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Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal.

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Der Aufruhr im Sudan.

Zucht, mit der Friedrich der Große sich im Kampfe gegen halb Europa behaup¬
tete, die Disziplin, kraft deren alle staatlichen Kräfte, alle Glieder des Regie¬
rungsorganismus in seinen verschiednen Abteilungen auf ein einziges Ziel hin¬
arbeiten, das System, wo allen von unten hinauf bis zur obersten Stufe mit
Einschluß des Souveräns Gehorsam, Unterordnung seiner Neigungen und Mei¬
nungen unter das nächsthöhere, zuhöchst unter das Staatsinteresse, die erste
Tugend ist. Alles klappt bei diesem System, alles greift ineinander, alles geht
ohne Aufenthalt von statten wie in der Armee, die nur der deutlichste Ausdruck
des Geistes, von welchem alle Einrichtungen und Angehörigen des Staates durch¬
drungen sein sollen, und nur die Haupt- und Zentralschule ist, welche diesen
Geist der Bevölkerung mitteilt. Ein solches System, von welchem Bismarck
einst selbst geäußert hat: "Ich habe den Ehrgeiz, persönlich einmal das Lob
zu verdienen, welches die Geschichte der preußischen Disziplin erteilt hat," ver¬
trägt sich sehr wohl mit einem reichlichen Maße politischer Freiheit, dagegen
ist es allerdings unvereinbar mit der parlamentarischen Regierungsform. wie
sie von gewissen Leuten erstrebt wird, und wie sie nur in ihrer Unselbständig¬
keit stetig, wie sie in ihrer Aktion immer gehemmt und zu Halbheiten gedrängt,
immer unruhig, immer schwächlich sein wird, während im politischen Leben nichts
der raschen Offensive und der dauerhaften Widerstandskraft der so wie geschil¬
dert eingerichteten Monarchie gleichkommt.




Der Aufruhr im ^utan.

is Gladstone dem Unterhause von der Vertagung der Konferenz
Mitteilung machte, fügte er hinzu, daß die Regierung einen "nich¬
tigen Schritt hinsichtlich Ägyptens in Aussicht genommen habe,
auch einen Kredit für eine etwa notwendig werdende Expedition
zum Entsatze Gordons fordern werde. War dies die Ankündigung
einer energischeren Politik am Nil? Die Kreditforderung fiel dürftig genug aus.
Es darf bezweifelt werden, daß man wirklich mit 300 000 Pfund Sterling die
Kosten eines Feldzuges nach der Hauptstadt des Sudan auch nnr annähernd
bestreikn kann. Und der angekündigte wichtige Schritt ist anscheinend nur ein
vorbereitender. Der Marineminister Lord Northbrook soll als außerordentlicher
Bevollmächtigter mit dem Titel "Oberkommissar" nach Ägypten gehen. Aber
er hat keine Vollmachten zu selbständigem Handeln. Er soll Studien darüber
machen, welche Ratschläge finanzieller und administrativer Natur dem Chedive
zu geben seien.


Der Aufruhr im Sudan.

Zucht, mit der Friedrich der Große sich im Kampfe gegen halb Europa behaup¬
tete, die Disziplin, kraft deren alle staatlichen Kräfte, alle Glieder des Regie¬
rungsorganismus in seinen verschiednen Abteilungen auf ein einziges Ziel hin¬
arbeiten, das System, wo allen von unten hinauf bis zur obersten Stufe mit
Einschluß des Souveräns Gehorsam, Unterordnung seiner Neigungen und Mei¬
nungen unter das nächsthöhere, zuhöchst unter das Staatsinteresse, die erste
Tugend ist. Alles klappt bei diesem System, alles greift ineinander, alles geht
ohne Aufenthalt von statten wie in der Armee, die nur der deutlichste Ausdruck
des Geistes, von welchem alle Einrichtungen und Angehörigen des Staates durch¬
drungen sein sollen, und nur die Haupt- und Zentralschule ist, welche diesen
Geist der Bevölkerung mitteilt. Ein solches System, von welchem Bismarck
einst selbst geäußert hat: „Ich habe den Ehrgeiz, persönlich einmal das Lob
zu verdienen, welches die Geschichte der preußischen Disziplin erteilt hat," ver¬
trägt sich sehr wohl mit einem reichlichen Maße politischer Freiheit, dagegen
ist es allerdings unvereinbar mit der parlamentarischen Regierungsform. wie
sie von gewissen Leuten erstrebt wird, und wie sie nur in ihrer Unselbständig¬
keit stetig, wie sie in ihrer Aktion immer gehemmt und zu Halbheiten gedrängt,
immer unruhig, immer schwächlich sein wird, während im politischen Leben nichts
der raschen Offensive und der dauerhaften Widerstandskraft der so wie geschil¬
dert eingerichteten Monarchie gleichkommt.




