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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.

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pfisters Mühle.

Beiläufig, du wirst wahrscheinlich bald nach Hause schreiben, um deine glückliche
Ankunft und deinen ersten Eindruck hier zu melden?

Ich thäte jedenfalls meinem Vater ein Liebe damit.

Dann thue sie ihm ja, und von mir laß einfließen, du habest deine Bot¬
schaft richtig ausgerichtet.

Weiter nichts, Asche?

Stelle keine überflüssigen Fragen in betreff der Schicksale andrer an die
Zukunft, sondern beschäftige dich fürs erste möglichst intensiv mit dem, was vor
deiner eignen Nase liegt, vir juvsins. -- -- --

Du, dem Herrn Baumeister seine neue Anlage imponirt mir aber doch
wirklich sehr! sagte Emmy, unter den Kastanien von Pfisters Mühle wieder
ihren Arm in den meinigen hängend.




Achtzehntes Blatt.
Ausführlicher über Jungfer Christine volge.

Es ist doch heute eigentlich recht sonderbar, daß du dich so lange in Berlin
aushieltest, ohne daß ich eine Ahnung davon hatte, und wahrscheinlich auch,
ohne daß wir uns je einmal auf unsern Schulwegen begegneten, sagte Emmy.

Einige Semester war ich ja auch auf andern Schulen, meinte ich. Aber --

Aber das Schicksal legte es dir doch vor die Nase, daß es in Berlin am
besten für dich zum Studiren sei -- was?

Es ging nicht anders; ich mußte dem Kinde mit einem Kuß die Versiche¬
rung geben, daß sie wie in vielen andern Sachen meines Lebens, so auch in
diesem Dinge vollständig recht habe. Das geschah in unserm Stübchen unterm
Dach, während es draußen wieder einmal regnete, und unter den ersten Vor¬
bereitungen zum Packen und zur Abfahrt von Pfisters Mühle.

Die Zeichen, daß unsre flüchtige Sommerlust hier zu Ende sei, mehrten
sich zu sehr. Der Architekt in der Gaststube unter uns pfiff Tag für Tag über
seinen Plänen das Beliebteste aus den neuesten Sommertheateroperetten. Bruch¬
steine wurden ununterbrochen angefahren und in Quadraten aufgeschichtet. Es
war ein ewiges Kommen und Gehen, Schimpfen und Lärmen von allerlei Volk,
und meine alte Christine war zu nichts mehr zu gebrauchen in der alten, ver¬
lorenen Mühle! ....

Ach, es ist eigentlich viel zu wenig die Rede gewesen in diesen Blättern
von der alten Christine. Ach, wenn jemand mit in die Bilder gehörte, die ich
hier von Pfisters gewesener Mühle malte, so ist das meine arme, greise, liebe
Wärterin und Pflegemutter, so ist das die harte, arbeitsselige Hand, die
traute, treue, weibliche Seele von meines Vaters Haus und Hof, Küche und
Keller, Feld und Garten, die letzte "schöne Müllermaid" des Ortes.

Ich hatte Latein, Griechisch, moderne Sprachen und sonst allerlei erlernt.
Ich war in Berlin, Jena und Heidelberg auf Schulen gewesen, und auch sonst
noch ein gut Stück in die Welt hinein, in Ländern, wo Menschen die modernen
Sprachen zum Hausgebrauch haben. Ich hatte mir ein ander Hauswesen in der
großen Stadt Berlin gegründet und ein jung Weib hineingenommen -- und ich
und mein Weib, wir waren, wenn ich gleich der juristisch unanfechtbare Erbe
meines Vaters war, doch nur die letzten Gäste, wenn auch Stammgäste, von
Pfisters Mühle.

(Fortsetzung folgt.)


pfisters Mühle.

Beiläufig, du wirst wahrscheinlich bald nach Hause schreiben, um deine glückliche
Ankunft und deinen ersten Eindruck hier zu melden?

Ich thäte jedenfalls meinem Vater ein Liebe damit.

Dann thue sie ihm ja, und von mir laß einfließen, du habest deine Bot¬
schaft richtig ausgerichtet.

Weiter nichts, Asche?

Stelle keine überflüssigen Fragen in betreff der Schicksale andrer an die
Zukunft, sondern beschäftige dich fürs erste möglichst intensiv mit dem, was vor
deiner eignen Nase liegt, vir juvsins. — — —

Du, dem Herrn Baumeister seine neue Anlage imponirt mir aber doch
wirklich sehr! sagte Emmy, unter den Kastanien von Pfisters Mühle wieder
ihren Arm in den meinigen hängend.




Achtzehntes Blatt.
Ausführlicher über Jungfer Christine volge.

Es ist doch heute eigentlich recht sonderbar, daß du dich so lange in Berlin
aushieltest, ohne daß ich eine Ahnung davon hatte, und wahrscheinlich auch,
ohne daß wir uns je einmal auf unsern Schulwegen begegneten, sagte Emmy.

Einige Semester war ich ja auch auf andern Schulen, meinte ich. Aber —

Aber das Schicksal legte es dir doch vor die Nase, daß es in Berlin am
besten für dich zum Studiren sei — was?

Es ging nicht anders; ich mußte dem Kinde mit einem Kuß die Versiche¬
rung geben, daß sie wie in vielen andern Sachen meines Lebens, so auch in
diesem Dinge vollständig recht habe. Das geschah in unserm Stübchen unterm
Dach, während es draußen wieder einmal regnete, und unter den ersten Vor¬
bereitungen zum Packen und zur Abfahrt von Pfisters Mühle.

