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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal.

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Der Urieg zwischen Frankreich und China.

dischen Geschäften ohne parlamentarische Regierungsform denken? Soll ihnen
gestattet werden, zur Probe einmal ihre Grundsätze in der Verwaltung oder im
Militärwesen durchzuführen?

Natürlich wird auch der Antisemitismus gestreift. Prosemit scheint der
Verfasser nicht zu sein, doch hat auch er für jene Erscheinung nur jene beiden
Erklärungsgründe, die bei alleu Philosemiten gäng und gäbe sind: Zorn ortho¬
doxer Schriftgelehrten und Neid der durch Überlegenheit der Juden auf journa¬
listischen und kommerziellen Gebiet Bedrohten. Wir wollen ihn auf drei andre
Momente in seinem eignen Buche hinweisen. Er bezeichnet den Parteihaß der
Gegenwart als "die Erbschaft, die von der kirchlichen Verfluchungspraxis auf
uns gekommen ist." Und von wem hat die christliche Kirche die Verfluchungs¬
praxis geerbt? Woher stammt das Dogma eines alleinseligmachenden Glaubens
mit der Pflicht, alles Ungläubige auszurotten? Das ist Eins. Das Zweite ist
die drastische Schilderung des gegenwärtigen Zustandes der Presse und die
wohlbegründete Forderung von Garantien von demjenigen, welcher "das höchste
politische Lehramt für das Volk" ausüben will. "Die Jesuiten werden aus
dem Beichtstuhl verjagt, aber man duldet überall viel gefährlichere Leute in
dem Amte, täglich die verderblichsten Grundsätze zu predigen." Vortreffliche
Worte, die doch wohl nicht von dem Neide auf die journalistische Überlegenheit
derer diktirt sind, welche die Presse und vor allem die so geschilderte fast aus¬
schließlich in Händen haben. Und drittens wäre an die früher erwähnte Stelle
von der "rücksichtslosen Ausbeutung wirtschaftlicher Überlegenheit unter dem Titel
wohlthätiger Konkurrenz zu erinnern."

Das Erfreulichste bei der Lektüre der "Zeitglossen" war uns das Zeugnis,
welches dieselben für das Anwachsen jener Partei liefern, welche gegen die
Ultras auf beiden Seiten entschlossen Stellung nimmt und mit den anerzogenen
Vorurteilen des Liberalismus bricht. Als einen Angehörigen dieser Partei be¬
grüßen wir den Verfasser, wenn auch sein "gesunder Menschenverstand" nicht
durchweg der unsre ist.




Der Krieg zwischen Frankreich und China.

öglich, ja nach den letzten Nachrichten englischer Blätter sehr
wahrscheinlich ist, daß der Krieg zwischen Frankreich und China,
der bereits seit Monaten drohte, in dem Augenblicke, wo wir
dies schreiben, thatsächlich schon ausgebrochen ist. Jedenfalls steht
fest, daß die chinesische Regierung das französische Kabinet hat
benachrichtigen lassen, sie werde einen Angriff der Franzosen auf Bakuing als


Der Urieg zwischen Frankreich und China.

dischen Geschäften ohne parlamentarische Regierungsform denken? Soll ihnen
gestattet werden, zur Probe einmal ihre Grundsätze in der Verwaltung oder im
Militärwesen durchzuführen?

Natürlich wird auch der Antisemitismus gestreift. Prosemit scheint der
Verfasser nicht zu sein, doch hat auch er für jene Erscheinung nur jene beiden
Erklärungsgründe, die bei alleu Philosemiten gäng und gäbe sind: Zorn ortho¬
doxer Schriftgelehrten und Neid der durch Überlegenheit der Juden auf journa¬
listischen und kommerziellen Gebiet Bedrohten. Wir wollen ihn auf drei andre
Momente in seinem eignen Buche hinweisen. Er bezeichnet den Parteihaß der
Gegenwart als „die Erbschaft, die von der kirchlichen Verfluchungspraxis auf
uns gekommen ist." Und von wem hat die christliche Kirche die Verfluchungs¬
praxis geerbt? Woher stammt das Dogma eines alleinseligmachenden Glaubens
mit der Pflicht, alles Ungläubige auszurotten? Das ist Eins. Das Zweite ist
die drastische Schilderung des gegenwärtigen Zustandes der Presse und die
wohlbegründete Forderung von Garantien von demjenigen, welcher „das höchste
politische Lehramt für das Volk" ausüben will. „Die Jesuiten werden aus
dem Beichtstuhl verjagt, aber man duldet überall viel gefährlichere Leute in
dem Amte, täglich die verderblichsten Grundsätze zu predigen." Vortreffliche
Worte, die doch wohl nicht von dem Neide auf die journalistische Überlegenheit
derer diktirt sind, welche die Presse und vor allem die so geschilderte fast aus¬
schließlich in Händen haben. Und drittens wäre an die früher erwähnte Stelle
von der „rücksichtslosen Ausbeutung wirtschaftlicher Überlegenheit unter dem Titel
wohlthätiger Konkurrenz zu erinnern."

