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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.

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Lcbensidealc gegenüber zustellen, so widerspricht der Autor selbst dieser Auslegung,
da er den Konflikt schließlich dadurch löst, daß der aus der Art geschlagene junge
Graf auf sein Majorat verzichtet lind es einem nächsterbbercchtigten Verwandten
überläßt, welcher aber Soldat ist! Mit dieser, gelinde gesagt, sehr vorsichtigen
Lösung des Konfliktes, die es mit keiner Partei verderben will, hat Redwitz den
einzig denkbaren idealen Zusammenhang seiner Handlung mit der hereingezogenen
Weltgeschichte selbst durchschnitten, und es bleibt nichts als ihr allgemeiner und
nebelhafter Idealismus übrig. Redwitz ist nichts weniger als ein Schüler Goethes,
dazu mangelt es ihm, künstlerisch sowohl als menschlich, an Naivetät, an klarem
Sinn für Wirklichkeit, dazu bemüht er sich zu wenig um jene hohe lakonische Kunst
des Epikers, welche in vollkommener Objektivität verharrt und sich nicht der
Monologe, Briefe, Tagebücher in so überreicher Weise bedient, wie es Redwitz'
Technik beliebt. Und endlich würde ein Goethe, aber auch ein kleinerer Dichter,
wofern er nur Sinn für Natur hätte, nicht so triviale und eher pcirodistisch
stimmende Gedichte, wie es die "Gouvernanteulicder" seiner Heldin sind, zu einem
ernsten Faktor der Handlung machen. Das Lob, welches er ihnen durch den Mund
seiner Gestatte!: spendet, zeigt von sehr schlechtem Geschmack.


Deutsche Soldaten- und Kriegslieder aus fünf Jahrhunderten (1886--1871). Ge¬
sammelt und herausgegeben von Hans Ziegler. Leipzig, Breitkopf und Härtel, 1884.

Aus deu zahlreichen vorhandnen Sammlungen "historischer" Volkslieder -- man
denke, was allein Freiherr von Ditfurth im Laufe der Jahre zusammengebracht
und herausgegeben hat -- eine Auswahl der besten und charakteristischste!: Erzeug¬
nisse zu veranstalten, die das ganze große Gebiet umspannt und sich doch in handlicher
Form Prcisentirt, war ein sehr glücklicher Gedanke. Der Herausgeber der vor¬
liegenden Sammlung hat diesen Gedanken mit außerordentlicher Liebe und Be¬
geisterung für die Sache und, foviel wir sehen, auch mit der nötigen Genauigkeit
und Sorgfalt durchgeführt. Sein Buch zerfällt in zwei Hälften: in eine rein
lyrische (Soldatenlieder) und eine mehr epische (Kriegslieder). Die erste, 171
Nummern umfassend, gliedert sich wieder nach den Motiven: "Soldaten-Lust und
Leid," "Werbung und Abschied," "Leben und Treiben," "Liebesleben," "Auf dein
Marsche," "Vor und in der Schlacht," "Vom Sterben auf grüner Haide" in sieben
Abteilungen. In der zweiten Hälfte, die aus 192 Nummern besteht, hat sich eine
Gliederung im Anschluß an die Geschichte und Kriegsgeschichte ziemlich von selbst
ergeben; die erste Gruppe umfaßt die Zeit von den Schweizerkriegen bis zur
Uebergabe von Metz (1386--1652), die zweite reicht vom Beginn des dreißig¬
jährigen Krieges bis zur Zerstörung von Heidelberg (1620 --1689), in der dritten
hat der Herausgeber die Türkenkriege und den spanischen Erbfolgekrieg vereinigt
(1529--1737), vier und fünf sind dem österreichischen Erbfolgekriege und deu
Feldzügen Friedrichs des Großen (1741--1786), der französischen Campagne und
deu Freiheitskriegen (1792--1815) gewidmet, die letzte gilt dem Schleswig-holstei-
nischen und dem deutsch-französischen Kriege (1848--1871).

Möge die Sammlung, die ein ebenso großes Poetisches wie kulturgeschichtliches
Interesse gewährt, in den gebildeten Kreisen des deutschen Heeres, auf die sie vor
allein berechnet ist, recht freundliche Aufnahme finden!




Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig.
Verlag von F. L. Hcrbig in Leipzig. -- Druck von Carl Marauart in Reudnitz-Leipzig.
Literatur.

