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Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal.

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Notizen.

sündigen keine Gelegenheit fanden, und so schweben sie in ihrer nichtssagenden
Existenz mit derselben Leichtigkeit zum Himmel empor, mit welcher sie ihre irdische
Laufbahn durchmessen hatten -- ohne Hindernis, ohne Anstoß, mit Zügen ewig
lächelnder Gleichgiltigkeit, Sie empfinden es nicht in ihrem sanften Empor¬
steigen, daß der Gottrichter für sie kein Auge hat, daß ihm jene Tugendhelden,
für welche die Tugend eine billige Waare ist, ohne Interesse erscheine". Ihr
Paß ist in Ordnung, und so öffnen sich ihnen mühelos die Pforte" des Paradieses,
während jene Sünder, ob sie gleich verzweifelnd in den Abgrund gestoßen
werden, doch das Auge der Gottheit fühlen, das sie zornblitzcnd so schwer trifft.
Von der Hand Gottes war der Stahl geführt, den Oswald in seiner Brust
fühlte; war er auch verwundet und schwer getroffen worden, ein göttlicher
Funke war es, der das Feuer entflammte, an dem er zu Grunde ging. Und
Oswalds Ange glitt auf den Zug des Todes, den er gleich nach dem für ihn so
schmerzlichen Verlauf des Festes bei Genöve unmittelbar vor seiner Staffelei
angebracht hatte, um jederzeit an den erlösenden Mittler erinnert zu werde".
Wie zuversichtlich schreitet das Totengerippe seinem Ziel entgegen. Es sieht
sich nicht um nach denen, welche ihm folgen; es weiß, daß es nicht allein geht,
daß dem Lockruf der Glocke niemand widerstehen kann. Wie beneidenswert
der Jüngling, für den das Mädchen beim ewigen Abschied doch noch eine Thräne
hat; aber freilich, sie wird gleich trocknen, wenn sich jemand findet, der nicht
bloß im Händedruck und in feuchten Angen seine Liebe zeigt. Doch auch der
Tod kennt keine Gerechtigkeit; treulos lockt er die Kinder an sich von dem
Schoß der liebenden Mutter, er entreißt die verzweifelnde Sünderin, noch ehe
sie zur Reue gelangt; er rafft das blühende Leben dahin, das sich eben zur
volle" Thätigkeit entfalten will. Geht auch i" dem lange" Tode"zuge, der sich
in der unendlichen, nebelhaften Ferne verliert, Hoch "ut Niedrig, Arm und
Reich ohne Unterschied nebeneinander, so ist es doch nnr der Zufall, der sie
zusammenfügt. Das arme Weib, dem Mann und Kinder dahingestorben sind,
das einsam und hülflos, verwaist und schwerbeladen zurückgelassen ist, vergebens
bittet es den Tod um Erlösung von den großen Qualen. Herzlos läßt er die
Arme am Weg und ist für ihre Schmerzen taub.


ello pro3xmit,s,äg ol na lasoikti,
0 illnrtv, wsäieins, ä'oxni pona
Lhu! vivni Ä dsroi vns.i I'ultirns, osns.

So ist es auch ihm! Auch seiner erbarmt sich der Tod nicht, auch ihn läßt er
um Wege. Soll er ihn freiwillig aufsuchen, soll er sich in das ewige Nichts
stürze", wo ihm nicht einmal die Empfindung des Schmerzes zurückbleibt, der
ihn doch auch an das genossene Glück erinnert? (Fortsetzung folgt.)




Notizen.
Eine ultramontane Lohntheorie.

Vor kurzem ist ein Schriftchen er¬
schienen: Die Gesetze für Berechnung von Kcipitnlzins und Arbeitslohn.
Von Fr. Albert Maria Weiß, 0. (Freiburg im Breisgau, Herdersche
Buchhandlung, 1383). Der Verfasser desselben, der sich selbst als?mehr Ol-alias
?l'g.gaieg,komm bezeichnet, lebt in Graz, gehört dem Dominikanerorden an und
gilt innerhalb seiner Kirche als ein Vertreter der strengern Richtung. Er hat vor
kurzem ein vielbändiges Werk "Apologie des Christentums vom Standpunkte der
Sittenlehre" vollendet, welches in kirchlichen Kreisen hohes Ansehen genießt. Das


