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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal.

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Francescci von Rimini.
Und stumm verschließ' ich alle meine Klage,
Mein urnes Herz, es ist ein großes Grnb,
Und einsam senke ich an jedem Tage,,
Des Trostes bar, der Liebe Schmerz hinab.
Ich frage mich so oft, wozu?
Ich frage mich so oft, wozu,
Wozu noch länger kämpfen, tragen?
Kein Mittel giebts, man muß verzagen,
Und nur im Grabe ist die Ruh. Ich frage mich so oft, wozu,
Wozu noch weiter ringen, streben?
Ach, keine Lust ist es zu leben,
Und nur im Grabe ist die Ruh. Ich frage mich so oft, wozu,
Wozu ist Gott, von dem sie sprechen?
Weiß er zu lohnen und zu räche",
Gähnt mir ein Nichts aus Grabesruh? Ich frage mich so oft, wozu,
Du weißt's, Herr, laß mein Heil mich finden,
Und fühl' ich all mein Hoffen schwinden,
In deinem Schoße such' ich Ruh.
Charfreitag.
Die ganze Menschheit ist mit dir
Zu Golgatha ans Kreuz geschlagen,
Und jeder Tag erneuert ihr
Des einen Tages Weh und Klagen. Gabst du dein Blut nicht fruchtlos hin,
Und stirbst du täglich nicht aufs neue?
Befangen ist der Menschen Sinn,
Und ewig wechselt Schmerz und Reue. Erlischt nicht jeder Hoffnungsstrahl,
Erstirbt nicht jeder Wunsch des Lebens,
Erzeugt der Wunsch nicht neue Qual,
Ist, was ich wünsche, nicht vergebens? Wohl fühl' ich in der Osternacht
Der Frühlingslüfte nahes Wehen,
Winkt auch der Hoffnung, die mit Macht
Mein Herz ergreift, ein Auferstehen?

15.

Trüber als je waren gerade zu dieser Zeit die Aussichten. Nach Ablauf
seines Studienjahres war Stolberg wieder in Rimini eingetroffen, und jetzt


Francescci von Rimini.
Und stumm verschließ' ich alle meine Klage,
Mein urnes Herz, es ist ein großes Grnb,
Und einsam senke ich an jedem Tage,,
Des Trostes bar, der Liebe Schmerz hinab.
Ich frage mich so oft, wozu?
Ich frage mich so oft, wozu,
Wozu noch länger kämpfen, tragen?
Kein Mittel giebts, man muß verzagen,
Und nur im Grabe ist die Ruh. Ich frage mich so oft, wozu,
Wozu noch weiter ringen, streben?
Ach, keine Lust ist es zu leben,
Und nur im Grabe ist die Ruh. Ich frage mich so oft, wozu,
Wozu ist Gott, von dem sie sprechen?
Weiß er zu lohnen und zu räche»,
Gähnt mir ein Nichts aus Grabesruh? Ich frage mich so oft, wozu,
Du weißt's, Herr, laß mein Heil mich finden,
Und fühl' ich all mein Hoffen schwinden,
In deinem Schoße such' ich Ruh.
Charfreitag.
Die ganze Menschheit ist mit dir
Zu Golgatha ans Kreuz geschlagen,
Und jeder Tag erneuert ihr
Des einen Tages Weh und Klagen. Gabst du dein Blut nicht fruchtlos hin,
Und stirbst du täglich nicht aufs neue?
Befangen ist der Menschen Sinn,
Und ewig wechselt Schmerz und Reue. Erlischt nicht jeder Hoffnungsstrahl,
Erstirbt nicht jeder Wunsch des Lebens,
Erzeugt der Wunsch nicht neue Qual,
Ist, was ich wünsche, nicht vergebens? Wohl fühl' ich in der Osternacht
Der Frühlingslüfte nahes Wehen,
Winkt auch der Hoffnung, die mit Macht
Mein Herz ergreift, ein Auferstehen?

15.

Trüber als je waren gerade zu dieser Zeit die Aussichten. Nach Ablauf
seines Studienjahres war Stolberg wieder in Rimini eingetroffen, und jetzt


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[0532] Francescci von Rimini. Und stumm verschließ' ich alle meine Klage, Mein urnes Herz, es ist ein großes Grnb, Und einsam senke ich an jedem Tage,, Des Trostes bar, der Liebe Schmerz hinab. Ich frage mich so oft, wozu? Ich frage mich so oft, wozu, Wozu noch länger kämpfen, tragen? Kein Mittel giebts, man muß verzagen, Und nur im Grabe ist die Ruh. Ich frage mich so oft, wozu, Wozu noch weiter ringen, streben? Ach, keine Lust ist es zu leben, Und nur im Grabe ist die Ruh. Ich frage mich so oft, wozu, Wozu ist Gott, von dem sie sprechen? Weiß er zu lohnen und zu räche», Gähnt mir ein Nichts aus Grabesruh? Ich frage mich so oft, wozu, Du weißt's, Herr, laß mein Heil mich finden, Und fühl' ich all mein Hoffen schwinden, In deinem Schoße such' ich Ruh. Charfreitag. Die ganze Menschheit ist mit dir Zu Golgatha ans Kreuz geschlagen, Und jeder Tag erneuert ihr Des einen Tages Weh und Klagen. Gabst du dein Blut nicht fruchtlos hin, Und stirbst du täglich nicht aufs neue? Befangen ist der Menschen Sinn, Und ewig wechselt Schmerz und Reue. Erlischt nicht jeder Hoffnungsstrahl, Erstirbt nicht jeder Wunsch des Lebens, Erzeugt der Wunsch nicht neue Qual, Ist, was ich wünsche, nicht vergebens? Wohl fühl' ich in der Osternacht Der Frühlingslüfte nahes Wehen, Winkt auch der Hoffnung, die mit Macht Mein Herz ergreift, ein Auferstehen? 15. Trüber als je waren gerade zu dieser Zeit die Aussichten. Nach Ablauf seines Studienjahres war Stolberg wieder in Rimini eingetroffen, und jetzt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_154164/532>, abgerufen am 13.11.2024.