Lcbensidealc gegenüber zustellen, so widerspricht der Autor selbst dieser Auslegung,
da er den Konflikt schließlich dadurch löst, daß der aus der Art geschlagene junge
Graf auf sein Majorat verzichtet lind es einem nächsterbbercchtigten Verwandten
überläßt, welcher aber Soldat ist! Mit dieser, gelinde gesagt, sehr vorsichtigen
Lösung des Konfliktes, die es mit keiner Partei verderben will, hat Redwitz den
einzig denkbaren idealen Zusammenhang seiner Handlung mit der hereingezogenen
Weltgeschichte selbst durchschnitten, und es bleibt nichts als ihr allgemeiner und
nebelhafter Idealismus übrig. Redwitz ist nichts weniger als ein Schüler Goethes,
dazu mangelt es ihm, künstlerisch sowohl als menschlich, an Naivetät, an klarem
Sinn für Wirklichkeit, dazu bemüht er sich zu wenig um jene hohe lakonische Kunst
des Epikers, welche in vollkommener Objektivität verharrt und sich nicht der
Monologe, Briefe, Tagebücher in so überreicher Weise bedient, wie es Redwitz'
Technik beliebt. Und endlich würde ein Goethe, aber auch ein kleinerer Dichter,
wofern er nur Sinn für Natur hätte, nicht so triviale und eher pcirodistisch
stimmende Gedichte, wie es die „Gouvernanteulicder" seiner Heldin sind, zu einem
ernsten Faktor der Handlung machen. Das Lob, welches er ihnen durch den Mund
seiner Gestatte!: spendet, zeigt von sehr schlechtem Geschmack.


Deutsche Soldaten- und Kriegslieder aus fünf Jahrhunderten (1886—1871). Ge¬
sammelt und herausgegeben von Hans Ziegler. Leipzig, Breitkopf und Härtel, 1884.

Aus deu zahlreichen vorhandnen Sammlungen „historischer" Volkslieder — man
denke, was allein Freiherr von Ditfurth im Laufe der Jahre zusammengebracht
und herausgegeben hat — eine Auswahl der besten und charakteristischste!: Erzeug¬
nisse zu veranstalten, die das ganze große Gebiet umspannt und sich doch in handlicher
Form Prcisentirt, war ein sehr glücklicher Gedanke. Der Herausgeber der vor¬
liegenden Sammlung hat diesen Gedanken mit außerordentlicher Liebe und Be¬
geisterung für die Sache und, foviel wir sehen, auch mit der nötigen Genauigkeit
und Sorgfalt durchgeführt. Sein Buch zerfällt in zwei Hälften: in eine rein
lyrische (Soldatenlieder) und eine mehr epische (Kriegslieder). Die erste, 171
Nummern umfassend, gliedert sich wieder nach den Motiven: „Soldaten-Lust und
Leid," „Werbung und Abschied," „Leben und Treiben," „Liebesleben," „Auf dein
Marsche," „Vor und in der Schlacht," „Vom Sterben auf grüner Haide" in sieben
Abteilungen. In der zweiten Hälfte, die aus 192 Nummern besteht, hat sich eine
Gliederung im Anschluß an die Geschichte und Kriegsgeschichte ziemlich von selbst
ergeben; die erste Gruppe umfaßt die Zeit von den Schweizerkriegen bis zur
Uebergabe von Metz (1386—1652), die zweite reicht vom Beginn des dreißig¬
jährigen Krieges bis zur Zerstörung von Heidelberg (1620 —1689), in der dritten
hat der Herausgeber die Türkenkriege und den spanischen Erbfolgekrieg vereinigt
(1529—1737), vier und fünf sind dem österreichischen Erbfolgekriege und deu
Feldzügen Friedrichs des Großen (1741—1786), der französischen Campagne und
deu Freiheitskriegen (1792—1815) gewidmet, die letzte gilt dem Schleswig-holstei-
nischen und dem deutsch-französischen Kriege (1848—1871).

Möge die Sammlung, die ein ebenso großes Poetisches wie kulturgeschichtliches
Interesse gewährt, in den gebildeten Kreisen des deutschen Heeres, auf die sie vor
allein berechnet ist, recht freundliche Aufnahme finden!




Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig.
Verlag von F. L. Hcrbig in Leipzig. — Druck von Carl Marauart in Reudnitz-Leipzig.
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[0448] Literatur. Lcbensidealc gegenüber zustellen, so widerspricht der Autor selbst dieser Auslegung, da er den Konflikt schließlich dadurch löst, daß der aus der Art geschlagene junge Graf auf sein Majorat verzichtet lind es einem nächsterbbercchtigten Verwandten überläßt, welcher aber Soldat ist! Mit dieser, gelinde gesagt, sehr vorsichtigen Lösung des Konfliktes, die es mit keiner Partei verderben will, hat Redwitz den einzig denkbaren idealen Zusammenhang seiner Handlung mit der hereingezogenen Weltgeschichte selbst durchschnitten, und es bleibt nichts als ihr allgemeiner und nebelhafter Idealismus übrig. Redwitz ist nichts weniger als ein Schüler Goethes, dazu mangelt es ihm, künstlerisch sowohl als menschlich, an Naivetät, an klarem Sinn für Wirklichkeit, dazu bemüht er sich zu wenig um jene hohe lakonische Kunst des Epikers, welche in vollkommener Objektivität verharrt und sich nicht der Monologe, Briefe, Tagebücher in so überreicher Weise bedient, wie es Redwitz' Technik beliebt. Und endlich würde ein Goethe, aber auch ein kleinerer Dichter, wofern er nur Sinn für Natur hätte, nicht so triviale und eher pcirodistisch stimmende Gedichte, wie es die „Gouvernanteulicder" seiner Heldin sind, zu einem ernsten Faktor der Handlung machen. Das Lob, welches er ihnen durch den Mund seiner Gestatte!: spendet, zeigt von sehr schlechtem Geschmack. Deutsche Soldaten- und Kriegslieder aus fünf Jahrhunderten (1886—1871). Ge¬ sammelt und herausgegeben von Hans Ziegler. Leipzig, Breitkopf und Härtel, 1884. Aus deu zahlreichen vorhandnen Sammlungen „historischer" Volkslieder — man denke, was allein Freiherr von Ditfurth im Laufe der Jahre zusammengebracht und herausgegeben hat — eine Auswahl der besten und charakteristischste!: Erzeug¬ nisse zu veranstalten, die das ganze große Gebiet umspannt und sich doch in handlicher Form Prcisentirt, war ein sehr glücklicher Gedanke. Der Herausgeber der vor¬ liegenden Sammlung hat diesen Gedanken mit außerordentlicher Liebe und Be¬ geisterung für die Sache und, foviel wir sehen, auch mit der nötigen Genauigkeit und Sorgfalt durchgeführt. Sein Buch zerfällt in zwei Hälften: in eine rein lyrische (Soldatenlieder) und eine mehr epische (Kriegslieder). Die erste, 171 Nummern umfassend, gliedert sich wieder nach den Motiven: „Soldaten-Lust und Leid," „Werbung und Abschied," „Leben und Treiben," „Liebesleben," „Auf dein Marsche," „Vor und in der Schlacht," „Vom Sterben auf grüner Haide" in sieben Abteilungen. In der zweiten Hälfte, die aus 192 Nummern besteht, hat sich eine Gliederung im Anschluß an die Geschichte und Kriegsgeschichte ziemlich von selbst ergeben; die erste Gruppe umfaßt die Zeit von den Schweizerkriegen bis zur Uebergabe von Metz (1386—1652), die zweite reicht vom Beginn des dreißig¬ jährigen Krieges bis zur Zerstörung von Heidelberg (1620 —1689), in der dritten hat der Herausgeber die Türkenkriege und den spanischen Erbfolgekrieg vereinigt (1529—1737), vier und fünf sind dem österreichischen Erbfolgekriege und deu Feldzügen Friedrichs des Großen (1741—1786), der französischen Campagne und deu Freiheitskriegen (1792—1815) gewidmet, die letzte gilt dem Schleswig-holstei- nischen und dem deutsch-französischen Kriege (1848—1871). Möge die Sammlung, die ein ebenso großes Poetisches wie kulturgeschichtliches Interesse gewährt, in den gebildeten Kreisen des deutschen Heeres, auf die sie vor allein berechnet ist, recht freundliche Aufnahme finden! Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig. Verlag von F. L. Hcrbig in Leipzig. — Druck von Carl Marauart in Reudnitz-Leipzig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156924/448>, abgerufen am 27.12.2024.