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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal.

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Das neue Aktiengesetz.

eine Berliner Vuchhändlerfirma veranstaltete. In den nachstehenden Aufsätzen
soll Inhalt und Bedeutung des Entwurfs der Akticnnovcllc einer Besprechung
unterzogen werden.

Äußerlich ist die Novelle dazu bestimmt, den betreffenden Artikeln des
Handctsgesetzbuchs, welche die gedachte Materie behandeln, substituirt zu werden,
und insofern stellt sich der Entwurf nicht als ein selbständiges Gesetz dar; in¬
haltlich aber ist er es durchaus. Nur sehr wenige der bisherigen Artikel sind
unverändert geblieben, um sechzig Artikel -- außer den Übergangsbestim¬
mungen -- sind neu hinzugefügt worden. Die Begründung dieses Entwurfs
bildet einen stattlichen Band von 524 Seiten und enthält eine Darstellung des
Aktienrechts, welche unbedingt -- mag der Entwurf zum Gesetz werden oder
nicht -- zum bestimmenden Merkmal für die künftige Entwicklung dieses Gegen¬
standes werden muß. Man enthält aus ihm einen interessanten Einblick in
die gesetzgeberische Werkstätte des Reiches und sieht, mit welchen außerordent¬
lichen Mitteln und mit welchem Aufwand von Arbeit und Gründlichkeit die
Rcichsregieruug an die Lösung dieser schwierigen Aufgabe getreten ist. Die Anlagen
des Entwurfs geben eine ausführliche systematische Darstellung des Aktienrechts
und seiner Reformen bei allen Kulturvölkern; die Reformbestrebungen in Oster¬
reich, das Recht von Ungarn, der Schweiz, England, Frankreich, Belgien, Italien,
den Niederlanden und Spanien werden in lichtvoller Weise entwickelt. Was-
an der so reichen Literatur und Rechtsprechung zu Tage getreten ist, alles
das findet sich kritisirt und verwertet vor. Den Schluß bildet eine statistische
Übersicht über die Kommanditattiengesellschaften und Aktiengesellschaften in Preußen,
wie sie sich nach einem im preußischen statistische" Bureau gesammelte" Material
ergiebt. Diese Übersicht ist freilich nur eine summarische; sie zählt nicht die
einzelnen 1169 Aktiengesellschaften und 61 Kommanditgesellschaften auf Aktien
auf, sondern behandelt nur die einzelnen Hauptbetriebszweige nach Gruppen.
Das ist vielleicht zu beklagen und wird den Statistiker nicht gerade befriedigen.
Allein da eine amtliche Statistik über die Aktiengesellschaften weder im Reiche
noch in Preußen besteht, so mußte sich offenbar die Regierung eine gewisse
Reserve auferlegen; sie würde bei jeder einzelnen Gesellschaft nicht immer für
jede Zahl einstehen können, und eine speziellere Aufführung würde nicht bloß
zu Rekriminationen Anlaß geben, sondern leicht geeignet sein, einer einzelnen
Gesellschaft zu schade". Auch in dieser Gruppeuübersicht läßt sich der Gang
der Aktienbewegung in den Jahren 1871 bis 1875 verfolgen und weist über¬
aus lehrreiche Ergebnisse auf.


2.

An sich freilich bedarf es heute eines statistischen Nachweises nicht mehr
für die Verwüstungen, welchen das Aktienwesen anheimgefallen ist und welche
dieses selbst angerichtet hat. Leider ist es nicht bloß der materielle Verlust, um


Das neue Aktiengesetz.

eine Berliner Vuchhändlerfirma veranstaltete. In den nachstehenden Aufsätzen
soll Inhalt und Bedeutung des Entwurfs der Akticnnovcllc einer Besprechung
unterzogen werden.

