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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal.

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Die Fabriken und die Großstädte.

selten lassen -- so sagt der Verfasser gegen den Schluß seines Berichtes hin --
zwischen Nord, Ost mild Süd gewaltige Unterschiede in Zucht, militärischer
Straffheit und Leistungsfähigkeit hervortreten. Fehlte in den ersten beiden
Himmelsstrichen das bei uns nie versagende Zusammenarbeiten in den Truppen¬
teilen, so haben wir doch militärische Ordnung und in manchen Leistungen
Gutes, ja stellenweise eine gewisse Eleganz in der Ausführung konstatiren können,
während im Süden die zuweilen sogar die Mannszucht angefressen
hat und das militärische Können dort höchst mittelmäßig genannt werden muß."

Summa und Moral: Es ist noch viel zu lernen, zu schaffen und zu be¬
seitigen, ehe das französische Heer, mit dem Maße der "berühmten Muster"
gemessen, nach denen man es nach dem letzten Kriege umzubilden unternahm,
durchaus als kriegsbereit gelten kann.




Die Fabriken und die Großstädte.

cum an mich als Wähler die Frage einer Neuwahl herantreten
würde, so würde ich getrost die alten Vertreter wiederwählen, die
Berlin aus einem Dorfe zur Großstadt gemacht haben. Berlin
als Industriestadt hat nicht dem Hof oder dem Militär seine
Blüte zu verdanken, sondern seinen Fabriken. So hat Zeitungs¬
berichten zufolge ein Berliner Fortschrittsmann in einer Kommunalwcihlervcr-
sammlung am 4. Oktober 1883 gesprochen: Herr Ludwig Löwe, der als "alter
Vertreter" und Fabrikant besonders befähigt war, über jene Frage ein unpar¬
teiisches Urteil abzugeben, ebenso wie es ihm als Juden wohl anstand, über
"Praktisches Christentum" mitzureden. Es ließen sich wohl allerlei Bemerkungen
an diesen Ausspruch knüpfen, unter andern die, weshalb denn die Partei des
Redners ein so klägliches Geschrei erhoben habe, als ihr die Möglichkeit einer
Verlegung des Regierungssitzes von Berlin weg gezeigt wurde? Stünden Hof
und Ministerien und Militär ihnen nicht mehr ini Wege, so könnten ja Stadt¬
verordnete und Fabriken viel ungestörter an der Vergrößerung Berlins arbeiten!
Als friedfertige Menschen begnügen wir uns jedoch, dasjenige hervorzuheben,
was uns mit Befriedigung erfüllt. Erstens: wenn einmal das Denkmal Fried¬
richs des Großen unter den Linden abgetragen wird (was ja bei fortschrei¬
tendem Fortschritt nicht ausbleiben kann und längst hätte geschehen sollen, schon
weil an dem Postament die klassische Figur Moses Mendelssohns fehlt), und
wenn dann die dankbare Nachwelt ein derselben Stelle das Bild Ludttch Löwes


Die Fabriken und die Großstädte.

selten lassen — so sagt der Verfasser gegen den Schluß seines Berichtes hin —
zwischen Nord, Ost mild Süd gewaltige Unterschiede in Zucht, militärischer
Straffheit und Leistungsfähigkeit hervortreten. Fehlte in den ersten beiden
Himmelsstrichen das bei uns nie versagende Zusammenarbeiten in den Truppen¬
teilen, so haben wir doch militärische Ordnung und in manchen Leistungen
Gutes, ja stellenweise eine gewisse Eleganz in der Ausführung konstatiren können,
während im Süden die zuweilen sogar die Mannszucht angefressen
hat und das militärische Können dort höchst mittelmäßig genannt werden muß."

Summa und Moral: Es ist noch viel zu lernen, zu schaffen und zu be¬
seitigen, ehe das französische Heer, mit dem Maße der „berühmten Muster"
gemessen, nach denen man es nach dem letzten Kriege umzubilden unternahm,
durchaus als kriegsbereit gelten kann.