Notizen.

sündigen keine Gelegenheit fanden, und so schweben sie in ihrer nichtssagenden
Existenz mit derselben Leichtigkeit zum Himmel empor, mit welcher sie ihre irdische
Laufbahn durchmessen hatten — ohne Hindernis, ohne Anstoß, mit Zügen ewig
lächelnder Gleichgiltigkeit, Sie empfinden es nicht in ihrem sanften Empor¬
steigen, daß der Gottrichter für sie kein Auge hat, daß ihm jene Tugendhelden,
für welche die Tugend eine billige Waare ist, ohne Interesse erscheine». Ihr
Paß ist in Ordnung, und so öffnen sich ihnen mühelos die Pforte» des Paradieses,
während jene Sünder, ob sie gleich verzweifelnd in den Abgrund gestoßen
werden, doch das Auge der Gottheit fühlen, das sie zornblitzcnd so schwer trifft.
Von der Hand Gottes war der Stahl geführt, den Oswald in seiner Brust
fühlte; war er auch verwundet und schwer getroffen worden, ein göttlicher
Funke war es, der das Feuer entflammte, an dem er zu Grunde ging. Und
Oswalds Ange glitt auf den Zug des Todes, den er gleich nach dem für ihn so
schmerzlichen Verlauf des Festes bei Genöve unmittelbar vor seiner Staffelei
angebracht hatte, um jederzeit an den erlösenden Mittler erinnert zu werde».
Wie zuversichtlich schreitet das Totengerippe seinem Ziel entgegen. Es sieht
sich nicht um nach denen, welche ihm folgen; es weiß, daß es nicht allein geht,
daß dem Lockruf der Glocke niemand widerstehen kann. Wie beneidenswert
der Jüngling, für den das Mädchen beim ewigen Abschied doch noch eine Thräne
hat; aber freilich, sie wird gleich trocknen, wenn sich jemand findet, der nicht
bloß im Händedruck und in feuchten Angen seine Liebe zeigt. Doch auch der
Tod kennt keine Gerechtigkeit; treulos lockt er die Kinder an sich von dem
Schoß der liebenden Mutter, er entreißt die verzweifelnde Sünderin, noch ehe
sie zur Reue gelangt; er rafft das blühende Leben dahin, das sich eben zur
volle» Thätigkeit entfalten will. Geht auch i» dem lange» Tode»zuge, der sich
in der unendlichen, nebelhaften Ferne verliert, Hoch »ut Niedrig, Arm und
Reich ohne Unterschied nebeneinander, so ist es doch nnr der Zufall, der sie
zusammenfügt. Das arme Weib, dem Mann und Kinder dahingestorben sind,
das einsam und hülflos, verwaist und schwerbeladen zurückgelassen ist, vergebens
bittet es den Tod um Erlösung von den großen Qualen. Herzlos läßt er die
Arme am Weg und ist für ihre Schmerzen taub.


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Lhu! vivni Ä dsroi vns.i I'ultirns, osns.

So ist es auch ihm! Auch seiner erbarmt sich der Tod nicht, auch ihn läßt er
um Wege. Soll er ihn freiwillig aufsuchen, soll er sich in das ewige Nichts
stürze», wo ihm nicht einmal die Empfindung des Schmerzes zurückbleibt, der
ihn doch auch an das genossene Glück erinnert? (Fortsetzung folgt.)




Notizen.
Eine ultramontane Lohntheorie.

Vor kurzem ist ein Schriftchen er¬
schienen: Die Gesetze für Berechnung von Kcipitnlzins und Arbeitslohn.
Von Fr. Albert Maria Weiß, 0. (Freiburg im Breisgau, Herdersche
Buchhandlung, 1383). Der Verfasser desselben, der sich selbst als?mehr Ol-alias
?l'g.gaieg,komm bezeichnet, lebt in Graz, gehört dem Dominikanerorden an und
gilt innerhalb seiner Kirche als ein Vertreter der strengern Richtung. Er hat vor
kurzem ein vielbändiges Werk „Apologie des Christentums vom Standpunkte der
Sittenlehre" vollendet, welches in kirchlichen Kreisen hohes Ansehen genießt. Das


