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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal.

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Politische Wetterfahnen.

Faßt man die Allsführungen in Bezug auf die sämtlichen Beschwerdcpnnite
hiernach zusammen, so wird man zu dem Ergebnis gelangen, daß auch nicht
ein einziger Punkt geltend gemacht werden kann, in welchem die bestehende
Strafprozeßgesetzgebung nach der Richtung mangelhaften Schutzes des Ange¬
schuldigten einen Grund zu berechtigten Ausstellungen böte, daß vielmehr im
Gegenteile die auf den Schutz der Gesellschaft gegen die Verbrecher abzielenden
Maßregeln in manchen Richtungen einer Verstärkung bedürftig erscheinen, daß
die Schutzmcißrcgcln zu Gunsten der Angeschuldigten keine Erweiterung mehr
zulassen, wenn die Verfolgung von Verbrechen noch mit einiger Aussicht auf
Erfolg unternommen werden soll, und daß es demgemäß vollständig der Wahr¬
heit entspricht, wenn dem Liberalismus vorgeworfen wird, daß seine, eben diese
Erweiterung der Schutzmaßregeln zu Gunsten des Angeschuldigten bezweckenden
Tendenzen zu einer Erschwerung der Verfolgung von Verbrechern überhaupt
und damit auch zur Erschwerung der Verfolgung von Mördern führen.




politische Wetterfahnen.

>n einem der beliebtesten Lustspiele ans Scribes späterer Zeit,
L.i-iÄiUö as nig,me>8, welches im Jahre 1817 spielt, hält eine
aristokratische Dame dem Präfekten, der einen politischen Flücht¬
ling verfolgt, vor, wie oft sie einander schon unter ähnlichen und
doch ganz andern Verhältnissen begegnet seien: sie jedesmal Ver¬
folgte beschützend, er immer verfolgend, aber einmal als Procureur der Re¬
publik, einmal als kaiserlicher Beamter, endlich als königlicher Prnfekt. M,
mon al'su, setzt sie bei dem zweiten Falle spöttisch begütigend hinzu, qui n's.
pg,s ste konetioims-irs sous I'smxire! Die Franzosen des Jahres 1851 lachten
von Herzen über diese Reminiscenzen, ohne die Bitterkeit derselben zu empfinden,
und auch Scribe hat offenbar nicht daran gedacht, wie sehr der Spott sich
gegen ihn selbst kehrte. Er, der Moliere des Bürgcrköuigtums, machte ja mit
diesem Stücke seine Reverenz vor dem nahenden zweiten Kaiserreiche!

Aber das Bild, welches er entrollt, entsprach wenig der historischen Wahr¬
heit. Im Jahre 1817 war man nicht aufgelegt, solche Dinge von der scherz¬
haften Seite zu nehmen. Feiertc doch damals der weiße Schrecken seine blu-
tigen Feste! Und wir können einen klassischen Zeugen gerade für die damalige
Auffassung der Frage vorführen, welche mit dem Wi n'a xg,s 6t6 ... gestreift
wird: ein wahrscheinlich wenig bekanntes Buch unter dem Titel viotwrmiun.


Politische Wetterfahnen.

Faßt man die Allsführungen in Bezug auf die sämtlichen Beschwerdcpnnite
hiernach zusammen, so wird man zu dem Ergebnis gelangen, daß auch nicht
ein einziger Punkt geltend gemacht werden kann, in welchem die bestehende
Strafprozeßgesetzgebung nach der Richtung mangelhaften Schutzes des Ange¬
schuldigten einen Grund zu berechtigten Ausstellungen böte, daß vielmehr im
Gegenteile die auf den Schutz der Gesellschaft gegen die Verbrecher abzielenden
Maßregeln in manchen Richtungen einer Verstärkung bedürftig erscheinen, daß
die Schutzmcißrcgcln zu Gunsten der Angeschuldigten keine Erweiterung mehr
zulassen, wenn die Verfolgung von Verbrechen noch mit einiger Aussicht auf
Erfolg unternommen werden soll, und daß es demgemäß vollständig der Wahr¬
heit entspricht, wenn dem Liberalismus vorgeworfen wird, daß seine, eben diese
Erweiterung der Schutzmaßregeln zu Gunsten des Angeschuldigten bezweckenden
Tendenzen zu einer Erschwerung der Verfolgung von Verbrechern überhaupt
und damit auch zur Erschwerung der Verfolgung von Mördern führen.




politische Wetterfahnen.