Die Zeichen, daß unsre flüchtige Sommerlust hier zu Ende sei, mehrten
sich zu sehr. Der Architekt in der Gaststube unter uns pfiff Tag für Tag über
seinen Plänen das Beliebteste aus den neuesten Sommertheateroperetten. Bruch¬
steine wurden ununterbrochen angefahren und in Quadraten aufgeschichtet. Es
war ein ewiges Kommen und Gehen, Schimpfen und Lärmen von allerlei Volk,
und meine alte Christine war zu nichts mehr zu gebrauchen in der alten, ver¬
lorenen Mühle! ....

Ach, es ist eigentlich viel zu wenig die Rede gewesen in diesen Blättern
von der alten Christine. Ach, wenn jemand mit in die Bilder gehörte, die ich
hier von Pfisters gewesener Mühle malte, so ist das meine arme, greise, liebe
Wärterin und Pflegemutter, so ist das die harte, arbeitsselige Hand, die
traute, treue, weibliche Seele von meines Vaters Haus und Hof, Küche und
Keller, Feld und Garten, die letzte „schöne Müllermaid" des Ortes.

Ich hatte Latein, Griechisch, moderne Sprachen und sonst allerlei erlernt.
Ich war in Berlin, Jena und Heidelberg auf Schulen gewesen, und auch sonst
noch ein gut Stück in die Welt hinein, in Ländern, wo Menschen die modernen
Sprachen zum Hausgebrauch haben. Ich hatte mir ein ander Hauswesen in der
großen Stadt Berlin gegründet und ein jung Weib hineingenommen — und ich
und mein Weib, wir waren, wenn ich gleich der juristisch unanfechtbare Erbe
meines Vaters war, doch nur die letzten Gäste, wenn auch Stammgäste, von
Pfisters Mühle.

(Fortsetzung folgt.)


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[0488] pfisters Mühle. Beiläufig, du wirst wahrscheinlich bald nach Hause schreiben, um deine glückliche Ankunft und deinen ersten Eindruck hier zu melden? Ich thäte jedenfalls meinem Vater ein Liebe damit. Dann thue sie ihm ja, und von mir laß einfließen, du habest deine Bot¬ schaft richtig ausgerichtet. Weiter nichts, Asche? Stelle keine überflüssigen Fragen in betreff der Schicksale andrer an die Zukunft, sondern beschäftige dich fürs erste möglichst intensiv mit dem, was vor deiner eignen Nase liegt, vir juvsins. — — — Du, dem Herrn Baumeister seine neue Anlage imponirt mir aber doch wirklich sehr! sagte Emmy, unter den Kastanien von Pfisters Mühle wieder ihren Arm in den meinigen hängend. Achtzehntes Blatt. Ausführlicher über Jungfer Christine volge. Es ist doch heute eigentlich recht sonderbar, daß du dich so lange in Berlin aushieltest, ohne daß ich eine Ahnung davon hatte, und wahrscheinlich auch, ohne daß wir uns je einmal auf unsern Schulwegen begegneten, sagte Emmy. Einige Semester war ich ja auch auf andern Schulen, meinte ich. Aber — Aber das Schicksal legte es dir doch vor die Nase, daß es in Berlin am besten für dich zum Studiren sei — was? Es ging nicht anders; ich mußte dem Kinde mit einem Kuß die Versiche¬ rung geben, daß sie wie in vielen andern Sachen meines Lebens, so auch in diesem Dinge vollständig recht habe. Das geschah in unserm Stübchen unterm Dach, während es draußen wieder einmal regnete, und unter den ersten Vor¬ bereitungen zum Packen und zur Abfahrt von Pfisters Mühle. Die Zeichen, daß unsre flüchtige Sommerlust hier zu Ende sei, mehrten sich zu sehr. Der Architekt in der Gaststube unter uns pfiff Tag für Tag über seinen Plänen das Beliebteste aus den neuesten Sommertheateroperetten. Bruch¬ steine wurden ununterbrochen angefahren und in Quadraten aufgeschichtet. Es war ein ewiges Kommen und Gehen, Schimpfen und Lärmen von allerlei Volk, und meine alte Christine war zu nichts mehr zu gebrauchen in der alten, ver¬ lorenen Mühle! .... Ach, es ist eigentlich viel zu wenig die Rede gewesen in diesen Blättern von der alten Christine. Ach, wenn jemand mit in die Bilder gehörte, die ich hier von Pfisters gewesener Mühle malte, so ist das meine arme, greise, liebe Wärterin und Pflegemutter, so ist das die harte, arbeitsselige Hand, die traute, treue, weibliche Seele von meines Vaters Haus und Hof, Küche und Keller, Feld und Garten, die letzte „schöne Müllermaid" des Ortes. Ich hatte Latein, Griechisch, moderne Sprachen und sonst allerlei erlernt. Ich war in Berlin, Jena und Heidelberg auf Schulen gewesen, und auch sonst noch ein gut Stück in die Welt hinein, in Ländern, wo Menschen die modernen Sprachen zum Hausgebrauch haben. Ich hatte mir ein ander Hauswesen in der großen Stadt Berlin gegründet und ein jung Weib hineingenommen — und ich und mein Weib, wir waren, wenn ich gleich der juristisch unanfechtbare Erbe meines Vaters war, doch nur die letzten Gäste, wenn auch Stammgäste, von Pfisters Mühle. (Fortsetzung folgt.)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156924/488>, abgerufen am 27.12.2024.