Äußerlich ist die Novelle dazu bestimmt, den betreffenden Artikeln des
Handctsgesetzbuchs, welche die gedachte Materie behandeln, substituirt zu werden,
und insofern stellt sich der Entwurf nicht als ein selbständiges Gesetz dar; in¬
haltlich aber ist er es durchaus. Nur sehr wenige der bisherigen Artikel sind
unverändert geblieben, um sechzig Artikel — außer den Übergangsbestim¬
mungen — sind neu hinzugefügt worden. Die Begründung dieses Entwurfs
bildet einen stattlichen Band von 524 Seiten und enthält eine Darstellung des
Aktienrechts, welche unbedingt — mag der Entwurf zum Gesetz werden oder
nicht — zum bestimmenden Merkmal für die künftige Entwicklung dieses Gegen¬
standes werden muß. Man enthält aus ihm einen interessanten Einblick in
die gesetzgeberische Werkstätte des Reiches und sieht, mit welchen außerordent¬
lichen Mitteln und mit welchem Aufwand von Arbeit und Gründlichkeit die
Rcichsregieruug an die Lösung dieser schwierigen Aufgabe getreten ist. Die Anlagen
des Entwurfs geben eine ausführliche systematische Darstellung des Aktienrechts
und seiner Reformen bei allen Kulturvölkern; die Reformbestrebungen in Oster¬
reich, das Recht von Ungarn, der Schweiz, England, Frankreich, Belgien, Italien,
den Niederlanden und Spanien werden in lichtvoller Weise entwickelt. Was-
an der so reichen Literatur und Rechtsprechung zu Tage getreten ist, alles
das findet sich kritisirt und verwertet vor. Den Schluß bildet eine statistische
Übersicht über die Kommanditattiengesellschaften und Aktiengesellschaften in Preußen,
wie sie sich nach einem im preußischen statistische» Bureau gesammelte» Material
ergiebt. Diese Übersicht ist freilich nur eine summarische; sie zählt nicht die
einzelnen 1169 Aktiengesellschaften und 61 Kommanditgesellschaften auf Aktien
auf, sondern behandelt nur die einzelnen Hauptbetriebszweige nach Gruppen.
Das ist vielleicht zu beklagen und wird den Statistiker nicht gerade befriedigen.
Allein da eine amtliche Statistik über die Aktiengesellschaften weder im Reiche
noch in Preußen besteht, so mußte sich offenbar die Regierung eine gewisse
Reserve auferlegen; sie würde bei jeder einzelnen Gesellschaft nicht immer für
jede Zahl einstehen können, und eine speziellere Aufführung würde nicht bloß
zu Rekriminationen Anlaß geben, sondern leicht geeignet sein, einer einzelnen
Gesellschaft zu schade». Auch in dieser Gruppeuübersicht läßt sich der Gang
der Aktienbewegung in den Jahren 1871 bis 1875 verfolgen und weist über¬
aus lehrreiche Ergebnisse auf.


2.

An sich freilich bedarf es heute eines statistischen Nachweises nicht mehr
für die Verwüstungen, welchen das Aktienwesen anheimgefallen ist und welche
dieses selbst angerichtet hat. Leider ist es nicht bloß der materielle Verlust, um


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[0284] Das neue Aktiengesetz. eine Berliner Vuchhändlerfirma veranstaltete. In den nachstehenden Aufsätzen soll Inhalt und Bedeutung des Entwurfs der Akticnnovcllc einer Besprechung unterzogen werden. Äußerlich ist die Novelle dazu bestimmt, den betreffenden Artikeln des Handctsgesetzbuchs, welche die gedachte Materie behandeln, substituirt zu werden, und insofern stellt sich der Entwurf nicht als ein selbständiges Gesetz dar; in¬ haltlich aber ist er es durchaus. Nur sehr wenige der bisherigen Artikel sind unverändert geblieben, um sechzig Artikel — außer den Übergangsbestim¬ mungen — sind neu hinzugefügt worden. Die Begründung dieses Entwurfs bildet einen stattlichen Band von 524 Seiten und enthält eine Darstellung des Aktienrechts, welche unbedingt — mag der Entwurf zum Gesetz werden oder nicht — zum bestimmenden Merkmal für die künftige Entwicklung dieses Gegen¬ standes werden muß. Man enthält aus ihm einen interessanten Einblick in die gesetzgeberische Werkstätte des Reiches und sieht, mit welchen außerordent¬ lichen Mitteln und mit welchem Aufwand von Arbeit und Gründlichkeit die Rcichsregieruug an die Lösung dieser schwierigen Aufgabe getreten ist. Die Anlagen des Entwurfs geben eine ausführliche systematische Darstellung des Aktienrechts und seiner Reformen bei allen Kulturvölkern; die Reformbestrebungen in Oster¬ reich, das Recht von Ungarn, der Schweiz, England, Frankreich, Belgien, Italien, den Niederlanden und Spanien werden in lichtvoller Weise entwickelt. Was- an der so reichen Literatur und Rechtsprechung zu Tage getreten ist, alles das findet sich kritisirt und verwertet vor. Den Schluß bildet eine statistische Übersicht über die Kommanditattiengesellschaften und Aktiengesellschaften in Preußen, wie sie sich nach einem im preußischen statistische» Bureau gesammelte» Material ergiebt. Diese Übersicht ist freilich nur eine summarische; sie zählt nicht die einzelnen 1169 Aktiengesellschaften und 61 Kommanditgesellschaften auf Aktien auf, sondern behandelt nur die einzelnen Hauptbetriebszweige nach Gruppen. Das ist vielleicht zu beklagen und wird den Statistiker nicht gerade befriedigen. Allein da eine amtliche Statistik über die Aktiengesellschaften weder im Reiche noch in Preußen besteht, so mußte sich offenbar die Regierung eine gewisse Reserve auferlegen; sie würde bei jeder einzelnen Gesellschaft nicht immer für jede Zahl einstehen können, und eine speziellere Aufführung würde nicht bloß zu Rekriminationen Anlaß geben, sondern leicht geeignet sein, einer einzelnen Gesellschaft zu schade». Auch in dieser Gruppeuübersicht läßt sich der Gang der Aktienbewegung in den Jahren 1871 bis 1875 verfolgen und weist über¬ aus lehrreiche Ergebnisse auf. 2. An sich freilich bedarf es heute eines statistischen Nachweises nicht mehr für die Verwüstungen, welchen das Aktienwesen anheimgefallen ist und welche dieses selbst angerichtet hat. Leider ist es nicht bloß der materielle Verlust, um

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_154164/284>, abgerufen am 27.07.2024.