Der Aufruhr im ^utan.

is Gladstone dem Unterhause von der Vertagung der Konferenz
Mitteilung machte, fügte er hinzu, daß die Regierung einen »nich¬
tigen Schritt hinsichtlich Ägyptens in Aussicht genommen habe,
auch einen Kredit für eine etwa notwendig werdende Expedition
zum Entsatze Gordons fordern werde. War dies die Ankündigung
einer energischeren Politik am Nil? Die Kreditforderung fiel dürftig genug aus.
Es darf bezweifelt werden, daß man wirklich mit 300 000 Pfund Sterling die
Kosten eines Feldzuges nach der Hauptstadt des Sudan auch nnr annähernd
bestreikn kann. Und der angekündigte wichtige Schritt ist anscheinend nur ein
vorbereitender. Der Marineminister Lord Northbrook soll als außerordentlicher
Bevollmächtigter mit dem Titel „Oberkommissar" nach Ägypten gehen. Aber
er hat keine Vollmachten zu selbständigem Handeln. Er soll Studien darüber
machen, welche Ratschläge finanzieller und administrativer Natur dem Chedive
zu geben seien.


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[0016] Der Aufruhr im Sudan. Zucht, mit der Friedrich der Große sich im Kampfe gegen halb Europa behaup¬ tete, die Disziplin, kraft deren alle staatlichen Kräfte, alle Glieder des Regie¬ rungsorganismus in seinen verschiednen Abteilungen auf ein einziges Ziel hin¬ arbeiten, das System, wo allen von unten hinauf bis zur obersten Stufe mit Einschluß des Souveräns Gehorsam, Unterordnung seiner Neigungen und Mei¬ nungen unter das nächsthöhere, zuhöchst unter das Staatsinteresse, die erste Tugend ist. Alles klappt bei diesem System, alles greift ineinander, alles geht ohne Aufenthalt von statten wie in der Armee, die nur der deutlichste Ausdruck des Geistes, von welchem alle Einrichtungen und Angehörigen des Staates durch¬ drungen sein sollen, und nur die Haupt- und Zentralschule ist, welche diesen Geist der Bevölkerung mitteilt. Ein solches System, von welchem Bismarck einst selbst geäußert hat: „Ich habe den Ehrgeiz, persönlich einmal das Lob zu verdienen, welches die Geschichte der preußischen Disziplin erteilt hat," ver¬ trägt sich sehr wohl mit einem reichlichen Maße politischer Freiheit, dagegen ist es allerdings unvereinbar mit der parlamentarischen Regierungsform. wie sie von gewissen Leuten erstrebt wird, und wie sie nur in ihrer Unselbständig¬ keit stetig, wie sie in ihrer Aktion immer gehemmt und zu Halbheiten gedrängt, immer unruhig, immer schwächlich sein wird, während im politischen Leben nichts der raschen Offensive und der dauerhaften Widerstandskraft der so wie geschil¬ dert eingerichteten Monarchie gleichkommt. Der Aufruhr im ^utan. is Gladstone dem Unterhause von der Vertagung der Konferenz Mitteilung machte, fügte er hinzu, daß die Regierung einen »nich¬ tigen Schritt hinsichtlich Ägyptens in Aussicht genommen habe, auch einen Kredit für eine etwa notwendig werdende Expedition zum Entsatze Gordons fordern werde. War dies die Ankündigung einer energischeren Politik am Nil? Die Kreditforderung fiel dürftig genug aus. Es darf bezweifelt werden, daß man wirklich mit 300 000 Pfund Sterling die Kosten eines Feldzuges nach der Hauptstadt des Sudan auch nnr annähernd bestreikn kann. Und der angekündigte wichtige Schritt ist anscheinend nur ein vorbereitender. Der Marineminister Lord Northbrook soll als außerordentlicher Bevollmächtigter mit dem Titel „Oberkommissar" nach Ägypten gehen. Aber er hat keine Vollmachten zu selbständigem Handeln. Er soll Studien darüber machen, welche Ratschläge finanzieller und administrativer Natur dem Chedive zu geben seien.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 43, 1884, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341839_156924/16>, abgerufen am 27.12.2024.