>n einem der beliebtesten Lustspiele ans Scribes späterer Zeit,
L.i-iÄiUö as nig,me>8, welches im Jahre 1817 spielt, hält eine
aristokratische Dame dem Präfekten, der einen politischen Flücht¬
ling verfolgt, vor, wie oft sie einander schon unter ähnlichen und
doch ganz andern Verhältnissen begegnet seien: sie jedesmal Ver¬
folgte beschützend, er immer verfolgend, aber einmal als Procureur der Re¬
publik, einmal als kaiserlicher Beamter, endlich als königlicher Prnfekt. M,
mon al'su, setzt sie bei dem zweiten Falle spöttisch begütigend hinzu, qui n's.
pg,s ste konetioims-irs sous I'smxire! Die Franzosen des Jahres 1851 lachten
von Herzen über diese Reminiscenzen, ohne die Bitterkeit derselben zu empfinden,
und auch Scribe hat offenbar nicht daran gedacht, wie sehr der Spott sich
gegen ihn selbst kehrte. Er, der Moliere des Bürgcrköuigtums, machte ja mit
diesem Stücke seine Reverenz vor dem nahenden zweiten Kaiserreiche!

Aber das Bild, welches er entrollt, entsprach wenig der historischen Wahr¬
heit. Im Jahre 1817 war man nicht aufgelegt, solche Dinge von der scherz¬
haften Seite zu nehmen. Feiertc doch damals der weiße Schrecken seine blu-
tigen Feste! Und wir können einen klassischen Zeugen gerade für die damalige
Auffassung der Frage vorführen, welche mit dem Wi n'a xg,s 6t6 ... gestreift
wird: ein wahrscheinlich wenig bekanntes Buch unter dem Titel viotwrmiun.


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[0660] Politische Wetterfahnen. Faßt man die Allsführungen in Bezug auf die sämtlichen Beschwerdcpnnite hiernach zusammen, so wird man zu dem Ergebnis gelangen, daß auch nicht ein einziger Punkt geltend gemacht werden kann, in welchem die bestehende Strafprozeßgesetzgebung nach der Richtung mangelhaften Schutzes des Ange¬ schuldigten einen Grund zu berechtigten Ausstellungen böte, daß vielmehr im Gegenteile die auf den Schutz der Gesellschaft gegen die Verbrecher abzielenden Maßregeln in manchen Richtungen einer Verstärkung bedürftig erscheinen, daß die Schutzmcißrcgcln zu Gunsten der Angeschuldigten keine Erweiterung mehr zulassen, wenn die Verfolgung von Verbrechen noch mit einiger Aussicht auf Erfolg unternommen werden soll, und daß es demgemäß vollständig der Wahr¬ heit entspricht, wenn dem Liberalismus vorgeworfen wird, daß seine, eben diese Erweiterung der Schutzmaßregeln zu Gunsten des Angeschuldigten bezweckenden Tendenzen zu einer Erschwerung der Verfolgung von Verbrechern überhaupt und damit auch zur Erschwerung der Verfolgung von Mördern führen. politische Wetterfahnen. >n einem der beliebtesten Lustspiele ans Scribes späterer Zeit, L.i-iÄiUö as nig,me>8, welches im Jahre 1817 spielt, hält eine aristokratische Dame dem Präfekten, der einen politischen Flücht¬ ling verfolgt, vor, wie oft sie einander schon unter ähnlichen und doch ganz andern Verhältnissen begegnet seien: sie jedesmal Ver¬ folgte beschützend, er immer verfolgend, aber einmal als Procureur der Re¬ publik, einmal als kaiserlicher Beamter, endlich als königlicher Prnfekt. M, mon al'su, setzt sie bei dem zweiten Falle spöttisch begütigend hinzu, qui n's. pg,s ste konetioims-irs sous I'smxire! Die Franzosen des Jahres 1851 lachten von Herzen über diese Reminiscenzen, ohne die Bitterkeit derselben zu empfinden, und auch Scribe hat offenbar nicht daran gedacht, wie sehr der Spott sich gegen ihn selbst kehrte. Er, der Moliere des Bürgcrköuigtums, machte ja mit diesem Stücke seine Reverenz vor dem nahenden zweiten Kaiserreiche! Aber das Bild, welches er entrollt, entsprach wenig der historischen Wahr¬ heit. Im Jahre 1817 war man nicht aufgelegt, solche Dinge von der scherz¬ haften Seite zu nehmen. Feiertc doch damals der weiße Schrecken seine blu- tigen Feste! Und wir können einen klassischen Zeugen gerade für die damalige Auffassung der Frage vorführen, welche mit dem Wi n'a xg,s 6t6 ... gestreift wird: ein wahrscheinlich wenig bekanntes Buch unter dem Titel viotwrmiun.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_154164/660>, abgerufen am 13.11.2024.