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[0223] Notizen. sündigen keine Gelegenheit fanden, und so schweben sie in ihrer nichtssagenden Existenz mit derselben Leichtigkeit zum Himmel empor, mit welcher sie ihre irdische Laufbahn durchmessen hatten — ohne Hindernis, ohne Anstoß, mit Zügen ewig lächelnder Gleichgiltigkeit, Sie empfinden es nicht in ihrem sanften Empor¬ steigen, daß der Gottrichter für sie kein Auge hat, daß ihm jene Tugendhelden, für welche die Tugend eine billige Waare ist, ohne Interesse erscheine». Ihr Paß ist in Ordnung, und so öffnen sich ihnen mühelos die Pforte» des Paradieses, während jene Sünder, ob sie gleich verzweifelnd in den Abgrund gestoßen werden, doch das Auge der Gottheit fühlen, das sie zornblitzcnd so schwer trifft. Von der Hand Gottes war der Stahl geführt, den Oswald in seiner Brust fühlte; war er auch verwundet und schwer getroffen worden, ein göttlicher Funke war es, der das Feuer entflammte, an dem er zu Grunde ging. Und Oswalds Ange glitt auf den Zug des Todes, den er gleich nach dem für ihn so schmerzlichen Verlauf des Festes bei Genöve unmittelbar vor seiner Staffelei angebracht hatte, um jederzeit an den erlösenden Mittler erinnert zu werde». Wie zuversichtlich schreitet das Totengerippe seinem Ziel entgegen. Es sieht sich nicht um nach denen, welche ihm folgen; es weiß, daß es nicht allein geht, daß dem Lockruf der Glocke niemand widerstehen kann. Wie beneidenswert der Jüngling, für den das Mädchen beim ewigen Abschied doch noch eine Thräne hat; aber freilich, sie wird gleich trocknen, wenn sich jemand findet, der nicht bloß im Händedruck und in feuchten Angen seine Liebe zeigt. Doch auch der Tod kennt keine Gerechtigkeit; treulos lockt er die Kinder an sich von dem Schoß der liebenden Mutter, er entreißt die verzweifelnde Sünderin, noch ehe sie zur Reue gelangt; er rafft das blühende Leben dahin, das sich eben zur volle» Thätigkeit entfalten will. Geht auch i» dem lange» Tode»zuge, der sich in der unendlichen, nebelhaften Ferne verliert, Hoch »ut Niedrig, Arm und Reich ohne Unterschied nebeneinander, so ist es doch nnr der Zufall, der sie zusammenfügt. Das arme Weib, dem Mann und Kinder dahingestorben sind, das einsam und hülflos, verwaist und schwerbeladen zurückgelassen ist, vergebens bittet es den Tod um Erlösung von den großen Qualen. Herzlos läßt er die Arme am Weg und ist für ihre Schmerzen taub. ello pro3xmit,s,äg ol na lasoikti, 0 illnrtv, wsäieins, ä'oxni pona Lhu! vivni Ä dsroi vns.i I'ultirns, osns. So ist es auch ihm! Auch seiner erbarmt sich der Tod nicht, auch ihn läßt er um Wege. Soll er ihn freiwillig aufsuchen, soll er sich in das ewige Nichts stürze», wo ihm nicht einmal die Empfindung des Schmerzes zurückbleibt, der ihn doch auch an das genossene Glück erinnert? (Fortsetzung folgt.) Notizen. Eine ultramontane Lohntheorie. Vor kurzem ist ein Schriftchen er¬ schienen: Die Gesetze für Berechnung von Kcipitnlzins und Arbeitslohn. Von Fr. Albert Maria Weiß, 0. (Freiburg im Breisgau, Herdersche Buchhandlung, 1383). Der Verfasser desselben, der sich selbst als?mehr Ol-alias ?l'g.gaieg,komm bezeichnet, lebt in Graz, gehört dem Dominikanerorden an und gilt innerhalb seiner Kirche als ein Vertreter der strengern Richtung. Er hat vor kurzem ein vielbändiges Werk „Apologie des Christentums vom Standpunkte der Sittenlehre" vollendet, welches in kirchlichen Kreisen hohes Ansehen genießt. Das

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 42, 1883, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341837_154164/223>, abgerufen am 13.11.2024.