Das Erfreulichste bei der Lektüre der „Zeitglossen" war uns das Zeugnis,
welches dieselben für das Anwachsen jener Partei liefern, welche gegen die
Ultras auf beiden Seiten entschlossen Stellung nimmt und mit den anerzogenen
Vorurteilen des Liberalismus bricht. Als einen Angehörigen dieser Partei be¬
grüßen wir den Verfasser, wenn auch sein „gesunder Menschenverstand" nicht
durchweg der unsre ist.




Der Krieg zwischen Frankreich und China.

öglich, ja nach den letzten Nachrichten englischer Blätter sehr
wahrscheinlich ist, daß der Krieg zwischen Frankreich und China,
der bereits seit Monaten drohte, in dem Augenblicke, wo wir
dies schreiben, thatsächlich schon ausgebrochen ist. Jedenfalls steht
fest, daß die chinesische Regierung das französische Kabinet hat
benachrichtigen lassen, sie werde einen Angriff der Franzosen auf Bakuing als


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[0517] Der Urieg zwischen Frankreich und China. dischen Geschäften ohne parlamentarische Regierungsform denken? Soll ihnen gestattet werden, zur Probe einmal ihre Grundsätze in der Verwaltung oder im Militärwesen durchzuführen? Natürlich wird auch der Antisemitismus gestreift. Prosemit scheint der Verfasser nicht zu sein, doch hat auch er für jene Erscheinung nur jene beiden Erklärungsgründe, die bei alleu Philosemiten gäng und gäbe sind: Zorn ortho¬ doxer Schriftgelehrten und Neid der durch Überlegenheit der Juden auf journa¬ listischen und kommerziellen Gebiet Bedrohten. Wir wollen ihn auf drei andre Momente in seinem eignen Buche hinweisen. Er bezeichnet den Parteihaß der Gegenwart als „die Erbschaft, die von der kirchlichen Verfluchungspraxis auf uns gekommen ist." Und von wem hat die christliche Kirche die Verfluchungs¬ praxis geerbt? Woher stammt das Dogma eines alleinseligmachenden Glaubens mit der Pflicht, alles Ungläubige auszurotten? Das ist Eins. Das Zweite ist die drastische Schilderung des gegenwärtigen Zustandes der Presse und die wohlbegründete Forderung von Garantien von demjenigen, welcher „das höchste politische Lehramt für das Volk" ausüben will. „Die Jesuiten werden aus dem Beichtstuhl verjagt, aber man duldet überall viel gefährlichere Leute in dem Amte, täglich die verderblichsten Grundsätze zu predigen." Vortreffliche Worte, die doch wohl nicht von dem Neide auf die journalistische Überlegenheit derer diktirt sind, welche die Presse und vor allem die so geschilderte fast aus¬ schließlich in Händen haben. Und drittens wäre an die früher erwähnte Stelle von der „rücksichtslosen Ausbeutung wirtschaftlicher Überlegenheit unter dem Titel wohlthätiger Konkurrenz zu erinnern." Das Erfreulichste bei der Lektüre der „Zeitglossen" war uns das Zeugnis, welches dieselben für das Anwachsen jener Partei liefern, welche gegen die Ultras auf beiden Seiten entschlossen Stellung nimmt und mit den anerzogenen Vorurteilen des Liberalismus bricht. Als einen Angehörigen dieser Partei be¬ grüßen wir den Verfasser, wenn auch sein „gesunder Menschenverstand" nicht durchweg der unsre ist. Der Krieg zwischen Frankreich und China. öglich, ja nach den letzten Nachrichten englischer Blätter sehr wahrscheinlich ist, daß der Krieg zwischen Frankreich und China, der bereits seit Monaten drohte, in dem Augenblicke, wo wir dies schreiben, thatsächlich schon ausgebrochen ist. Jedenfalls steht fest, daß die chinesische Regierung das französische Kabinet hat benachrichtigen lassen, sie werde einen Angriff der Franzosen auf Bakuing als

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_154164/517>, abgerufen am 13.11.2024.