so groß ist als die der Neichstagsmitglieder. Aber auch wenn man die bessere
Hälfte des Abgeordnetenhauses oben abschöpfen wollte, so würde doch darin
schwerlich eine größere Summe von politischer Bildung zu finden sein, als
bisher im Reichstage vertreten gewesen ist.

Als zuerst das allgemeine Wahlrecht mit geheimer Abstimmung für den
deutschen Reichstag eingeführt wurde, haben viele denkende Politiker, und zwar
auch durchaus freisinnige Männer, dieser Institution nicht ohne dringende Be¬
sorgnisse entgegengesehen. Die Erfahrung des ersten Jahrzehntes schien diese
Besorgnis als unbegründet auszuweisen. Die neuesten Wahlkämpfe haben sie
aber bei vielen wieder wachgerufen. Gleichwohl wird niemand daran denken,
solange die Dinge in formaler Ordnung sich bewegen, an jener Institution
etwas zu ändern. Daß man aber in dieses Wahlgetriebe, nach dem Charakter,
den es heute angenommen hat, noch ein Moment hineinwerfen soll, welches nur
geeignet sein würde, den Eifer der Bestrebungen und die Hitze der Kämpfe noch
stärker anzufachen, das kann billigerweise nicht verlangt werden.




Aus der Dixlomatenschule.
3.

eder Souverän ist befugt, einen diplomatischen Austrag auch
mehreren Gesandten zugleich zu übertragen, doch geschieht dies
seit geraumer Zeit niemals bei ständigen Missionen, sondern nur
bei außerordentlichen und zeitweiligen, z. B. bei Kongressen und
Friedensverhandlungen, sowie bei diplomatischen Sendungen mit
zeremoniellen Zweck, denen besondre Wichtigkeit beigelegt sein soll. Früher, wo


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[0507] Aus der Dixlomatenschule. Zu einer Beurteilung der Diätenfrage kann auch die Vergleichung des Reichstages mit dem preußischen Abgeordnetenhause dienen. Die preußischen Ab¬ geordneten erhalten täglich fünfzehn Mark Diäten. Hat nun diese Diätenzahlung dem Abgeordneteichause im Vergleich mit dem Reichstage ein wesentliches Plus an intelligenten Kräften zugebracht? Wir wüßten nicht. Die hervor¬ ragenden Größen des Abgeordnetenhauses sind fast durchweg auch im Reichs¬ tage vorhanden. Was aber die große Masse der minder bedeutenden Mitglieder betrifft, so wird auch in Ansehung dieser niemand behaupten wollen, daß unter denen des Abgeordnetenhauses mehr Einsicht vertreten sei, als unter denen des Reichstages. Die Verschiedenheit in der Physiognomie beider Körperschaften hat ihren Grund teils in der Verschiedenheit der Wahlsysteme, teils in dem Umstände, daß die Zahl der Mitglieder des Abgeordnetenhauses relativ doppelt so groß ist als die der Neichstagsmitglieder. Aber auch wenn man die bessere Hälfte des Abgeordnetenhauses oben abschöpfen wollte, so würde doch darin schwerlich eine größere Summe von politischer Bildung zu finden sein, als bisher im Reichstage vertreten gewesen ist. Als zuerst das allgemeine Wahlrecht mit geheimer Abstimmung für den deutschen Reichstag eingeführt wurde, haben viele denkende Politiker, und zwar auch durchaus freisinnige Männer, dieser Institution nicht ohne dringende Be¬ sorgnisse entgegengesehen. Die Erfahrung des ersten Jahrzehntes schien diese Besorgnis als unbegründet auszuweisen. Die neuesten Wahlkämpfe haben sie aber bei vielen wieder wachgerufen. Gleichwohl wird niemand daran denken, solange die Dinge in formaler Ordnung sich bewegen, an jener Institution etwas zu ändern. Daß man aber in dieses Wahlgetriebe, nach dem Charakter, den es heute angenommen hat, noch ein Moment hineinwerfen soll, welches nur geeignet sein würde, den Eifer der Bestrebungen und die Hitze der Kämpfe noch stärker anzufachen, das kann billigerweise nicht verlangt werden. Aus der Dixlomatenschule. 3. eder Souverän ist befugt, einen diplomatischen Austrag auch mehreren Gesandten zugleich zu übertragen, doch geschieht dies seit geraumer Zeit niemals bei ständigen Missionen, sondern nur bei außerordentlichen und zeitweiligen, z. B. bei Kongressen und Friedensverhandlungen, sowie bei diplomatischen Sendungen mit zeremoniellen Zweck, denen besondre Wichtigkeit beigelegt sein soll. Früher, wo

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156924/507>, abgerufen am 27.12.2024.