Die Fabriken und die Großstädte.

cum an mich als Wähler die Frage einer Neuwahl herantreten
würde, so würde ich getrost die alten Vertreter wiederwählen, die
Berlin aus einem Dorfe zur Großstadt gemacht haben. Berlin
als Industriestadt hat nicht dem Hof oder dem Militär seine
Blüte zu verdanken, sondern seinen Fabriken. So hat Zeitungs¬
berichten zufolge ein Berliner Fortschrittsmann in einer Kommunalwcihlervcr-
sammlung am 4. Oktober 1883 gesprochen: Herr Ludwig Löwe, der als „alter
Vertreter" und Fabrikant besonders befähigt war, über jene Frage ein unpar¬
teiisches Urteil abzugeben, ebenso wie es ihm als Juden wohl anstand, über
„Praktisches Christentum" mitzureden. Es ließen sich wohl allerlei Bemerkungen
an diesen Ausspruch knüpfen, unter andern die, weshalb denn die Partei des
Redners ein so klägliches Geschrei erhoben habe, als ihr die Möglichkeit einer
Verlegung des Regierungssitzes von Berlin weg gezeigt wurde? Stünden Hof
und Ministerien und Militär ihnen nicht mehr ini Wege, so könnten ja Stadt¬
verordnete und Fabriken viel ungestörter an der Vergrößerung Berlins arbeiten!
Als friedfertige Menschen begnügen wir uns jedoch, dasjenige hervorzuheben,
was uns mit Befriedigung erfüllt. Erstens: wenn einmal das Denkmal Fried¬
richs des Großen unter den Linden abgetragen wird (was ja bei fortschrei¬
tendem Fortschritt nicht ausbleiben kann und längst hätte geschehen sollen, schon
weil an dem Postament die klassische Figur Moses Mendelssohns fehlt), und
wenn dann die dankbare Nachwelt ein derselben Stelle das Bild Ludttch Löwes


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[0393] Die Fabriken und die Großstädte. selten lassen — so sagt der Verfasser gegen den Schluß seines Berichtes hin — zwischen Nord, Ost mild Süd gewaltige Unterschiede in Zucht, militärischer Straffheit und Leistungsfähigkeit hervortreten. Fehlte in den ersten beiden Himmelsstrichen das bei uns nie versagende Zusammenarbeiten in den Truppen¬ teilen, so haben wir doch militärische Ordnung und in manchen Leistungen Gutes, ja stellenweise eine gewisse Eleganz in der Ausführung konstatiren können, während im Süden die zuweilen sogar die Mannszucht angefressen hat und das militärische Können dort höchst mittelmäßig genannt werden muß." Summa und Moral: Es ist noch viel zu lernen, zu schaffen und zu be¬ seitigen, ehe das französische Heer, mit dem Maße der „berühmten Muster" gemessen, nach denen man es nach dem letzten Kriege umzubilden unternahm, durchaus als kriegsbereit gelten kann. Die Fabriken und die Großstädte. cum an mich als Wähler die Frage einer Neuwahl herantreten würde, so würde ich getrost die alten Vertreter wiederwählen, die Berlin aus einem Dorfe zur Großstadt gemacht haben. Berlin als Industriestadt hat nicht dem Hof oder dem Militär seine Blüte zu verdanken, sondern seinen Fabriken. So hat Zeitungs¬ berichten zufolge ein Berliner Fortschrittsmann in einer Kommunalwcihlervcr- sammlung am 4. Oktober 1883 gesprochen: Herr Ludwig Löwe, der als „alter Vertreter" und Fabrikant besonders befähigt war, über jene Frage ein unpar¬ teiisches Urteil abzugeben, ebenso wie es ihm als Juden wohl anstand, über „Praktisches Christentum" mitzureden. Es ließen sich wohl allerlei Bemerkungen an diesen Ausspruch knüpfen, unter andern die, weshalb denn die Partei des Redners ein so klägliches Geschrei erhoben habe, als ihr die Möglichkeit einer Verlegung des Regierungssitzes von Berlin weg gezeigt wurde? Stünden Hof und Ministerien und Militär ihnen nicht mehr ini Wege, so könnten ja Stadt¬ verordnete und Fabriken viel ungestörter an der Vergrößerung Berlins arbeiten! Als friedfertige Menschen begnügen wir uns jedoch, dasjenige hervorzuheben, was uns mit Befriedigung erfüllt. Erstens: wenn einmal das Denkmal Fried¬ richs des Großen unter den Linden abgetragen wird (was ja bei fortschrei¬ tendem Fortschritt nicht ausbleiben kann und längst hätte geschehen sollen, schon weil an dem Postament die klassische Figur Moses Mendelssohns fehlt), und wenn dann die dankbare Nachwelt ein derselben Stelle das Bild Ludttch Löwes

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_154164/393>, abgerufen am 13.11.2024.